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Gastbeitrag / Denise Voci / Freitag 31.01.25

Nachhaltigkeitskommunikation: Wie man unangenehme Wahrheiten vermittelt

Wie lassen sich zentrale, aber unbequeme Wahrheiten in Zeiten wissenschaftlichen Misstrauens und gezielter Desinformation effektiv kommunizieren? Diese Frage ist besonders im Bereich der Nachhaltigkeit von Bedeutung. Denn neben wissenschaftlich fundierten Fakten wirft die Diskussion um Nachhaltigkeit auch emotionale, wirtschaftliche und soziale Spannungen auf.
Credit: AAU/MuK Institut Denise Voci, Senior Scientist an der Universität Klagenfurt

Die Vermittlung dieser komplexen Zusammenhänge und die Ansprache unterschiedlicher Zielgruppen stellen eine zunehmende strategische Herausforderung dar. Kommunikationsstrategien müssen hier nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch überzeugen und emotional berühren, ohne dabei belehrend zu wirken. Effektive Kommunikation muss Brücken zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem Alltagsleben der Menschen, zwischen globalen Herausforderungen und individuellen Entscheidungen bauen.

Eine wesentliche Schwierigkeit besteht darin, dass viele Aspekte der Nachhaltigkeit „beyond human scale“ sind – sie entziehen sich dem direkten Erleben und überschreiten das, was Menschen intuitiv begreifen können. Diese Abstraktheit erschwert es, die Dringlichkeit von Maßnahmen emotional und kognitiv zu verankern. Zudem haben Menschen ein begrenztes „personal worry budget“, das nur begrenzte Aufmerksamkeit und Engagement für wahrgenommene Probleme zulässt. Werden Probleme wie der Klimawandel nicht als unmittelbare Bedrohung wahrgenommen, konkurriert das Thema mit anderen Sorgen um Priorität.

Fakten, Narrative und Empathie kombinieren

In einer polarisierten Öffentlichkeit, in der soziale Medien oft Meinungsblasen verstärken, müssen Kommunikationsansätze entwickelt werden, die Vertrauen aufbauen, Offenheit fördern und den Dialog zwischen Gesellschaftsgruppen ermöglichen. Die Nachhaltigkeitskommunikation zeigt, wie essenziell es ist, wissenschaftliche Erkenntnisse auf eine Weise zu vermitteln, die sowohl rationales Verständnis als auch emotionale Resonanz ermöglicht. Nur durch die Kombination von Fakten, Narrativen und Empathie können „unbequeme“ Wahrheiten akzeptiert und in handlungsorientierte Impulse übersetzt werden – auf individueller wie gesellschaftlicher Ebene.

Die wissenschaftliche Literatur zur Vermittlung unbequemer Wahrheiten liefert wertvolle Erkenntnisse für die Nachhaltigkeitskommunikation[1]. Ein zentraler Ansatz ist die Identifikation von vier Stakeholdertypen – science deniers, adaptation skeptics, whitewasher, und world saviors – die differenzierte Kommunikationsstrategien erfordern.

Science deniers lehnen wissenschaftliche Erkenntnisse ab, verbreiten aktiv Desinformationen und akzeptieren Fakten nur, wenn sie ihre Überzeugungen stützen. Ihre Haltung ist oft ideologisch, politisch oder wirtschaftlich motiviert. Präventive Ansätze wie die „public inoculation“ sind entscheidend, um diese Gruppe zu erreichen. Dabei werden Menschen frühzeitig mit widerlegten Argumenten konfrontiert, um sie vor falschen Informationen zu „immunisieren“. Wichtig ist, dabei die Quellen der Desinformationen sowie deren finanzielle oder politische Hintergründe zu offenbaren.

Für Menschen, die bereits von Desinformationen überzeugt sind, erfordert die Korrektur eine besonders sensible Herangehensweise. Narrative sind dabei zentral: Emotionale Geschichten und lokal relevante Beispiele machen komplexe wissenschaftliche Themen greifbarer und helfen, die Kluft zwischen wissenschaftlicher Evidenz und persönlicher Wahrnehmung zu verringern. Entscheidend ist, alternative Erklärungen anzubieten, ohne bestehende Überzeugungen anzugreifen, um Abwehrreaktionen zu vermeiden und die Akzeptanz neuer Informationen zu fördern.

Klimathemen mit persönlichen Sorgen verknüpfen

Adaptation skeptics erkennen den Klimawandel grundsätzlich an, lehnen jedoch Anpassungs- oder Eindämmungsmaßnahmen oft aufgrund der wahrgenommenen Kosten oder des persönlichen Aufwands solcher Schritte ab. Um diese Gruppe zu erreichen, sollten Klimathemen mit persönlichen Sorgen und konkreten lokalen Auswirkungen verknüpft werden, um eine stärkere Resonanz zu erzeugen. Der Dialog statt „Maßnahmen von oben“ ist hier entscheidend, denn ein offener Austausch über Unsicherheiten und die Komplexität der Klimaanpassung fördert Vertrauen und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Anpassungsmaßnahmen sollten dabei so präsentiert werden, dass sie an vertraute Entscheidungsprozesse anknüpfen – etwa durch Beispiele aus der Vergangenheit, bei denen ähnliche Strategien erfolgreich waren.

Whitewasher, häufig selbst Kommunikatorinnen und Kommunikatoren, betonen meist ausschließlich die positiven Seiten der Nachhaltigkeit, wie technologische Innovationen oder wirtschaftliche Vorteile, und verschweigen unangenehme Wahrheiten wie Verzicht oder höhere Kosten. Dies ist jedoch kontraproduktiv, da berechtigte Zweifel anderer Zielgruppen dadurch ignoriert werden. Eine ausgewogene Kommunikation, die sowohl positive als auch herausfordernde Aspekte anspricht, Unklarheiten aufklärt und gezielt auf die Sorgen anderer Zielgruppen eingeht, stärkt die Glaubwürdigkeit der Botschaft und des Überbringers – was entscheidend für eine effektive(re) Nachhaltigkeitskommunikation ist.

World saviors sind stark engagierte Akteure, die oft moralische Dringlichkeit betonen und radikale Forderungen stellen. Ihre emotional geladene Kommunikation soll Aufmerksamkeit für drängende Probleme schaffen, birgt jedoch das Risiko, andere Zielgruppen abzuschrecken, die sich durch übertriebene moralische Appelle oder dramatische Rhetorik bevormundet fühlen. Statt moralischer Überhöhung sollten hier empathische Ansätze und konkrete, umsetzbare Lösungen im Vordergrund stehen, um die Akzeptanz und das Verständnis für die Dringlichkeit ihrer Argumente zu fördern.

Soziale Medien können in beide Richtungen wirken

Soziale Medien spielen eine zentrale Rolle als Verstärker der Kommunikation, stehen jedoch häufig in der Kritik, Meinungen zu verstärken, indem sie Nutzerinnen und Nutzern Inhalte zeigen, die ihre bestehenden Überzeugungen bestätigen. Dies führt oft zur Verfestigung extremer Positionen und verstärkter Polarisierung. Besonders science deniers nutzen diese Mechanismen, um Zweifel an wissenschaftlichen Fakten zu säen und Fake News zu verbreiten.

Die Emotionalisierung von Social-Media-Inhalten verstärkt diese Polarisierung und verzerrt die öffentliche Debatte, da extreme Positionen mehr Aufmerksamkeit erhalten als differenzierte Diskussionen. Dennoch bieten soziale Medien auch Chancen für direkte Kommunikation und Interaktion. Durch dialogorientierte Ansätze können verschiedene Stakeholder eingebunden und ihr Vertrauen in wissenschaftliche Erkenntnisse gestärkt werden. Daher sollten soziale Medien nicht nur als passive Träger von Inhalten, sondern als aktive Akteure im Kommunikationsprozess strategisch genutzt werden, um ehrliche, differenzierte und handlungsorientierte Botschaften zu verbreiten.

[1] https://doi.org/10.1108/JCOM-05-2022-0060

Kurzportrait

Dr. Denise Voci ist Senior Scientist am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Universität Klagenfurt. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit verschiedenen Themen der Medien- und Kommunikationswissenschaft, insbesondere mit Medienökonomie, Medienmanagement, Medieninnovation, Mediennachhaltigkeit sowie Nachhaltigkeits- und Umweltkommunikation. Derzeit leitet sie gemeinsam mit Univ.-Prof. DDr. Matthias Karmasin das vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) geförderte Forschungsprojekt „Effects of the COVID-19 Pandemic on Austria’s Media Industry“.

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