Im Ökosystem der Start-ups
Ein Geistesblitz macht noch kein Gewinn bringendes Unternehmen. Vor allem finanzielle und bürokratische Hürden in der Frühphase sind es, die dem Unternehmergeist die Substanz rauben können, noch bevor es richtig losgeht mit dem Traum von der Selbstständigkeit. Die Ergebnisse des Austrian Startup-Reports, der vor kurzem gemeinsam von der Initiative STARTeurope, dem Research Studio eSpark der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und dem Business-Angel Fonds Speed Invest präsentiert wurde, zeigt einige bekannte Defizite, aber auch überraschende Ergebnisse auf.
Nach Branchen gestaffelt dominiert die Informationstechnologie: Die meisten Firmengründungen sind im Bereich Software und Kommunikation zu finden, insgesamt investieren hier mehr als 91 Prozent der privaten Geldgeber. Die Gesamtzahl der Gründungen in Österreich ist seit 1993 von rund 14.000 auf 35.000 im Jahr 2011 gestiegen. Im EU-weiten Vergleich ist das im Schnitt noch immer recht wenig. Nur acht Prozent der Erwerbsbevölkerung gründen ein Unternehmen, während es im EU-Raum mehr als 13 Prozent sind.
Vor allem Nicht-Akademiker sind scheinbar nicht sehr mit dem so genannten "Entrepreneurial spirit" gesegnet. Doch auch Studenten zeigen sich eher verhalten. Während rund drei Viertel der Befragten angaben, über eine Firmengründung nachzudenken, gründen letztlich nur etwa fünf Prozent tatsächlich ein Unternehmen. Die heimische Start-up-Szene ist überwiegend männlich dominiert, 93 Prozent der Unternehmensgründungen werden von Männern getätigt. Der Anteil der Frauen ist jedoch gegenüber dem Vorjahr immerhin um fünf Prozent gestiegen.
Kein Anlass für Euphorie
Insgesamt hat sich das österreichische Start-up-Ökosystem durchaus verbessert, speziell in den vergangenen drei bis fünf Jahren. Für Euphorie bestehe aber noch lange kein Anlass, meint Studienleiter Nikolaus Franke vom Institut für Entrepreneurship und Innovation an der WU, denn "wir haben zwei wirkliche Probleme". "Wir haben im kulturellen Wertsystem immer noch große Probleme mit dem Thema Risiko, mit dem Thema Scheitern und Fehler machen. Das ist einfach etwas, was sich nicht von heute auf morgen ändern kann", sagte Franke im Gespräch mit der APA. Gerate der Jungunternehmer in Schwierigkeiten, drohe neben dem finanziellen auch der "soziale Ruin", da er kaum mehr eine Chance habe, wieder Kapital aufzubringen.
Auch das zweite Problem, das Franke ortet, dreht sich im Grunde um das Thema Bildung. Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten wie etwa seitens der Wirtschaftskammer (WKÖ), der Förderbank Austria Wirtschaftsservice (aws) oder Gründerzentren wie AplusB seien zwar ausreichend vorhanden. Hier gebe es kein wirkliches Defizit - mit einer Einschränkung: "Viele von den Fördermaßnahmen zielen im Prinzip auf Gründungen, die schon unterwegs sind."
Awareness und Interdisziplinarität
Das eigentliche Manko sei eher in den Bereichen Awareness und Interdisziplinarität zu suchen. "Viele, die ein Unternehmen gründen könnten, denken gar nicht erst ernsthaft über das Thema nach", so Franke. "Wir haben in Österreich ca. 360.000 Studierende und nach unseren Schätzungen haben nur ein Prozent, wenn überhaupt, Kontakt mit dem Thema Entrepreneurship im Studium."
Genau um diese Problemthemen anzugehen, formiert sich hierzu derzeit eine Initiative, das "Entrepreneurship Center Network". "Wir wollen in einem ersten Schritt erst einmal die Wiener Unis zusammenbringen und hier die beiden Faktoren Awareness und Interdisziplinarität verbessern. Aber selbstverständlich gehört das auch an die Schulen", erklärt Franke die Bestrebungen.
Rahmenbedingungen werden besser
Die Rahmenbedingungen, vor allem jene finanzieller Natur, sind für Gründer nach wie vor schwierig, das ist nicht erst seit der Präsentation der im Oktober vom Wirtschaftsministerium und aws in Auftrag gegebenen Studie "Risikokapital in Österreich" evident. Die Kernaussage: Der Risikokapitalmarkt kommt in Österreich nach dem Einbruch durch die Finanzkrise nicht wieder richtig in Schwung. Den Private Equity- und Venture Capital-Fonds drohen die Mittel zur Finanzierung von jungen, innovativen und technologieorientierten KMU auszugehen. Es seien daher dringend geeignete Maßnahmen zur Belebung vor allem der Frühphasenfinanzierung notwendig.
Derlei Maßnahmen wurden auch bereits angeschoben. So haben Finanzministerin Maria Fekter und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner zwei neue Fördermaßnahmen für Jungunternehmer präsentiert. Zusammen wollen sie 110 Mio. Euro über 6 Jahre aufbringen, davon 87,5 Mio. Euro von der öffentlichen Hand. Nur 6,9 Prozent der Unternehmen in Österreich sind Neugründungen, also weniger als fünf Jahre alt, begründete Mitterlehner den Bedarf. Damit liege Österreich im EU-Vergleich "im hinteren Bereich". Außerdem hängen Jungunternehmen stark von Bankkrediten ab - die unter den neuen Eigenkapitalvorschriften für Banken (Basel III) weniger leicht vergeben werden, ergänzte Fekter.
Der neu aufgelegte Gründerfonds hat 65 Mio. Euro zur Verfügung, im ersten Jahr 15 Millionen, dann je 10 Millionen. Er ermöglicht eine 49-Prozent-Beteiligung an Jungunternehmen. Die öffentliche Hand werde laut Mitterlehner als "strategischer Investor und nicht als Finanzinvestor" agieren, das heißt auch länger beteiligt bleiben. Nach bis zu zehn Jahren werde man wieder aussteigen - und vorzugsweise an den Gründer verkaufen, der ein Vorkaufsrecht erhalten soll. Der Gründerfonds werde über die aws abgewickelt, die über die Beteiligungen entscheidet und diese mit Know-How unterstützt. Ausfälle könne es geben, da es sonst kein Risikofonds wäre, sagte Mitterlehner. Er geht aber davon aus, dass auch viele Beteiligungen mit Gewinn verkauft werden können. Pro Jahr plane man 20 bis 30 Beteiligungen zu je 100.000 bis zu 1 Mio. Euro, um Österreichs Gründer zu unterstützen.
Business Angel Fund
Die zweite Maßnahme ist ein "Business Angels Fund": Hier zahlt die öffentliche Hand 22,5 Mio. Euro ein - die Republik Österreich 15 Millionen und die EU (der Europäische Investitionsfonds EIF) 7,5 Millionen. Etablierte Unternehmer - so genannte "Business Angels", sollen das Geld auf 45 Millionen Euro verdoppeln und zugleich ihre Expertise an den aufstrebenden Unternehmer weitergeben. Die Initiative werde laut Fekter Jungunternehmern mehr Stabilität geben und gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten bessere Rahmenbedingungen für kreative Unternehmer bieten. Fekter erwartet bei den Business Angels 30 bis 50 Beteiligungen pro Jahr und erinnert daran, dass es bereits ein Netzwerk von "Business Angels" gibt.
Im Reformpaket der Regierung sind für Klein- und Mittelunternehmen (KMU) sowie für Gründer weitere Erleichterungen geplant, die 2013 in Kraft treten sollen. Wichtige Eckpunkte sind unter anderem ein Krankengeld für Selbstständige und die so genannte "GmbH-light". Bei GmbH-Gründungen wird das Mindeststammkapital von 35.000 auf 10.000 Euro herabgesetzt. Die Mindest-KöSt sinkt von 1.750 auf 500 Euro pro Jahr. Abgeschafft wird auch die "Gründungsanzeige" in der "Wiener Zeitung".
Das Jahrhundert des Entrepreneurs
Einige der bestehenden Probleme wurden seitens der Politik also durchaus erkannt und angegangen, findet Nikolaus Franke: "Ich glaube schon, dass das Ganze tendenziell in eine richtige Richtung geht. Aber das Ausgangsniveau ist nicht sehr hoch und das Änderungstempo könnte definitiv höher sein. Wir brauchen hier mehr Mut und mehr Konsequenz."
Man könne letztlich gar nicht genug betonen, dass sich Österreich in einer vom Innovationswettbewerb geprägten, globalisierten Welt auf dem Sektor Start-up in jeder Hinsicht weiter entwickeln müsse. "Die Welt verändert sich und das 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert des Entrepreneurs. Und wenn wir da jetzt sagen, wir machen Business as usual – es war doch im 20. Jahrhundert auch nicht so schlecht und wir stehen doch gut da – dann vergisst man, dass sich die Welt auch ganz stark ändert", sagt Franke. "Wir haben keine Rohstoffe, wir haben als zentralen Vorteil, dass wir sehr gut sind in der Kreativität, in der Organisation und auch in der Bildung. Wir müssen schaffen, dass wir uns das auch noch stärker zunutze machen. Das Schlüsselwort für die Umsetzung heißt Entrepreneurship."
Von Mario Wasserfaller/APA-Science