Wie smarte Textilien die Zukunft der Gesundheit formen
Gastbeitrag --- Gesundheit ist heute messbarer denn je. Die präzise Erfassung von Vitaldaten ist längst Teil aktueller Forschung. In der Forschungsgruppe "Embedded Systems Lab" an der Fachhochschule Oberösterreich arbeiten interdisziplinäre Teams an smarten Textilien. Diese speziellen Stoffe enthalten Sensoren, Leitungen oder Aktoren, sehen aber aus wie herkömmliche Kleidung. Sie erfassen kontinuierlich physiologische Daten, ohne Bewegungsfreiheit oder Tragekomfort einzuschränken - ideal für Medizin, Pflege und Sport.
Ein Projektteam entwickelt tragbare Sensorik zur Laktatmessung im Sport. Der Laktatwert zeigt den Trainingszustand an und hilft, Über- oder Unterbelastung zu erkennen. Zwar sind mobile Sensoren noch nicht so exakt wie Labortests, liefern aber wertvolle Trenddaten für Athletinnen und Athleten sowie für Trainerinnen und Trainer. Zudem hält die Forschungsgruppe ein Patent zur Vernetzung textiler Sensoren.
In der medizinischen Bildgebung gehen wir etwa tragbaren Systemen zur Elektro-Impedanztomographie (EIT) nach. Diese nicht-invasive Methode erlaubt es, Gewebestrukturen sichtbar zu machen und Krankheitsverläufe über längere Zeiträume zu beobachten - etwa bei Lungen- oder Herzerkrankungen. EIT ist kostengünstiger, mobil einsetzbar und erlaubt eine kontinuierliche Verlaufserfassung.
Im Pflegebereich arbeiten mehrere Forschungsgruppen im Rahmen eines von der EU kofinanzierten und von Martina Zeinzinger geleiteten Interreg-Projekts gemeinsam mit der Texible GmbH an einer intelligenten Betteinlage. Diese erkennt Bewegungsmuster und Feuchtigkeit - etwa durch Inkontinenz oder Schwitzen - und liefert Hinweise auf ein mögliches Dekubitusrisiko. Frühzeitige Warnungen helfen, schmerzhafte Krankheitsverläufe und Folgekosten zu vermeiden.
Komplexe Anforderungen an smarte Textilien
Die Entwicklung smarter Textilien ist technisch anspruchsvoll: Sensoren müssen zuverlässig mit Auswerteeinheiten verbunden, Daten drahtlos an mobile Geräte übermittelt und Signale korrekt verarbeitet werden. Textile Sensoren reagieren zudem sensibel auf äußere Einflüsse wie Temperatur oder Feuchtigkeit. Sie müssen waschbar, langlebig und hygienisch sein. Das Embedded Systems Lab kooperiert hierzu eng mit dem Institut für Textilchemie und -physik der Universität Innsbruck. Auch Nachhaltigkeit spielt eine Rolle: Am Lebenszyklusende sollen Komponenten leicht trennbar und wiederverwertbar sein.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Energieeffizienz und Miniaturisierung. Die Systeme müssen klein, leicht und unauffällig sein, um im Alltag nicht zu stören.
Sensibles Thema Datensicherheit
Zudem stellt sich die Frage der Datensicherheit. Wir verfolgen einen datensparsamen Ansatz: Gesundheitsdaten werden lokal verarbeitet, nicht in Clouds übertragen. Dazu werden spezielle KI-Modelle entwickelt, die direkt auf tragbaren Geräten laufen - sicher und energieeffizient. Sogar das Nachtrainieren der KI erfolgt lokal, wodurch die Datenhoheit bei den Nutzerinnen und Nutzern oder Einrichtungen bleibt - ein entscheidender Aspekt, gerade für Menschen, die nicht mehr selbstbestimmt entscheiden können.
In smarter Textiltechnologie steckt großes Potenzial - von der Prävention über die medizinische Begleitung bis hin zur Pflege. "Die Vermessung des Menschen" wird so zu einem Werkzeug für mehr Lebensqualität, Sicherheit und Selbstbestimmung - mit großem Einfluss auf unsere zukünftige Gesundheitsversorgung.
Zu den Personen
FH-Prof. Dr. Florian Eibensteiner ist Professor für Hardware-Software-Co-Engineering an der FH Oberösterreich in Hagenberg, Leiter des Josef Ressel Zentrums für Künstliche Intelligenz auf ressourcenbegrenzten Geräten und Co-Leiter der Forschungsgruppe Embedded Systems Lab. Er verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Entwicklung und Optimierung ressourcenbeschränkter Systeme sowie im Einsatz intelligenter Algorithmen und leitete zahlreiche Forschungs- und Industrieprojekte, insbesondere in den Bereichen Embedded Systems, Computer Vision und System-on-Chip-Design.
FH-Prof. DI Mag. Dr. Josef Langer ist Professor für Mikroprozessor- und Echtzeitsysteme am Campus Hagenberg der FH Oberösterreich, Gründer und Leiter der Forschungsgruppe Embedded Systems Lab und Gründer mehrerer IT-Unternehmen. Seit mehr als 20 Jahren leitet Langer Forschungs- und Industrieprojekte im Bereich eingebetteter Echtzeitsysteme, tragbare und mobile Sensorik und intelligente Algorithmik für Echtzeitdatenverarbeitung und ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen.
Phillip Petz MSc ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Embedded Systems Lab am Campus Hagenberg der FH Oberösterreich und arbeitet derzeit an seiner Dissertation zum Thema Identifikation und Kompensation alterungsbedingter Materialdegradation in leitfähigen Textilien. Er ist Projektleiter und Key-Researcher in mehreren einschlägigen Forschungs- und Industrieprojekten und Autor von 20 wissenschaftlichen Publikationen.
DI(FH) Martina Zeinzinger ist seit 2021 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Embedded Systems Lab am Campus Hagenberg der FH Oberösterreich und verfügt über langjährige Berufserfahrung im Bereich Hard- und Softwareentwicklung in unterschiedlichen Industrieunternehmen. Ihr Forschungsfokus liegt auf digitalen Assistenzsystemen in Gesundheits- und Pflegeanwendungen und sie leitet das von der EU geförderte Interreg-Projekt Smart Care Assist.
Service: Dieser Gastbeitrag ist Teil der Rubrik "Nachgefragt" auf APA-Science. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor/der Autorin.