ESA-Konferenz: Europas "Revolution im Weltall" als Schlüssel für die Zukunft
Der Bedarf an einer aktiveren Rolle und Positionierung Europas bei der Weltraumforschung ist am Freitag im Rahmen der Konferenz Ready for the moon (Bereit für den Mond) der Europäischen Weltraumorganisation ESA und des Bundeskanzleramts außer Frage gestanden. Die Raumfahrt, inklusive der astronautischen Raumfahrt, seien ein Schlüssel für die Zukunft, sagten auch ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bei der anschließenden Pressekonferenz.
Das Streben Europas, auf den Mond zu fliegen, so Nehammer, sei kein Selbstzweck. Eine solche Unternehmung solle vielmehr wichtige Erkenntnisse für die Menschen bringen, um deren Zukunft besser gestalten zu können. Österreich würde sein ESA-Engagement fortsetzen. Es ginge auch darum, den Forschungs- und Entwicklungsstandort Österreich als mittelgroßes Land in der Europäischen Union weiterzuentwickeln. Dafür brauche es den richtigen Mix aus "politischer Unterstützung, finanziellen Rahmenbedingungen sowie politischem Commitment für die Schaffung von Rahmenbedingungen, dass sich Unternehmen und Universitäten gemeinsam an von der ESA ausgeschriebenen Forschungsprojekten beteiligen". Das sei bereits gut gelungen und wäre auch weiterhin das Ziel.
Zunächst niedriger Orbit, dann Mond
Aschbacher sagte, Österreich sei etwa bei Erdbeobachtung und Satellitennavigationssystemen bestens aufgestellt, bei der astronautischen Raumfahrt müsse man aufholen. Die Internationale Raumstation ISS sei nur noch bis Ende der Dekade in Betrieb - Europa müsse sich die Frage stellen, wie sich Europa hier positionieren möchte, um auch künftig Astronauten ins All schicken zu können. Der erste wichtige Schritt sei es, den Weg für Materialtransport in den niedrigen Erdorbit zu ebnen. In einem zweiten Schritt gehe es darum, den Mond zu erforschen und, in weiterer Folge, Astronauten zum Mond zu bringen. Längerfristig gehe es gegebenenfalls darum, hinaus zum Mars zu kommen, auch wenn das noch in weiter Ferne liege.
Für die im Rahmen der ESA-Konferenz oft zitierte notwendige "Revolution im Weltall" müsse man jedenfalls nun reflektieren, was Europa tun will: in Bezug auf das Engagement bei Robotersystemen sowie bei der astronautischen Raumfahrt, wobei man immer beide Elemente zusammendenken müsse.
"Werden am Ende alle etwas davon haben"
"Ich bin bereit zu fliegen", sagte die österreichische ESA-Reserveastronautin Carmen Possnig, die seit Anfang April als eine von insgesamt fünf "Karriere-Austronauten" an der Grundausbildung der "ESA-Astronautenklasse 2022" teilnimmt. Man stehe an einem Wendepunkt und könne mit entsprechenden Aktivitäten auch jungen Menschen Inspiration wie auch Werkzeuge mitgeben, um durch Weltraumforschung und neu gefundene Technologien auch ihre Zukunft zu gestalten. Der Weltraum hätte zudem das Potenzial, Europa auch wieder näher zusammenrücken zu lassen. "Wir werden am Ende alle etwas davon haben", so Possnig.
Der nächste Flug für die neue Klasse von ESA-Astronauten geht zur internationalen Raumstation ISS. Dann gebe es reservierte Plätze für die Artemis-Mission der NASA mit einem Flug um den Mond, so Possnig - es sei sicherlich das langfristige Ziel, dass ein ESA-Astronaut einmal Schritte auf dem Mond macht. Das nächste Ziel für die Astronauten-Generation sei der Mond, bestätigte Aschbacher, möglicherweise bereits in der nächsten Dekade: "Aber die Diskussionen von heute werden auch die Zukunft dieser Astronauten definieren."
Am Freitagnachmittag hatten bei der ESA-Konferenz Vertreter aus Politik, aus dem Raumfahrtsektor und der -industrie über die "Revolution Weltraum" diskutiert - auch im Hinblick auf den "Space Summit" der Weltraumminister der ESA-Mitgliedsstaaten im November in Sevilla, bei der Weltraumforschung ein zentrales Thema sein wird.
Gesellschaftliche Bedeutung
Die Teilnehmer der Konferenz zeigten sich auch überzeugt, dass auf dem Weg zu einer aktiveren Rolle in der Weltraumforschung die Gesellschaft mitgenommen werden müsse. Weltraumforschung sei ein "unglaublicher Vektor zu erklären, was Forschung und Technologie für eine Gesellschaft tun kann", so Philippe Baptiste, Direktor von der französischen Raumfahrtagentur CNES. Es brauche neue Narrative, die gesellschaftlich das Vertrauen in die Zukunft aufbauen und hier könne gerade die Weltraumforschung bzw. Weltraumorganisationen den Weg vorgeben, so der deutsche Soziologe Stefan Selke.
Entlang dem Motto "Ausbauen und Beschleunigen" strichen Konferenzredner auch die wirtschaftliche Bedeutung der Weltraumerkundung für Europa und von neuen Paradigmen und Instrumenten hervor, um eine Brücke zwischen Kooperation und Wettbewerb zu schaffen und das langfristige Investment durch die Industrie zu sichern. Hier würden etwa Public-Private-Partnerships eine zentrale Rolle einnehmen.
Eine aktive Positionierung Europas bei Weltraumaktivitäten befürwortete auch IV-Generalsekretär Christoph Neumayer am Freitag in einer Aussendung und forderte zugleich, Österreichs Engagement in der laufenden ESA-Periode auszubauen. Heimische Technologieunternehmen hätten in den letzten Jahren mit ihren Entwicklungen in diesen Wachstumsbereich investiert und sich erfolgreich in internationalen Kooperationen positioniert. Zusätzlich aus Österreich bereitgestellte Mittel seien wichtig, um entsprechende Hightech-Aufträge nach Österreich holen zu können und dadurch Wertschöpfung in Österreich zu schaffen.