Antike Lernmethode verbessert auch Langzeitgedächtnis
Mit den längerfristigen Auswirkungen, die ein Training mit der bereits im antiken Griechenland angewandten "Gedächtnispalast"-Methode im Gehirn von Menschen hinterlässt, hat sich ein Team unter der Leitung von Wiener Psychologen befasst. Es zeigte sich, dass bereits ein 30-minütiges tägliches Üben über sechs Wochen die Abläufe im Gehirn verändert. Die Methode zum kurzfristigen Auswendiglernen verbessert auch das Langzeitgedächtnis, heißt es im Fachblatt "Science Advances".
Für die Untersuchung konnte das Team um Wissenschafter der Universität Wien und der Radboud University (Niederlande) immerhin 17 der weltweiten Top-50 unter den "Gedächtnissportlern" rekrutieren, wie es in der Arbeit heißt. Diese Menschen vollbringen in Wettkämpfen wie der Gedächtnisweltmeisterschaft ("World Memory Championships") erstaunliche Leistungen im Auswendiglernen. Dabei setzen sie beispielsweise auf eine Technik zum Erinnern (Mnemotechnik), die schon in der Antike angewendet wurde. Beim "Gedächtnis-" oder "Gedankenpalast" platziert der Lernende Gegenstände entlang eines imaginären Weges, an jeweils neuralgischen Punkten. Damit sind Ort und Objekt verbunden, was das Einprägen und Abrufen von derartigen Abfolgen erleichtert, wenn man sie sozusagen im Geist sehen kann.
Interesse an Langzeiteffekten
Allerdings werden bei derartigen Wettbewerben solche Aufgaben meistens gelernt, um sie relativ bald darauf wieder abrufen zu können. Die Forscher interessierten aber auch die Langzeiteffekte und die detaillierten Abläufe im Gehirn von Gedächtnisathleten, von Menschen, die sich nicht so eingehend mit der Technik auseinandersetzen, und Personen, die das gar nicht taten.
Neben den 17 Gedächtnissportlern wurde eine Gruppe untersucht, die der ersten im Hinblick auf Alter, Geschlechterverteilung, Händigkeit und Intelligenz angepasst war. Dazu kamen insgesamt 50 weitere Teilnehmer, die entweder ein relativ strenges sechswöchiges Gedächtnistraining mit der Methode, ein weniger ausgeprägtes derartiges Training oder keine solche Übungen absolvierten. Mittels funktioneller Magnetresonanztomographie konnten die Wissenschafter die Gehirnaktivität messen. Das geschah während die Wörter gelernt wurden, während sich die Personen dann daran erinnerten und in der folgenden Ruhephase.
"Grundsätzlich konnten wir feststellen, dass diese Methode zu einer effizienteren Verarbeitung in Gehirnregionen geführt hat, die mit dem Gedächtnis und räumlicher Orientierung im Zusammenhang stehen", so die Erstautorin der Studie, Isabella Wagner, von der Fakultät für Psychologie der Uni Wien in einer Aussendung. Bei geübten Gedächtnissportlern ließ sich in den beteiligten Hirnregionen weniger Aktivität nachweisen. "Ein Gehirn, das in Übung ist, kann mit weniger Aktivierung eine bessere Leistung erbringen", so der Schluss der Neurowissenschafterin. Auch jene Teilnehmer, die über einen längeren Zeitraum mit der Technik arbeiteten, konnten mit der Zeit die Lernaufgaben im Gehirn effizienter bewältigen.
Bessere Zusammenarbeit der Hirnregionen
Jene Gruppe, die über sechs Wochen lediglich 30 Minuten täglich gezielt übte, konnte Listen nicht nur besser lernen, es ergab sich auch ein anhaltender Effekt: Vier Monate nach dem Training erinnerten sich diese Teilnehmer auch an deutlich mehr Inhalte, als Personen aus Vergleichsgruppen. Insgesamt stieg mit der Übung quasi das Ausmaß der Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Hirnregionen.
Service: https://dx.doi.org/10.1126/sciadv.abc7606