"Wir alle fischen im gleichen Pool"
Schüler und Studenten sind die begehrten Fachkräfte von morgen. Früh genug Zeit und Energie in diese Zielgruppe zu investieren, zahlt sich für Technik -und techaffine Unternehmen aus. Denn Absolventen, womöglich noch mit Berufserfahrung, sind derzeit am Markt kaum verfügbar. Das war der einhellige Tenor bei einer Karrieremesse an der Fachhochschule Campus Wien.
Voll und ganz auf die Strategie des zeitigen "Angelauswerfens" setzt etwa das Technologieunternehmen Bosch Österreich. Für Josipa Basta, Leiterin Recruiting und Personalmarketing, sind Messen einer der wichtigsten Fixpunkte im Recruiting, weil hier persönlicher Kontakt entsteht. "Wir versuchen, schon während der Schul- und Studienzeit Nach- wuchskräfte über Praktika zu uns hereinzuholen. So lernen sie das Unternehmen kennen und werden nach ihrem Abschluss im besten Fall auf eine fixe Stelle übernommen", erzählt sie APA-Science bei einem Lokalaugenschein auf der "Job- und Karrieremesse Technik" an der Fachhochschule (FH) Campus Wien. Das Unternehmen hat sich auf seine jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt und bietet verschiedene Arbeitszeitmodelle mit flexiblen Voll- und Teilzeitoptionen an. Daneben werde eine Vielzahl an "Social Benefits", wie die Möglichkeit von Bildungskarenzen oder Sabbaticals, geboten.
An der FH Campus Wien übernimmt Bosch zudem bereits zum zweiten Mal die Studiengebühren für zwei Studierende, die während des Bachelor-Studiums dann Teilzeit beim Unternehmen arbeiten (und dafür auch ein normales Gehalt beziehen). Schülerinnen und Schüler spricht Bosch mittels Ferialpraktika, aber auch über seinen Technik-Fürs-Leben-Preis für HTL-Diplomarbeiten an. Allein heuer werden Basta zufolge während der drei Sommermonate 195 Ferialpraktika in Wien, Oberösterreich und Salzburg an Schüler und Studenten vergeben.
Bewerbungen langen mitunter auch aus dem Ausland ein, aktiv gehe man außerhalb Österreichs aber nicht auf Mitarbeitersuche. Dann wird ein Skype-Call vereinbart, und dann? "Kommen Bewerber aus EU-Staaten, ist alles Weitere natürlich einfacher. Bei Kandidaten aus Drittstaaten ist das ein aufwendiges Prozedere, und man muss bereit sein, bis zu vier Monate auf die Person zu warten", gibt sie zu bedenken. Reguläre Stellenanzeigen sind für die HR-Spezialistin nach wie vor nicht wegzudenken, aber die Gewichtung verschiebe sich von Print zu Online. "Man muss am Wochenende in bestimmten Tageszeitungen präsent sein - aber gleichzeitig wollen die Leute auch am Weg zur Arbeit am Smartphone oder in den Social Media nach einem neuen Job suchen."
Aufmerksamkeit schaffen
Darum, auf sich aufmerksam zu machen, geht es Ulrika Mücke, HR-Generalistin bei ZKW Elektronik, einem Zulieferer von Licht- und Elektroniksystemen für den Automotive-Bereich. "Der durchschnittliche Arbeitssuchende kennt uns nicht unbedingt", meint sie. Besonders schwer zu besetzen sei der Bereich Cyber Security - weil das Studium an der FH Campus Wien angeboten wird, sei es wichtig für das Unternehmen, an der Messe hier teilzunehmen. Trotzdem ist der Nutzen von Veranstaltungen wie dieser für sie eher ein langfristiger. "Sicher langen im Anschluss vermehrt Bewerbungen ein. Immer wieder aber sitzt man mit Kandidaten zusammen, und es stellt sich heraus, man kennt sich von einem Messebesuch vor einigen Jahren", so Mückes Erfahrungen. Da sei man offensichtlich im Gedächtnis geblieben. Was macht das Unternehmen noch, um in das Visier potenzieller Mitarbeiter zu gelangen? "Wir halten Fachvorträge an Fachhochschulen und Universitäten, betreuen viele Master- und Bachelorarbeiten sowie HTL-Diplomarbeiten", erklärt Mücke. "Viele unserer Mitarbeiter kommen auf diesem Weg zu uns ins Unternehmen."
Am Standort Wieselburg werden auch verschiedene kaufmännische und technische Lehrlingsausbildungen angeboten. "Die Kollegen vor Ort sind sehr aktiv, gehen in die Schulen im Bezirk, machen Bewerbertrainings und Betriebsbesichtigungen." Um gute Lehrlinge reißen sich die Unternehmen: Beliebt sind Schulabbrecher aus Gymnasien. Aber: "Lehre mit Matura ist ein Muss, ohne diese Option geht gar nichts mehr", so die Personalerin.
Coding-Events und faire Gehälter
Mit einer flachen Hierarchie, viel Eigenverantwortung und fairem Gehaltsschema versucht der IT-Dienstleister iteratec attraktiv für neue Mitarbeiter zu sein. Auch hier ist die oberste Devise, schon während des Studiums Kontakte zu Studierenden aufzubauen und flexible Arbeitsmodelle anzubieten. "Wir sind auf Messen präsent, betreuen Bachelor- und Masterarbeiten. Und wir bieten laufend Coding-Events an", plaudert Herwig Steininger, Softwareentwickler und -architekt aus dem Nähkästchen. "Das sind dann Abende bei Pizza und Getränken gemeinsam mit Entwicklern, wo etwa ein Spiel entwickelt wird. Die Studierenden lernen unsere Büroräumlichkeiten kennen, wir lernen sie kennen und werden vielleicht auf Talente aufmerksam", erzählt er. Die Termine seien rasch ausgebucht, nicht zuletzt durch Kooperationen wie mit der FH Technikum Wien.
Oftmals bleiben Praktikanten später in einer festen Stelle beim Unternehmen. Viele der neuen Mitarbeiter würden über Mundpropaganda kommen, so Steininger. "Das Unternehmen bietet viele Social Benefits, etwa die Übernahme der Wiener Linien-Jahreskarte. Etwas Besonderes ist das Gehalt: es basiert nur zum Teil auf persönlichem Verhandlungsgeschick, sondern vielmehr auf einer fairen Bewertung. Mit mehr Engagement steigt es automatisch."
Enger Kontakt mit (Fach-) Hochschulen von Vorteil
Für Nicole Wurzinger, Recruiting Specialist bei Magna Powertrain, ist die Zusammenarbeit mit Hochschulen das Um und Auf für einen erfolgreichen Messebesuch. "Das ist hier qualitativ sehr hochwertig, das Interesse der Studierenden ist da, auch die Unterstützung seitens der Institution und der Fachabteilungen", streicht sie hervor. Sehr gute Erfahrungen habe man weiters mit der TU Wien gemacht. "Wir arbeiten sehr eng zusammen. Einerseits unterstützen wir das TU Racing Team, sowohl mit Sponsorship als auch fachlich. Andererseits haben wir mit den Studiengangsleitern in den Forschungsabteilungen sehr guten Kontakt und vergeben auch immer wieder Forschungsprojekte", erzählt sie. Da sei natürlich ein ganz anderer Zusammenhang gegeben.
Employer Branding ist eine der Aufgaben der HR-Expertin. "Die großen Namen ziehen bei den Bewerbern natürlich. Wir kämpfen darum, am Standort Traiskirchen überhaupt wahrgenommen zu werden", will sie diesen Umstand ändern. Immerhin soll der Standort von derzeit 130 Mitarbeitern bis Jahresende auf 170 Personen ausgebaut werden. "Elektrifizierung ist das Thema der Branche - wir wappnen uns dafür", erläutert sie. Von Ferial- und Pflichtpraktika über Teilzeit-Werkstudentenstellen ist auch hier eine breiten Palette an Einstiegsmöglichkeiten verfügbar, "von der HTL-Matura bis hinauf zum Doktorat", so die Personalerin. Was die Gehaltsvorstellungen der Kandidaten betreffe, so seien diese nicht unrealistisch, auch wenn man sich die Jobs aussuchen können. "Wir spüren natürlich die Konkurrenz zu den Mitbewerbern - aber nicht alles wird über den Preis geregelt", meint sie und weist auf ein attraktives Package an Zusatzleistungen hin.
Weil das Unternehmen unter der Dachmarke Magna International auftritt, spielen Social Media für die Tochter keine große Rolle. Man arbeite aber mit einem breiten Portfolio an Personalberatern und -dienstleistern zusammen. "Zusätzlich betreibe ich aber noch active sourcing, das heißt, ich spreche aktiv potenzielle Kandidaten in sozialen Medien wie Xing, LinkedIn oder auch internationalen Portalen an - denn mittlerweile rekrutieren wir zwangsläufig auch weltweit." Das sei einfach eine Entwicklung. So beschäftige man Mitarbeiter etwa aus Indien, China, Griechenland, England oder Südafrika. "Da wir im Konzern eine eigene Global Mobility Managerin haben, wird der Aufwand für uns gering gehalten." Das Unternehmen kümmert sich um Relocation, hilft bei der Wohnungssuche und unterstützt auch finanziell. In Österreich kommen zwischen zehn und 15 Prozent der Mitarbeiter aus dem Ausland, Tendenz steigend.
"Wir haben es lustig"
Mit konventioneller Mitarbeitersuche kommt man auch bei Elektrobit, einem Unternehmen, das Software für die automotive Industrie entwickelt, nicht weit. "Wir müssen schon aktiv auf die Suche gehen und potenzielle Kandidaten direkt ansprechen", meint auch eine HR-Mitarbeiterin des Unternehmens. Man nehme regelmäßig an Karrieremessen an der FH Technikum Wien und der TU Wien teil, hier an der FH Campus Wien sei man das erste Mal. "Wir suchen Programmierer, Softwareentwickler, Informatiker, Leute mit ein bisschen Berufserfahrung - alle hier im Raum fischen im gleichen Bewerberpool", stellt sie fest. Der Wunschmitarbeiter kann ein abgeschlossenes Bachlorstudium vorweisen, "aber alles, was darüber hinaus geht, ist uns noch lieber", erzählt sie. Auch Praktikanten nimmt das Unternehmen auf. Um sich von der Konkurrenz abzuheben, versuche man einen sehr mitarbeiterfreundlichen Rahmen, unter anderem mit absoluter Flextime und Homeoffice-Möglichkeiten, zu schaffen. Und: "Wir haben es lustig!", meint sie. Auch ließen sich Vollzeitstellen oft auf 30 oder 25 Stunden reduzieren, vieles sei möglich.
Stellenanzeigen schaltet das Unternehmen nur mehr digital, und es gebe eine sehr gute Kooperation mit karriere.at. "Wir drucken aber auch lustige Postkarten in Programmiersprache, die wir an Unis oder Fachhochschulen auflegen. Wer rauskriegt, was dort steht, kann mich anrufen", schmunzelt die HR-Fachfrau.
Personalsuche lässt sich auslagern
Hauptsächlich Kunden aus der Industrie bedient Anton Fleckl, Personalbereiter bei Steiner Hitech, ein Unternehmen, das bereits seit 30 Jahren technische Fachkräfte vermittelt. Mit einer Bewerberdatenbank mit 30.000 Datensätzen aus Ostösterreich scheint das Unternehmen gut gerüstet zu sein. Dennoch schreibt man auch hier Stellen aus und betreibt zusätzlich ebenfalls active sourcing. Platzhirsch sei man keiner, es gebe "deutlichen Mitbewerb". Wie lange dauert es, bis man einen Kandidaten vermittelt? "Unter einem Monat geht es gar nicht, manchmal dauert es ein Jahr", so die Auskunft. Manchmal gebe es auch einfach sehr, sehr wenige Absolventen einer bestimmten HTL oder Studienfachrichtung. Welche Fachbereiche werden nachgefragt? Software- und Hardwareentwicklung, Maschinenbau, mechanische Entwicklung, mechanische Konstruktion, technischer Einkauf, Qualitätsmanagement. "Schwierig zu besetzen sind etwa Elektrotechniker oder Ingenieure für embedded Softwareentwicklung", so Fleckls Erfahrung.
FH wollen Quantität und Qualität steigern
Nicht nur den Frauenanteil in technischen Studienrichtungen - im Schnitt liegt er bei zehn Prozent, was auch der Frauenquote in den befragten Unternehmen entspricht - will die FH Campus Wien mit einer Reihe von Aktivitäten wie Workshops gezielt steigern, auch die Zahl der Bewerbungen insgesamt für einen naturwissenschaftlich-technischen Studienplatz soll sukzessive zulegen. "Derzeit sind wir in diesen Fachrichtungen etwa drei- bis viermal überbucht. Aber wir alle in Österreich würden wir uns mehr Bewerber wünschen, weil wir dem Markt so die dringend benötigten Absolventen liefern könnten, und andererseits natürlich auch die Qualität steigt", betont Vizerektor Heimo Sandtner. Vom Bund seien im Moment 330 Plätze ausgeschrieben für 21 Erhalter. "Das sind dann 15, 16 Plätze pro Fachhochschule. Bei 6.500 Studierenden, die wir mittlerweile erreicht haben, ist das ein Tropfen auf dem heißen Stein", so seine Einschätzung. Der Anteil an berufsbegleitenden Lehrgängen ist in der Technik übrigens hoch. Siehe oben: "Die Nachfrage ist einfach gegeben", weiß auch Sandtner.
Von Sylvia Maier-Kubala / APA-Science