"Stille Helden statt Big Brother"
Sicherheit ist ein komplexer und schwer abgrenzbarer Begriff. Allein semantisch vereint er die englischen Begriffe „Security“ und „Safety“. „Security“ im Sinne ziviler, öffentlicher Sicherheit ist dabei eine besondere Herausforderung unserer Zeit, der sich Österreich stellen muss. Forschung kann hier jedenfalls helfen, technologische Lösungen von Fall zu Fall, Vorurteile und Simplifizierungen sicher nicht.
Was ist Sicherheit im Sinne von „Security“? Der Begriff umfasst Terrorismus wie andere Formen organisierter Kriminalität, „Man-made disasters“ wie „klassische“ Naturkatastrophen. Nicht zuletzt umfasst das Thema auch die digitale Dimension, aktuell „verzeitgeistigt“ durch den Begriff Cyber-Sicherheit, der genauso schwer erklärbar scheint, wie dem Autor dieses Kommentars viele der dahinter stehenden Technologien.
Behelfsmäßig formuliert bedeutet sie zivile, öffentliche Sicherheit und ist das Ergebnis eines Paradigmenwechsels staatlicher Sicherheit nach Ende des Kalten Krieges. War diese geschichtliche Episode geprägt von einem sehr militärisch-konfrontativ verstandenen Sicherheitsverständnis zwischen zwei ideologisch und territorial klar getrennten Blöcken, zeichnet sich „Security“ durch das klare Gegenteil aus. Sie ist primär nicht-militärisch und spiegelt durch ihre unterschiedlichen Interdependenzen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene den globalisierten Charakter unserer heutigen Zeit wider.
Sie bedeutet also “mutually assured Uncertainty” statt “mutually assured Destruction”, MAU statt MAD, wenn man so will. „Security“ ist deshalb politischer und medialer Dauerbrenner. Die Diskursführung ist allerdings oft polemisch, geschuldet der Komplexität des Themas sowie ideologischen Vorstellungsbiotopen unterschiedlicher Couleur von „Sicherheit“. Populärstes Vorurteil ist dabei, dass Sicherheitsforschungslösungen zwingend zu „Big Brother“, also einem Orwellschen Überwachungsstaat, führen müssten.
Wie geht man nun erfolgreich an diese komplexe gesellschaftliche Herausforderung heran? Innovation und Forschung spielen dabei eine zentrale Rolle. Das österreichische Sicherheitsforschungsprogramm KIRAS entwickelt als ältestes seiner Art in Europa seit 2006 „security-“relevante Lösungen. Diese entstehen durch enge Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden, durch Motivation der relevanten Akteure aus Forschung und Wirtschaft, und durch das richtige Verhältnis von technologischen Lösungen zu nicht-technologischen sicherheitssteigernden Maßnahmen.
Erstes Ziel ist die Erhöhung der objektiven Sicherheit in Verbindung mit dem subjektiven Sicherheitsempfinden der BürgerInnen. Die Entwicklung wettbewerbsfähiger Sicherheitsgüter und –dienstleistungen für einen globalen Wachstumsmarkt zur Schaffung und Erhaltung österreichischer Arbeitsplätze spielt dabei eine wichtige Rolle, wenn sie dazu beitragen, dass sich die BürgerInnen auch wirklich sicherer „fühlen“. KIRAS-Projekte beschäftigen sich aber auch mit Sicherheitsfragen, die als Ziel keinen kommerzialisierbaren Wert haben. Es sind diese „stillen Helden“ der Sicherheitsforschung, die wichtige gesellschaftliche Erkenntnisse bringen, medial und politisch aber oft übersehen werden. Stellvertretend für ihre Gattung möchte ich zwei dieser Projekte kurz vorstellen.
Die SALOMON-Projekte haben seit 2008 die Aufbereitung aktueller Erkenntnisse im Bereich Bedrohungsperzeptionsanalyse zur Unterstützung sicherheitsrelevanter Behörden zum Ziel. Der Fokus liegt auf der Erkennung von Unterschieden individueller und kollektiver Ängste bei spezifischen gesellschaftlichen Gruppen, die mittels Studien Aufschluss über deren Bedrohungsbilder und Sicherheitsbedürfnis geben sollen. Die Ergebnisse geben Behörden ein besseres Verständnis des Sicherheitsgefühls und Prioritäten vor allem von Jugendlichen und ÖsterreicherInnen mit Migrationshintergrund und erlauben ihnen, ihre Aufgaben entsprechend besser wahrzunehmen.
Bei DAMON wird das Thema Cyber-Sicherheit aus einer nicht-kommerziellen Sichtweise beforscht, der Schnittstelle „Mensch“. Das Projekt untersucht das IKT-Sicherheitsbewusstsein und bereits implementierte IKT-Sicherheitsmaßnahmen mittels Befragung bei österreichischen Bürgern, Unternehmen und Behörden. Dabei zeigte sich, dass die größten Sicherheitslücken durch Bedienungsunkenntnis von Benutzern entstehen, wodurch zahlreiche PCs „entführt“ und als Teil von „Bot-Netzen“ eingesetzt werden können. Die Projektergebnisse ermöglichen politischen Entscheidungsträgern, für verschiedene Bevölkerungsgruppen gezielte Aufklärungsarbeit zu betreiben. Erste praktische Umsetzung dabei, ist das IKT-Sicherheitsportal (https://www.onlinesicherheit.gv.at/). Hier erfährt man, was „einen PC entführen“ und „Bot-Netze“ bedeutet.
SUSI, PARSIFAL, HASIF, CYBERSTALKING, es gäbe noch viele Projekte auf der KIRAS-Hompepage (www.kiras.at), wie die zwei kurz vorgestellten „stillen Helden“. Unterm Strich steht der Bürger bzw. die Bürgerin im Zentrum der österreichischen Sicherheitsforschung. Sie sollen sicherer leben und sich sicherer fühlen. Diese Aufgabe ist sehr groß. Sie mag noch Platz für „stille Helden“ bieten, für „große Brüder“ sicher nicht.