Nachwuchs und Nachhaltigkeit der Logistik
Wer an Logistik denkt, denkt oftmals an Lkw-Fahrer. Dabei beschäftigt die Branche sehr viel mehr verschiedene Berufe, als landläufig damit verbunden werden. Oliver Schauer, Forschungsprofessor für Verkehrslogistik an der Fachhochschule Oberösterreich am Campus Steyr, hat sich mit APA-Science über die Ausbildung und die Aussichten des Metiers unterhalten.
"Logistik umfasst sehr viel mehr als den Lkw-Fahrer, den Disponenten in einer Spedition oder den Lagermitarbeiter", so Schauer. "Der Logistik-Begriff geht in der aktuellen Zeit viel weiter, es geht nicht mehr nur um die klassische Transport-, Umschlag- und Lagerlogistik, sondern auch um alles, was damit zu tun hat." Von Data Science und dem Umgang mit großen Datenmengen über Künstliche Intelligenz bis hin zu Supply Chain Management tun sich durch die digitale Transformation neue Berufsfelder auf.
Studiengänge wie die der FH Oberösterreich sollen den Bedarf der Branche zumindest zum Teil decken. "Hier sind wir in einem Metier, wo auch viele andere Unternehmen entsprechende Fachkräfte suchen würden", weiß Schauer, Studiengangsleiter des berufsbegleitenden Masters "Digitales Transport- und Logistik-Management". Gute Initiativen gegen diesen Fachkräftemangel gebe es schon, dennoch sei weiterhin viel zu tun.
Die FH Oberösterreich ziele mit zwei Masterstudiengängen sowie einem Bachelorstudiengang darauf ab, Führungskräfte zu generieren, die auch der modernen Definition von Logistik gerecht würden. Damit das möglich ist, werde in den Studieninhalten auf zukunftsträchtige Themen und Trends eingegangen. "Wir haben es hier mit diversen Trends zu tun", zählt Schauer neben Digitalisierung und der digitalen Transformation unter anderem auch Nachhaltigkeit, Robotik und Kollaborationen auf.
Robotik und Regionalität
An Drohnen, die in Zukunft in den Ballungsräumer herumschwirren und Pizza ausliefern werden, glaubt er nicht. "Aber es gibt schon Einsatzzwecke für Drohnen, die absolut Sinn bringen. Zum Beispiel in der Intralogistik oder in ländlichen Gebieten, weil dort die Versorgung sehr effizient gewährleistet werden kann", so Schauer. "Aber was natürlich ein Trend ist, der besonders in der Intralogistik kommen wird, ist die Robotik. Das ist nichts, was in jedem Lager zu sehen sein wird - das kostet ja Geld -, aber der Trend geht ganz klar dorthin."
Ein weiterer Trend, der sich immer mehr bemerkbar mache, sei der Wunsch der Konsumenten nach mehr Regionalität. Die Tendenz zur Globalisierung werde sich wohl nicht mehr umkehren, "aber in spezifischen Bereichen wie dem Lebensmittelbereich ist das ein Trend, der ganz klar im Kommen ist." Dadurch ergeben sich besondere Herausforderungen für die Logistik. "Man muss sich anschauen, welche Mikrologistik-Lösungen eine effiziente und eine gleichzeitig regionale Versorgung gewährleisten können", so Schauer.
Zusammenarbeiten für mehr Nachhaltigkeit
Dass sich im Bereich der Nachhaltigkeit aus Gründen steigender Kosten im Logistiksektor nichts tun werde, glaubt er nicht. "Wir haben gar keine andere Wahl, als uns mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Wir müssen Mittel und Wege finden, das, was wir tun, grüner und sozialer zu machen und trotzdem unsere Gewinne erzielen zu können. Es gibt sehr viele gute Ansätze, wo Verschwendung von Ressourcen in Lagerhallen und am Transportweg begegnet wird", nennt er Physical Internet als Beispiel.
Die Vision des Physical Internet sieht vor, Materialflüsse analog zu Datenströmen nach den Grundprinzipien des Internets zu vernetzen und gegenwärtige Logistik-Systeme durch ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltige zu ersetzen. Das Logistikum der FH OÖ forscht seit 2015 in mehreren Projekten an der Realisierung des Physical Internet, beispielsweise im Leitprojekt ATROPINE - Fast Track to the Physical Internet, wo es um die Einführung einer oberösterreichischen Modellregion ging. "Intelligente Transportträger, gemeinsam genutzte Infrastruktur, Echtzeitinformation und synchromodale Transportketten werden in einem offenen Physical Internet Datenhub vernetzt", heißt es in der Projektbeschreibung. In dem Projekt wurde gezeigt, dass es in einem optimierten Gesamtsystem möglich sei, Frachtkosten, CO2-Ausstoß und gleichzeitig die Anzahl der Fahrten zu reduzieren, ohne Gewinn einzubüßen - und dass sich Nachhaltigkeit nicht unbedingt in den Kosten niederschlagen muss.
Durch Kooperation und Vernetzung könne man nachhaltige Verkehrsträger in Logistikketten integrieren und den Auslastungsgrad erhöhen sowie den Leerfahrtenanteil reduzieren, ist sich Schauer sicher. "Es gibt enorm viele Beispiele, die zeigen, dass erhebliche Einsparungen im Sinne der Ökologie gegeben sind."
Studium am Puls der Zeit
Diese und weitere Trends haben Auswirkungen auf die Studieninhalte und schlagen sich beispielsweise in einschlägigen Vorlesungen zu nachhaltiger Verkehrslogistik oder intelligenten Transportsystemen nieder. An der FH Oberösterreich sind rund 50 Mitarbeiter im F&E-Bereich mit Logistik-Forschung beschäftigt. "Diese Forschungsinhalte werden dann in die Seminarräume und Hörsäle hineingebracht, um den Studierenden zeitnah derartige Zukunftstrends und Best-Practices näherzubringen", betont Schauer. So könne man der nachkommenden Generation an Logistikern State-of-the-Art-Wissen mitgeben, die es anschließend in ihren Unternehmen umsetzen können. "Gerade bei den berufsbegleitenden Studierenden gibt es einen sehr unmittelbaren Transfer in die entsprechenden Unternehmen."
In Zukunft werde die Logistik grüner und digitaler sein, ist Schauer überzeugt. "Der Logistik- und Transportsektor ist aktuell ein erheblicher Emittent von Treibhausgasen, was bedeutet, dass Logistik und Transport Teil des Problems sind, das wir haben. Aber Logistik ist auch Teil der Lösung", ist er optimistisch: "Intelligente Logistik trägt dazu bei, dass wir unsere Systeme effizienter, effektiver und nachhaltiger gestalten."
Von Anna Riedler / APA-Science