Faßmann will ÖAW mit neuem Budget keine Forschungsfragen diktieren
Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hat ihre Leistungsvereinbarung für die Jahre 2021 bis 2023 mit dem Bildungsministerium abgeschlossen. Im Gespräch mit der APA beantworten Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP), ÖAW-Präsident Anton Zeilinger und ÖAW-Vizepräsident Michael Alram Fragen zum Budget und neuen Inhalten der Akademie.
Frage: Die ÖAW erhält bis 2023 insgesamt 428,5 Mio. Euro, um rund 17 Prozent mehr als bisher - wie zufrieden ist man in der Akademie damit?
Zeilinger: "Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Es ist nicht nur die Budgetsumme, die wichtig ist, sondern auch, dass es uns gelungen ist, wieder das Einvernehmen darüber herzustellen, dass Entscheidungen bei der Akademie liegen, im Rahmen ihrer Autonomie. Das hat sich immer wieder als richtig herausgestellt, wenn ich etwa auf die Forschungen von Andreas Bergthaler (vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin, CeMM, der ÖAW, Anm.) hinweise, der bereits im vergangenen März als einer der ersten das SARS-Cov-2 Virus sequenziert hat. Dieses Budget und die Offenheit der Vorgangsweise wird uns ermöglichen, unsere Spitzenstellung etwa bei den ERC-Grants (hochdotierte Förderpreise des Europäischen Forschungsrats ERC, Anm.) weiter auszubauen.
Faßmann: Die Akademie ist für die kommenden drei Jahre mit einem sehr guten Budget ausgestattet. Es sichert nicht nur die Bestandserhaltung im Sinne von Inflationsabgeltung, sondern gibt dem Präsidium auch einen Handlungsspielraum, um neue Aktivitäten zu entfalten. Antisemitismusforschung ist eine dieser neuen Aktivitäten und ich kann der Akademie gratulieren zu diesem ausgewogenen Mix von geisteswissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen neuen Aktivitäten, die national und international sind, also ein ausgewogenes Programm.
Frage: Wird dieses Budgetplus nicht geschmälert durch die Tatsache, dass die Akademie kein Geld mehr aus der ausgelaufenen Nationalstiftung bekommt? Im Vorjahr waren das immerhin zehn Mio. Euro.
Zeilinger: Sie dürfen nicht nur die Budgettöpfe sehen, die vom Bund kommen. Etwas mehr als ein Drittel unseres Budgets kommt aus Drittmitteln verschiedener Quellen. Aber natürlich würden wir es extrem begrüßen, wenn die Nationalstiftung weitergehen könnte. Übrigens sind die Mittel aus der Nationalstiftung nicht in die Akademie geflossen. Damit haben wir Initiativen gestartet, die österreichweit ausgeschrieben wurden, für alle Forschungsinstitutionen.
Frage: Herr Minister, wann kommt der im Regierungsprogramm fixierte "Fonds Zukunft Österreich", der die ausgelaufene Nationalstiftung ersetzen soll?
Faßmann: Die Nationalstiftung und die Neuordnung der Räte sind die Schlusssteine einer Forschungspolitik aus einem Guss, die etwa die neue Forschungs-, Technologie und Innovations(FTI)-Strategie, den FTI-Pakt und das Forschungsfinanzierungsgesetz umfasst. Wir verhandeln derzeit und erwarten auch vom Finanzministerium ein Entgegenkommen und auch die Anerkenntnis, dass das ein sehr wichtiger Schlussstein ist, damit das Gebäude auch gut hält. Es würde keinen Sinn machen, so viel aufzubauen und auf den Schlussstein zu vergessen. Dann würde das ganze Gebäude in gewissem Sinne wieder brüchig werden.
Frage: Warum will sich die Akademie der Antisemitismusforschung widmen?
Zeilinger: Das geht auf den von mir initiierten Film "Exile and Excellence" zurück, den wir vor einigen Jahren gedreht haben und wo es darum ging, Personen die aus Österreich emigrieren mussten, um als Juden ihre Haut zu retten, und dann hervorragende wissenschaftliche Karrieren gemacht haben, auch künftigen Generationen persönlich nahezubringen. Im Zuge dessen gab es viele Diskussionen und ich hatte den Eindruck dabei, dass es hier eine Forschungslücke gibt und zwar was den heutigen Antisemitismus in all seinen Facetten betrifft - da wird weltweit nur wenig gemacht.
Frage: War das eine Initiative der Akademie oder ein Wunsch der Politik, die ja im Regierungsprogramm eine Strategie zur Verhütung und Bekämpfung von Antisemitismus plant?
Faßmann: Das Forschungsministerium diktiert keine Forschungsfragen in Richtung Akademie. Die Autonomie ist ein wirklich hohes Gut. Woher hat das Präsidium zu seinen Vorschlägen und Ideen kommt, obliegt nicht mir zu beurteilen. Da mag es im Hintergrund eine allgemeine gesellschaftspolitische Diskussion darüber geben, dass das ein wichtiges Thema ist - das ist ja gar keine Frage. Aber das muss das Präsidium definieren und nicht das Ministerium.
Frage: Herr Präsident Zeilinger, können Sie schon sagen wie groß dieses Zentrum für Antisemitismusforschung werden soll und wie es ausgestattet wird?
Zeilinger: Das ist ein Pflänzchen, das wir jetzt einmal wachsen lassen. Das darf man nicht übereilen. Da muss man mit sehr viel Vernunft und Abstimmung vorgehen. Aber ich garantiere, das wird eine gute Geschichte werden.
Frage: Die ÖAW plant auch "Seal of Excellence Fellowships" für jene Wissenschafter, deren Antrag auf einen "Starting Grant" beim ERC zwar hervorragend bewertet wurde, aber aus budgetären Gründen nicht gefördert wurde. Sollen die tatsächlich dann von der Akademie eine Förderung wie ein "Starting Grant" in der Höhe von 2,5 Mio. Euro bekommen?
Alram: Genau. Wir haben immer wieder die Erfahrung gemacht, dass ganz hervorragende Projekte nicht durchgeführt werden konnten, weil sie zwar ein A-Ranking erhalten haben, aber dann aufgrund budgetärer Nöte nicht finanziert werden konnten. Und da haben wir uns gedacht, das wäre eine wunderbare Möglichkeit, jungen Leuten die Chance zu geben, doch noch ihre Projekte umzusetzen". Das A-Ranking ist natürlich eine Voraussetzung, aber wir wollen uns auch anschauen, ob es auch besonders risikoreiche Projekte gibt, die deshalb nicht zum Zug kommen, weil zu konservativ beurteilt wird. Da wollen wir Möglichkeiten schaffen, dass solche Dinge in Österreich umgesetzt werden können - und zwar unabhängig davon, wo das Projekt dann stattfindet, das muss nicht an der Akademie sein.
Frage: Wie viele Leute könnten von diesem neuen Programm profitieren?
Alram: Das kann man noch nicht sagen. Das neue EU-Forschungsprogramm Horizon Europe (in dessen Rahmen der ERC fördert, Anm.) ist gerade erst angelaufen, da muss man erst sehen, wie sich das entwickelt.
Frage: Herr Minister, was waren denn aus Sicht des Bundes die wesentlichsten Wünsche an die Akademie in der Leistungsvereinbarung?
Faßmann: Wir wünschen nicht die Forschungsfragen zu bestimmen, das muss von der Grundlagenforschung selbst definiert werden. Worauf wir achten ist beispielsweise, dass die Akademie ihre Erneuerungsfähigkeit bewahrt. Wenn man etwas Neues gründet, muss man immer auch kritisch fragen, welche von den bisher behandelten Forschungsfragen kann man einstellen, wenn sie beantwortet sind. Diesen lebendigen Mechanismus von Neuem und Altem gilt es zu bewahren.
Frage: Herr Präsident Zeilinger, gibt es Forschungsfragen, die beantwortet wurden, und lässt die ÖAW daher Zentren oder Institute auslaufen?
Zeilinger: Wir haben in letzter Zeit Dinge restrukturiert und es gibt Dinge, die sicherlich nicht so weiterlaufen werden wie jetzt. Aber ich möchte das den Leuten nicht über die Medien bekannt geben. In den Zielvereinbarungsgesprächen mit den einzelnen Instituten stellen wir immer die Frage: Was kannst du machen, um exzellent zu werden? Aber auch die Frage: Was würdest du dafür nicht so prioritär einordnen?
(Das Gespräch führte Christian Müller/APA)