Technologiegespräche - FWF-Chef Tockner: "Führen Krieg gegen Zukunft"
"Wir führen Krieg gegen die Zukunft - und zwar einen unfairen, denn die Zukunft kann sich nicht wehren", meint FWF-Chef Klement Tockner mit Blick auf den derzeitigen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Die Herausforderungen, vor denen unsere Kinder und Enkelkinder stehen werden, würden daher um vieles schwieriger zu meistern sein als die aktuellen Krisen.
Aus diesem Grund will der Präsident des Wissenschaftsfonds FWF das "Missverständnis ausräumen, dass nur die anwendungsorientierte Forschung nützlich sei. Das ist die Grundlagenforschung nämlich auch, aber ihr Nutzen ist ganz anders geartet: Er ist breiter, tiefer und langfristiger". Für das schnelle Lösen eines Problems von heute mag die angewandte Forschung attraktiver wirken. Für eine "nachhaltige und kostengünstige Vorsorge" jedoch, um die Probleme von morgen zu lösen, habe die Grundlagenforschung aber eindeutig mehr zu bieten.
Es sei wichtig, gerade jetzt auf diesen Nutzen hinzuweisen. Ohne themenoffene und vom Wunsch nach Erkenntnis getriebener Grundlagenforschung gäbe es keine Impfstoffe, keinen Laptop und keine modernen Wörterbücher, so Tockner im Gespräch mit der APA. Er leitet einen Arbeitskreis der Alpbacher Technologiegespräche, bei dem es um das Thema "Return on Investment - Exzellenz und Relevanz in der Wissenschaft" geht.
"Völlig falsch" ist es für Tockner, auf der einen Seite die Grundlagenforschung zu sehen, die wir uns nur leisten, wenn es uns gut geht, und auf der anderen Seite die anwendungsorientierte Forschung, die mit unmittelbarem Nutzen assoziiert wird. Notwendig sei beides: die Grundlagenforschung als Vorsorge für die zukünftigen, teils noch unbekannten Herausforderungen und die anwendungsorientierte Forschung für die Lösung von akuten Problemen.
Langfristiger Nutzen
Dass auch von der Grundlagenforschung zunehmend ein "Return on Investment" gefordert wird, wohl auch um die hohen Aufwendungen dafür zu rechtfertigen, schränkt nach Ansicht Tockners die wissenschaftliche Freiheit nicht notwendigerweise ein. "Dieser Return on Investment ergibt sich mannigfach. Er ist etwas, das man zulassen muss, aber nicht erzwingen kann oder soll." Und im Fall der Grundlagenforschung darf man eben nicht erwarten, dass sich dieser "return" immer ganz schnell einstellt.
Wissenschafter selbst hätten eine Verantwortung, langfristig zu denken und gesellschaftliche Aspekte in ihre Arbeit mit einzubeziehen. "Der Begriff 'gesellschaftlich' bezieht sich aber keinesfalls nur auf ökonomische Wertschöpfung - es geht nicht um Wohlstand, sondern vielmehr um Wohlergehen", so Tockner.
Dabei dürfe man Wert und Nutzen nicht vermischen: "Wissen hat auf jeden Fall einen ganz großen Wert, auch wenn wir nicht immer sofort einschätzen können, welchen Nutzen dieses Wissen hat." Dabei gibt es keine lineare Wertschöpfungskette, die Investitionen und deren "return" unmittelbar miteinander verbindet. "Ich denke, das stellt man sich besser als eine Art Suppe vor, aus der jetzige und zukünftige Generationen schöpfen können."
Es sei gerade die Vielfalt an Herangehensweisen im Denken, die eine Gesellschaft voranbringe und die langfristig vom rein materiellen Wohlstand zu einem umfassenderen Wohlergehen führen könne. Jede Einengung dieser Vielfalt wäre der Kreativität abträglich.
Appell an die Politik
Deshalb kommt für Tockner eine verantwortungsvolle und mutige Politik gar nicht daran vorbei, "jetzt genau dort zu investieren, wo wir mittel- und langfristig die größte Wirkung erzielen können". Und das ist nach Ansicht des FWF-Chefs eben die Grundlagenforschung, finanziert durch Mittel, die im qualitätsgetriebenen Wettbewerb und nach strengen internationalen Maßstäben vergeben werden.
"Eine Förder-Gießkanne und provisorische Lösungen hingegen sind einfach nur teuer. Dabei werden Talente, Ideen und Geld vergeudet, ohne dass die nötigen tiefergreifenden Effekte erzielt werden. Und das dürfen wir uns im Moment schon gar nicht leisten, solche kostbaren Ressourcen zu vernichten", so Tockner. Kurzfristige Lösungen seien nur wie Pflaster, die man auf irgendein Problem draufklebt, statt sich um echte Heilung zu bemühen. Notwendig sei aber, "langfristig und vorsorgend zu arbeiten" - und die Politik wisse durchaus, "wo die Hebel anzusetzen sind. Ohne Mut geht es auf keinen Fall".
Service: Technologiegespräche: http://go.apa.at/OB7vQIHl; FWF: http://fwf.ac.at
(Diese Meldung ist Teil einer Medienkooperation mit dem AIT - Austrian Institute of Technology)