Neue Forschungskooperation für schnelle Quantencomputer
Quantencomputer sollen heute noch unlösbare Aufgaben lösbar machen. Eine Forschungskooperation von Infineon Austria, der Joanneum Research und der Universität Innsbruck soll in den kommenden drei Jahren mit Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft FFG die Entwicklung solcher marktfähiger Prozessoren, die die Gesetze der Quantenmechanik nutzen, vorantreiben. 2,7 Millionen Euro werden laut Infineon investiert, wurde am Mittwoch mitgeteilt.
Während herkömmliche Rechner mit Bits, also "Einsen" und "Nullen", arbeiten und zwei Zustände "Ein" und "Aus" angeben, nutzen Quantencomputer sogenannte Quantenbits, kurz Qubits. Das Besondere dieser Träger von Quanteninformation: Sie können beide Zustände gleichzeitig einnehmen. Aus der besonderen Eigenschaft resultiert eine überragende Rechengeschwindigkeit: Rechenoperationen laufen nicht nacheinander, sondern können gleichzeitig erledigt werden. Von Quantentechnologien und -computern verspricht man sich daher Lösungen für Aufgabenstellungen, die aktuell mit keiner anderen Technologie möglich sind.
Ionenfallen als vielversprechendes Konzept
Die notwendigen Qubits können unter verschiedenen Bedingungen realisiert werden: Dazu gehören etwa Temperaturen in der Nähe des absoluten Nullpunkts oder starkes Vakuum. Weltweit versuchen Forschende die Herausforderungen zu meistern: An der Universität Innsbruck konzentriert man sich auf einzelne Ionen, die durch elektromagnetische Felder in einer Vakuumkammer gehalten werden. Sie werden von Lasern, die rund um die Ionenfalle verbaut sind, angestrahlt und in bestimmte Zustände versetzt. Solche Ionenfallen gelten als vielversprechendes Grundkonzept für die Realisierung von praktikablen Qubits.
Um einen Geschwindigkeitsvorteil gegenüber klassischen Supercomputern zu erzielen, werden für praktisch relevante Aufgaben allerdings mindestens 50 verschränkte Qubits benötigt. Im Innsbrucker Quantenlabor können zurzeit immerhin 24 Ionen individuell kontrolliert und verschränkt werden. Je mehr Qubits implementiert und verschränkt werden können, umso mehr Rechenkapazität hat der Quantencomputer.
Projekt "OptoQuant"
Infineon Austria forscht mit der Universität Innsbruck und der steirischen Joanneum Research an ionenbasierten Prozessoren mit integrierter Optik auf Basis von modernen Halbleiter-Fertigungsprozessen. Im Zuge des Projektes "OptoQuant" sollen mikrostrukturierte 3D-Ionenfallen für das Speichern von 50 bis 100 Ionen geschaffen werden. Damit wären laut Infineon Rechenaufgaben lösbar, an denen die besten Supercomputer heute noch scheitern. Dann könnten u.a. Medikamente für die Krebsforschung, Impfstoffe oder neue Materialien rascher entwickelt, abhörsichere Kommunikation verbessert oder komplexe Logistikprozesse optimiert werden.
Die aktuelle Forschungsallianz von Industrie und Wissenschaft soll die Entwicklung marktfähiger Quantencomputer beschleunigen, führte Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende von Infineon Technologies Austria per Aussendung am Mittwoch an. "Gemeinsam mit starken Partnern haben wir die Chance, bei diesem zentralen Zukunftsthema ganz vorne dabei zu sein und so diese Chance für Europa zu nutzen", wie Herlitschka betonte.
Das Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck sorgt seit mehr als zwei Jahrzehnten international immer wieder bei der Quantenforschung mit Ionenfallen für Aufsehen. Die Physiker haben bereits einen Prototyp eines industriellen Ionenfallen-Quantencomputers gebaut. "Für die Skalierung unserer Quantenprozessoren auf eine größere Anzahl von Qubits und für deren Ansteuerung sind industrielle Techniken unerlässlich. Zusammen mit der Joanneum Research und Infineon Austria haben wir nun die Expertise, den Innsbrucker Quantenprozessor mit Industriestandards weiterzuentwickeln", freute sich der Innsbrucker Quantencomputer-Pionier Rainer Blatt.
Pribyl: "Gemeinsam Neuland betreten"
Das Institut für Oberflächentechnologien und Photonik der Joanneum Research hat sich im Bereich der 3D-Lithographie und integrierten Optiken einen Namen gemacht. Aus Sicht von Geschäftsführer Wolfgang Pribyl könnte mit dem Projekt ein erster großer Schritt in Richtung Miniaturisierung des Herzstücks eines Quantencomputers gelingen: "Wir werden gemeinsam dazulernen und Neuland betreten, denn die Realisierung von Quantencomputern würde auf alle Fälle einen Paradigmenwechsel in der Informationstechnologie bedeuten", hob Pribyl hervor. Der Halbleiterhersteller Infineon, der in Graz ein Entwicklungszentrum betreibt, bringt seine Erfahrungen in der Skalierung und Fertigungsprozessen ein.
Einige Quantencomputer gibt es bereits. Sie seien allerdings noch kompliziert zu bedienen, nicht besonders leistungsstark, ziemlich störungsanfällig und eigentlich nur für akademische Fragestellungen zu gebrauchen, wie auf der Homepage von Infineon dargestellt wurde. Man verweist auf variierende Schätzungen, ab wann Quantencomputer in der Breite zum Einsatz kommen dürften: Allgemeine praxisrelevante Anwendungen seien demnach Ende dieses Jahrzehnts, spezifische Anwendungsfälle auch früher schon denkbar.
Service: https://www.uibk.ac.at/exphys/index.html.de, https://www.infineon.com/cms/de/, https://www.joanneum.at/materials