Der erste Genetiker: Gregor Mendel wurde vor 200 Jahren geboren
"Er hat schlichtweg die Genetik entdeckt", sagte Magnus Nordborg vom Gregor Mendel Institut in Wien im Gespräch mit der APA. Damit wurde der als Gregor Johann Mendel vor 200 Jahren in Österreich-Schlesien geborene Bauernsohn und spätere Augustiner-Abt zum Begründer der modernen Biologie. Zu Lebenszeiten wendeten zwar die Pflanzen- und Tierzüchter erfolgreich seine "Vererbungsregeln" an, die Wissenschaft nahm jedoch von den Entdeckungen keine Notiz.
Den vielseitig interessierten Naturforscher und Priester verunsicherte die akademische Ignoranz nicht: "Meine Zeit wird schon noch kommen", soll er gesagt haben. Er hatte recht: Heute ist Gregor Mendel als "Vater der Genetik" bekannt.
Geboren wurde Mendel am 20. Juli 1822 in Heinzendorf bei Odrau, das heute in Tschechien liegt. Er war ein guter Schüler, aber arm. Um die Ausbildung am Gymnasium bezahlen zu können, verdingte er sich als Privatlehrer. Nach seinem Abschluss mit vorzüglichen Noten studierte er an der Universität Olmütz Philosophie. Wegen Geldmangels und "bitterer Nahrungssorgen" brach er die Ausbildung ab und trat 1843 in das Augustinerkloster in Brünn ein. Ihm wurde der Ordensname Gregorius verliehen und er empfing die Priesterweihe.
Neben seinem Theologiestudium besuchte Mendel Vorlesungen über die Obstbaum-Zucht und lernte Samen vermehren, Kreuzungstechniken und Ausleseverfahren. Da er Physik und Naturgeschichte unterrichten wollte, trat Gregor Mendel 1859 zur Lehramtsprüfung in Wien an. Er scheiterte und studierte an der Uni Wien Physik, Chemie, Mathematik und Biologie, um für einen zweiten Versuch besser gewappnet zu sein. Damals lebte er im dritten Wiener Gemeindebezirk an der heutigen Adresse "Invalidenstraße 13". Beim Physiker Christian Doppler lernte er die qualitative Auswertung von Experimenten. Dieses Wissen nutzte ihm bei seinen umfangreichen Kreuzungsexperimenten, aber nicht für die Lehramtsprüfung, bei der er ein weiteres Mal durchfiel.
Kreuzungsversuche mit Erbsen
1856 begann er im Klostergarten systematische Kreuzungsversuche mit Gartenerbsen (Pisum sativum). "Mendel sah ein Muster in den natürlichen Vorgängen", erklärte Magnus Nordborg, der das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaft (ÖAW) leitet: "Mit seinen Experimenten versuchte er zu verstehen, wie die Welt funktioniert. Das ist Wissenschaft im ursprünglichsten Sinn, und die Art, wie sie betrieben werden sollte, weil es nur so zu den wirklichen Durchbrüchen kommt."
Für seine Untersuchungen verwendete Mendel reinerbiges Saatgut, bei dem er mehr als zwei Jahre lang prüfte, ob die Nachkommen noch die gleichen Merkmale wie die Eltern tragen. Um die Erbsen zu bestäuben, nahm er aus einer Blüte mit einem Tuschepinsel Pollen und übertrug sie auf die Narbe einer noch ungeöffneten Blüte einer anderen Pflanze. Dann entfernte er deren Staubblätter, um Selbstbefruchtung auszuschließen.
Er arbeitete mit 22 Sorten und sieben gut unterscheidbaren Merkmalen wie die Farbe der Schoten. Damit wurde für ihn das Vererbungsgeschehen überschaubar. Zwischen 1856 und 1863 kultivierte er 28.000 Erbsenpflanzen und wertete seine Ergebnisse statistisch aus. 1866 veröffentlichte er seine Erkenntnisse mitsamt ausführlicher Versuchsbeschreibungen und -Auswertungen im knapp 50 Seiten starken Büchlein: "Versuche über Pflanzen-Hybriden".
Uniformitätsregel, Spaltungsregel und Unabhängigkeitsregel
Auf Basis seiner Untersuchungen stellte er drei Vererbungsregeln auf: Die "Uniformitätsregel" besagt, dass die Nachkommen zweier reinerbiger Eltern bezüglich eines Merkmals alle das gleiche Erbgut tragen und gleich aussehen, auch wenn sich die Eltern bei diesem Merkmal unterscheiden.
Die "Spaltungsregel" tritt in Kraft, wenn beide Eltern jeweils unterschiedliche Genvarianten für ein Merkmal tragen. Bei diesen mischerbigen Individuen spalten sich die Nachkommen bezüglich des Erbguts (Genotyp) und der Ausprägung (Phänotyp) nach einem bestimmten Zahlenverhältnis auf.
Mendels "Unabhängigkeitsregel" besagt, dass zwei unterschiedliche Merkmale wie die Blüten- und Fruchtfarbe unabhängig voneinander vererbt werden. Dazu müssen sie aber auf zwei unterschiedlichen Erbgutträgern liegen, oder zumindest so weit voneinander entfernt, dass sie während der Entstehung der Geschlechtszellen regelmäßig getrennt werden.
Der Augustinermönch kannte freilich weder "Gene" noch "Chromosomen", sondern stellte "lediglich" fest, dass es "teilchenartige Elemente" gibt, die auf die Nachkommen übertragen werden. "Bis die chromosomale Vererbung gefunden wurde, mussten noch 50 Jahre vergehen, und noch weitere 50 Jahre, bis man die DNA identifizierte", so Nordborg. Mit der Entdeckung von Chromosomen und Genen konnten seine Regeln aber widerspruchsfrei erklärt werden. Nicht einmal in irgendeiner Kleinigkeit wurden seine Postulate korrigiert, erklärte der Pflanzenforscher: "Sein grundlegendes Prinzip ist unglaublich universell." Alles was seitdem folgte, seien lediglich Ergänzungen.
1867 wurde Gregorius zum Abt des Stiftes St. Thomas in Brünn gewählt. Er setzte aber die "so lieb gewordenen Bastardisierungsversuche fort", wie er erklärte. Im Frühjahr 1883 erkrankte Mendel an einem Nierenleiden, am 6. Jänner 1884 verstarb er in Brünn. So wie er es selbst gewünscht hatte, wurde seine Leiche seziert. Bestattet sind seine sterblichen Überreste in der Augustiner Gruft am Brünner Zentralfriedhof.
Er erlebte es somit nicht, wie seine Regeln 1900 endlich von der akademischen Welt anerkannt wurden. Der österreichische Botaniker Erich Tschermak hat die Vererbungsregeln unabhängig in Experimenten gefunden und danach zu seinem Erstaunen in der Bibliothek die jahrzehntealte Arbeit Mendels aufgestöbert. Der Niederländer Hugo de Vries und der Deutsche Carl Correns wiederum entdeckten zunächst Mendels Werk und verifizierten danach seine Regeln mit eigenen Versuchen.
Wo einst Mendels Gewächshaus die Pflanzen vor äußeren Einflüssen schützte, entsteht heute ein neues Glashaus. Besucher werden dort Erbsen in allen ihren Entwicklungsphasen sehen können. Das Projekt für rund 1,5 Millionen Euro wird im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Tschechien und Österreich mit EU-Geldern gefördert.
Service: Gregor Mendels Werk "Versuche über Pflanzen-Hybriden": https://www.zobodat.at/pdf/Flora_89_0364-0403.pdf