Der Winkel macht's - Wie Ionenbeschuss Materialoberflächen abträgt
Mit einem Strahl geladener Atome (Ionen) können Materialien von kleinsten Verunreinigungen befreit werden. Dieser "Sputtern" genannte Vorgang findet aber auch in zukünftigen Kernfusionsreaktoren statt. Dort geht es daher darum, Materialien zu finden, die durch den ständigen Ionenbeschuss in der Reaktorkammer möglichst nicht zerstört werden. Wiener Forscher haben nun gezeigt, dass Ionen vor allem dort Teilchen herausschlagen, wo sie auf steile Oberflächen treffen.
Ionenstrahlen können etwa Halbleiter höchst präzise von Unreinheiten befreien. Angewendet wird das Verfahren, das sich mit dem Abtragen einer Lackschicht mit einem Sandstrahl vergleichen lässt, in vielen Bereichen. "Man kann damit aber auch ein beliebiges Material gezielt verdampfen, das sich danach dann auf einer anderen Oberfläche niederschlagen soll, etwa um superentspiegelte Brillengläser oder Hartstoffschichten auf Spezialwerkzeugen herzustellen", so Friedrich Aumayr vom Institut für Angewandte Physik der Technischen Universität (TU) Wien in einer Aussendung. Auch in der Astrophysik beschäftigt man sich mit Gesteinsoberflächen, die von den geladenen Teilchen des Sonnenwindes "gesputtert" werden.
Wie sich der Beschuss aber detailliert auswirkt, wird eben dann schwer zu berechnen, wenn die Zieloberfläche nicht glatt ist. Der Oberflächenrauigkeit kommen die Wiener Wissenschafter und Kollegen aus Deutschland und Schweden nun aber mit einem neuen, im Fachmagazin "Applied Surface Science" vorgestellten Rechenmodell bei.
Höhe der Erhebungen relativ unerheblich
An der Wiener Uni wurden unterschiedlich raue Oberflächen mit Ionenstrahlen in verschiedenen Intensitäten beschossen und mit hochauflösenden Mikroskopiemethoden untersucht. "Am Ende gelang es uns, einen einzigen Parameter zu ermitteln, der den Sputterprozess sehr zuverlässig beschreibt. Es handelt sich um ein Maß für die mittlere Oberflächenneigung", so der Erstautor der Studie, Christian Cupak. Die Höhe der Erhebungen auf der Oberfläche ist dabei relativ unerheblich, es gehe nämlich um die Steilheit der Winkel der kleinen Bergflanken, auf die die geladenen Teilchen treffen. "Wir konnten zeigen, dass unser Parameter das Endergebnis des Sputter-Prozesses viel besser beschreibt als andere Rauigkeits-Parameter, die man bisher verwendet hat", so der Wissenschafter.
Die vom europäischen Fusionsforschungsprogramm "EUROfusion" vorangetriebene Forschung hat auch gezeigt, dass Strukturen auf den rauen Oberflächen, die quasi im Bergschatten liegen, mitunter gar nicht von den Ionen getroffen werden, was das Abtragen entsprechend ungleich ablaufen lässt. Auch das bereits gelöste Material kann sich an bestimmten Stellen wieder wie Geröll andernorts ablagern. In der Kernfusionsforschung oder in astrophysikalischen Studien werde die neue Methode bereits verwendet. Zukünftig könnten damit auch industrielle Anwendung verbessert werden, meinen die Wissenschafter.
Service: https://doi.org/10.1016/j.apsusc.2021.151204