Auf dem Weg zur Exzellenz
Im internationalen Wettbewerb setzen die europäischen Cluster voll auf Exzellenz. In Wien wurde jetzt Bilanz gezogen und ein Blick in die Cluster-Zukunft gewagt.
Mit der Verleihung der ersten drei "Gold Labels" für exzellente Cluster wurden auf der "European Cluster Conference 2012" in Wien (18. bis 20. April) sowohl erste Ergebnisse der Exzellenz-Initiative, als auch ein Cluster-Manifest mit konkreten Vorstellungen für die Zukunft präsentiert.
Als die EU-Kommission im September 2009 die "European Cluster Excellence Initiative (ECEI)" ins Leben rief, verband sie das Ziel von mehr Exzellenz gleich mit einer ganzen Reihe konkreter Zielsetzungen - darunter die Erarbeitung von Trainingsmaterialien für Cluster-Manager und eines Benchmarking-Systems, sowie die Etablierung von Qualitätskriterien für Cluster.
"Im Wesentlichen ist es bei dieser Konferenz darum gegangen, Cluster exzellenter zu machen. Die Grundaussage der EU-Kommission war durchaus sportlich, nämlich zu sagen, wir brauchen nicht mehr, sondern exzellentere Cluster - um Industrie und vor allem KMUs zu helfen, wettbewerbsfähiger zu werden", erklärte Werner Pamminger, Geschäftsführer der Clusterland Oberösterreich GmbH, im Gespräch mit der APA.
Cluster-Plattform
Die Europäische Cluster Konferenz, die an drei Veranstaltungstagen rund 350 Teilnehmer aus 41 Ländern verzeichnete, war "einerseits ein Rückblick, was gemacht worden ist und andererseits ein Blick durch die Frontscheibe - was passiert mit diesen Dingen weiter, die entwickelt worden sind, wie den Trainingsmaterialien und mit der Cluster Collaboration Platform".
Die Kollaborationsplattform (http://www.clustercollaboration.eu) als einer der Eckpfeiler der Exzellenz-Initiative diene in erster Linie dazu, "Cluster Manager zu vernetzen und sie auch in die Lage zu versetzen, als Broker für die Internationalisierung ihrer KMUs zu fungieren." Das Grundziel sei, die Plattform weiter zu entwickeln und sie immer mehr zum Leben zu bringen, denn der Traffic auf der Seite sei noch überschaubar. Künftig soll auch eine "European Foundation on Clusters and Competetiveness" für den Einsatz der unter der Exzellenz-Initiative erarbeiteten Trainingsmaterialien sorgen und "Train-the-Trainer"-Seminare anbieten.
Blick nach vorne
Der Blick nach vorne in der europäischen Clusterpolitik soll auch durch ein European Cluster Manifesto geschärft werden, das ebenfalls auf der Wiener Konferenz präsentiert wurde. Die zentralste Aussage des in einem breiten Online-Prozess erstellten Papiers ist für Pamminger, "dass die Cluster hinsichtlich der Stärkung der Innovationskraft von KMUs künftig bei allen europäischen Programmen eine Rolle spielen sollen", dies gelte besonders auch für das kommende Forschungsprogramm Horizon 2020.
"Es geht weniger darum, dass man neues Geld nimmt und neue Clusterprogramme entwickelt, sondern die Strukturprogramme, die die Kommission auf den verschiedensten Ebenen anbietet, sollen stärker den Clustern dienen um dort exzellente Projekte herauszubekommen", so der Experte.
Thema Entbürokratisierung
Das große europäische Thema ist für Pamminger die Entbürokratisierung. "Wenn wir über Cluster reden, dann reden wir in der Regel über 85 Prozent KMUs, die darin aktiv sind. Es gibt kaum Projekte, die wirklich KMU-adäquat sind, und das wird aus meiner Sicht der große Knackpunkt der Kommission sein: Schafft sie - wie in Horizon 2020 beabsichtigt - die Entbürokratisierung wirklich oder nicht, wie es in den letzten Programmperioden der Fall war."
Ansonsten stehe man erneut vor der Situation, dass sich vor allem Forschungseinrichtungen um die Forschungsgelder bemühen. Wünschenswert sei es aber, "dass wir von KMUs getriebene Forschungsprojekte haben und nicht von Universitäten und Forschungseinrichtungen getriebene Projekte, wo KMUs nur als Feigenblatt mitgenommen werden".
Auszeichnungen und Frauen-Netzwerk
Als sichtbares Zeichen für die Bemühungen, Exzellenz zu fördern, sollten wohl auch die zahlreichen Auszeichnungen dienen, die im Rahmen der Konferenz verliehen wurden. Die ersten drei "Cluster Management Excellence Labels" in Gold wurden dem norwegischen NCE Node (Offshore Drilling), dem deutschen Silicon Saxony (Mikroelektronik) und dem spanischen Femac.cat (Agrarmaschinen) überreicht. Als "European Cluster Manager of the year 2012" wurde Micael Gustafsson vom in Schweden ansässigen "Cluster 55" gekürt (siehe Gastkommentar). Den Design-Wettbewerb "Put your cluster on the map" entschied der französische Lebensmittelcluster "Cluster West" für sich.
Clustermanagement im Wandel
Richtungsweisend für ein sich änderndes Selbstverständnis der Cluster erscheint auch die Schaffung des "Cluster Women European Network" (ClusterWene), einer Vernetzungsplattform für Frauen, die in Clustern tätig sind. Mit Reinhard Büscher, Leiter des Referats Innovationsunterstützung der Generaldirektion für Unternehmen und Industrie in der EU-Kommission, hat diese Idee einen prominenten Unterstützer: "Es zeigt sich, dass die Internationalisierungsbemühungen von Clustern sehr viel stärker von Frauen betrieben werden als von Männern."
Clustermanagement sei ursprünglich ein sehr maskulines Gewerbe im Umfeld von Forschung und Technologie gewesen. "Da es aber mehr und mehr um Partnerschaften und Kooperationen geht, sind auch andere Fähigkeiten gefragt, wie etwa sprachliche und Kommunikationsfähigkeiten. Und in allen unseren Projekten über Cluster-Internationalisierung finden wir sehr viel mehr Frauen als bei anderen Clusteraktivitäten", so Büscher im Interview mit der APA.
Generell sei das Berufsbild des Clustermanagers im Wandel begriffen, denn der müsse "nicht nur mit seinesgleichen kooperieren sondern auch mit Creative Industries reden". Hier spiele etwa das Thema Design eine Rolle für viele traditionelle Wirtschaftsbereiche. "Es geht also nicht mehr nur um die Verknüpfung von Wirtschaft und Forschung - so hat das einmal angefangen - sondern um die Verknüpfung von Forschung, Wirtschaft und Kreativität."
Strukturelle Herausforderungen
Herausforderungen für die Zukunft ortet Büscher in strukturellen Fragen. "Zunächst einmal stehen alle Regionen vor einem doppelten Problem. Nämlich einerseits, dass die bestehende industrielle Basis angeknabbert wird oder wegzubrechen droht, dass also der Konkurrenzdruck auf bestehende industrielle Strukturen natürlich härter geworden ist."
Weiter stelle sich die Frage, wie man dann durch intelligente Clusterpolitik industrielle Strukturen robuster machen und möglichst viel Wertschöpfung in Europa erhalten könne. Eine Antwort darauf sei, bestehende Wertschöpfungsketten durch Verknüpfung mit anderen Industrien wie Design und Marketing anzureichern. Die Erhaltung industrieller Kerne könne nur durch Innovation, Modernisierung und Sektor übergreifende Kooperation erreicht werden. Um dabei behilflich zu sein, müssten Cluster sich in vielerlei Hinsicht neu ausrichten.
"Ich glaube, dass Networking zwischen Clustern nicht mehr ausreicht. Und dass es auch nicht mehr allein darum geht, die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Wirtschaft zu verbessern, sondern dass man ambitionierter sein muss und durch Cluster neue, internationale, wettbewerbsfähige Strukturen schafft", so Büscher.
Paradigmenwechsel bei Innovationen
Einen generellen Paradigmenwechsel in Bezug auf die Entstehung von Innovationen registriert auch Ellen Enkel, Professorin für Innovationsmanagement an der Zeppelin Universität Friedrichshafen (Deutschland) im Gespräch mit der APA. "Die Unternehmenswirklichkeit, bezogen darauf wie man heute Innovationen produziert - ob Dienstleistungen oder neue Produkte - hat sich insofern geändert, als dass sich das heute meistens kooperativ vollzieht. Die Zeit der großen Laboratorien, wo die besten Erfinder eingepfercht sind und vor sich hin erfinden, die ist einfach vorbei."
Für Enkel ist noch nicht ausreichend geklärt, welche Firmen eigentlich in einer Region oder einem Cluster angesiedelt sein müssen, um die möglichst besten Innovationen für die Region, das Land oder einen bestimmten Bereich weltweit zu produzieren. "Ich glaube, dass sich diese Frage noch gar niemand gestellt hat“, so Enkel. Bisher habe man mehr in solchen Dimensionen gedacht wie: „Welche Firmen sind in der Regionen sowieso angesiedelt, welche politischen oder rechtlichen Rahmenbedingungen müssen wir schaffen um mehr Firmen - egal welche - in die Region zu bekommen. Aber wir haben das noch nie aus der Perspektive der Innovation betrachtet."
Dem Erschließen neuer Wissensquellen komme immer stärkeres Gewicht zu. "Wenn Sie alleine bei der Clusterplattform auf die erste Seite schauen: Das erste was einem ins Auge sticht ist 'Collaborate Globally'. Ein Cluster kann nicht alle Wissensquellen beinhalten, die ein Unternehmen beispielsweise für radikale Innovationen braucht. Jedes Unternehmen hat unterschiedliche Bedürfnisse, alle diese wird man nicht in einem Cluster zusammenschließen können, das ist auch unnötig."
Persönlich vor virtuell
Die Zukunft der Cluster um das Jahr 2020 sei nach wie vor von zwischenmenschlichen Kontakten geprägt, ist sich die Expertin sicher. "Viele meiner Kollegen würden jetzt sagen, es wird dann gar keine regionalen Cluster mehr geben, sondern nur noch virtuelle Zusammenarbeit. Aber das glaube ich nicht so. Ich kenne mich in der IT und digitalen Geschäftsmodellen aus, ich habe auch lange in der Wirtschaftsinformatik gearbeitet und weiß: Virtuell kann persönlich nicht ersetzen sondern nur unterstützen."
Mario Wasserfaller/APA-Science
Service: An der Europäischen Cluster Konferenz 2012 (18. - 20. April) nahmen mehr als 350 Personen aus 41 Ländern teil. Organisiert wurde der Event von Clusterland Oberösterreich, der Niederösterreichischen Wirtschaftsagentur ecoplus, Fondation Sophia Antipolis und der MFG Innovationsagentur für IT und Medien Baden-Württemberg.