Neue Bücher: Mason und Misik als Vor- und Nachdenker
Der Brite Paul Mason und der Wiener Robert Misik haben viel gemeinsam. Ihren Kampfgeist, ihre Weltanschauung, ihre Profession. In diesen Tagen bringen zudem beide neue Bücher heraus. Und absolvieren kommende Woche in Steyr einen gemeinsamen Auftritt.
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Mason über das Comeback des Faschismus
Der britische Journalist und Autor Paul Mason geht auf Österreich-Tournee. Der 62-jährige vielfach ausgezeichnete Fernsehjournalist und Aktivist ist einer der Stars der internationalen Linken. In seinem Buch "Postkapitalismus" versuchte er "Grundrisse einer kommenden Ökonomie" zu entwerfen, da er den Neoliberalismus am Ende sah. In seinem im Vorjahr im Original und nun auf Deutsch erschienenen neuen Buch befasst er sich mit dem "Faschismus. Und wie man ihn stoppt." Am Dienstag (17.5., 19 Uhr) spricht er in den Büchereien Wien mit der Wiener Politologin Natascha Strobl über seine Thesen, am Donnerstag (19.5., 19.30 Uhr) gastiert er im Central Linz, am Freitag (19.30 Uhr, mit Livestream) im Museum Arbeitswelt in Steyr, am Samstag (19.30 Uhr) beim Literaturfest Salzburg und zwei Tage später (23.5., 18 Uhr) im Graz Museum. Auch in seinem Buch widmet er sich Österreich und den Ausbreitungsbedingungen, die hier der Nationalsozialismus in den 1930er-Jahren vorfand.
Doch es geht Mason nicht um historische Faschismus-Studien. Derer gebe es zur Genüge, schreibt er. Und alle, die ihn als Phänomen der Vergangenheit abgetan hätten, seien falsch gelegen. "Der Faschismus ist zurück - ohne dass jemand nachhelfen musste." Sein Buch beginnt er mit einem Gedankenexperiment: Das NS-Regime hat in seinen letzten Tagen eine SS-Einheit mit einer Zeitmaschine in die Zukunft geschossen. Dieser Trupp landet im März 2020 in Europa und schaut sich um. Und stellt fest: Das Erscheinungsbild hat sich gewandelt, doch das Gedankengut von einst hat sich überall festgesetzt und ist dabei, an Terrain zu gewinnen. "Sie kaufen Popcorn, entspannen sich und genießen das vergnügliche Spektakel."
Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und autoritärer Konservativismus seien aufgeblüht, die Brandmauer gegen den Faschismus "hat Feuer gefangen". Es brauche also offenbar keine Massenarbeitslosigkeit, keine spezifische Klassendynamik und keinen verlorenen Krieg. Der Faschismus sei "ein wiederkehrendes Symptom des Systemversagens im Kapitalismus", schreibt Mason und beschreibt den Glauben an einen "ethnischen Austausch", das Zurückdrängen von sozialen und demokratischen Errungenschaften, steigende Skepsis gegen Wissenschaft und Medien als unverkennbare Symptome. Sein Buch will aber nicht nur Analyse, sondern auch Handlungsanleitung sein. Deswegen ist am Cover ein großer roter Notstopp-Knopf abgebildet. "Wenn Sie dieses Buch im Zug, im Café, am Strand oder in einem Klassenzimmer lesen, hat sein Umschlag bereits den Raum politisiert, in dem Sie sich befinden."
(Paul Mason: "Faschismus. Und wie man ihn stoppt", Aus dem Englischen von Stephan Gebauer, edition suhrkamp Sonderdruck, 444 Seiten, 20,60 Euro, ISBN 978-3-518-02977-0)
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Misik über eine linke Geschichte der Moderne
Der Wiener Journalist und Publizist Robert Misik (56), nicht nur mit seinem Blog "Putin verstehen" auch digital als Aufklärer unterwegs, ist weltanschaulich ein Mitstreiter Masons und wird auch dessen Auftritt in Steyr moderieren. Anfang der nächsten Woche bringt er auch selbst ein neues Buch auf den Markt. "Das große Beginnergefühl. Moderne, Zeitgeist, Revolution" sei, "salopp gesagt eine linke Geschichte der kulturellen Moderne", meint er. "Das Ganze stützt sich unter anderem auch auf digitale Notizblätter, die ich seit bald 30 Jahren führe." Es beschreibt, wie in den vergangenen 200 Jahren "revolutionäre Ideen, Stilrevolutionen in der Kunst, ästhetische Avantgarden und radikale Politik wechselseitig aufeinander einwirkten".
Er beginnt bei Honoré de Balzac und reist über "Heinrich Heine und die Erfindung der radikalen politischen Publizistik", Gustave Flaubert und Charles Baudelaire bis ins Rote Wien. Der Weg führt weiter über Duchamp, Giacometti und Picasso zu "Bertolt Brecht und ein Theater, das die Realität so darstellen will, 'dass sie meisterbar wird'" und biegt über Elfriede Jelinek, René Pollesch und Milo Rau Richtung Gegenwart ein. "Halb ist das eine Geschichte der modernen Kunst, halb ein tastender Essay", schreibt Misik. Fragen nach Radikalität und Relevanz seien auch für die heutige Kunst aktueller denn je. "Was ist 'politische' Kunst, was 'radikale' Kunst? Diese Frage stellt sich heute für viele Kunstschaffende auch deshalb, weil - anders als über weite Strecken der Moderne - kein 'progressiver Zeitgeist' als Rückenwind weht." Pessimismus, Verzagtheit und Zukunftslosigkeit habe Rückwirkungen auf die Künste selbst, so der Autor. Zu debattieren wäre also, was Modernität heute hieße. Misik fordert klare Haltungen ein, auch von der Kunst. Und zitiert am Ende Victor Adler: "Wir wollen nicht gemütlich sein."
(Robert Misik: "Das große Beginnergefühl. Moderne, Zeitgeist, Revolution", edition suhrkamp 2788, 284 Seiten, 18,40 Euro, ISBN 978-3-518-12788-9, https://misik.at/)