"Digitalität, Vernetzung und Integration in die Gesellschaft"
Gastbeitrag --- Die Corona-Pandemie hat mir gezeigt, wie eng Wissenschaft mit Gesellschaft, Politik und Kultur verflochten ist. Plötzlich standen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Zentrum des öffentlichen Diskurses, internationale Forschung ermöglichte die Impfstoffentwicklung, und Regierungen stützten sich auf wissenschaftliche Modelle. Gleichzeitig wurden Erkenntnisse politisiert und Falschinformationen verbreitet. Es war ein Balanceakt zwischen schnellem Erkenntnisgewinn und notwendiger Qualitätskontrolle.
Als Sozialwissenschaftlerin in der Hochschul- und Wissenschaftsforschung war ich von den Umwälzungen der Pandemie weniger direkt betroffen als andere. Homeoffice und digitale Arbeit waren bereits etabliert, und ich konnte sogar Vorteile wie mehr Zeit für Projekte genießen. Statt meinen Arbeitsalltag veränderte die Pandemie vor allem mein Forschungsinteresse - hin zu den Herausforderungen für Hochschulen und das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft.
Heute, fünf Jahre später, fühlt sich diese Zeit fast surreal an. Vieles hat sich erstaunlich schnell "normalisiert", doch einige Entwicklungen sind geblieben.
Datenerhebung: Digitalität als neue Normalität
Zunächst war ich unsicher, ob qualitative Interviews online funktionieren würden. Ich verschob Termine in der Hoffnung, bald wieder persönliche Gespräche führen zu können - darüber kann ich im Rückblick nur schmunzeln. Heute ist es kaum mehr vorstellbar, für ein Interview mehrere hundert Kilometer zu reisen. Die Vorteile liegen auf der Hand: geringere Kosten, effiziente Zeitnutzung. Digitale Interviews sind aber auch distanzierter und verlieren nonverbale Signale. Diese methodischen Herausforderungen bleiben ein Thema.
Wissenschaftliche Vernetzung: Zwischen Effizienz und Verlusten
Online-Konferenzen und Webinare ersetzen zunehmend die Teilnahme an großen Tagungen. Das spart Geld und erhöht die Zugänglichkeit, besonders für Forschende aus weniger privilegierten Regionen und Institutionen. Trotzdem bleibt die Frage: Kann das den persönlichen Kontakt wirklich ersetzen? Die wertvollsten Gespräche fanden für mich nie in Panels oder Keynotes statt, sondern in Kaffeepausen oder beim Abendessen. Genau diese spontanen Momente fehlen oft in virtuellen Formaten.
Wissenschaftskommunikation: Mehr als nur ein Zusatz
Wissenschaft existiert nie isoliert. Sie ist immer eingebettet in gesellschaftliche Strukturen, geprägt von Krisen, Transformationen und dem ständigen Aushandeln von Wissen. Die Pandemie hat gezeigt, wie schwierig der Dialog mit Politik, Öffentlichkeit und Medien sein kann, wenn diese schnelle Antworten fordern, während Wissenschaft Zeit benötigt. Vertrauen in die Wissenschaft ist nicht selbstverständlich. Fake News und Desinformation untergraben wissenschaftliche Fakten. Wir müssen uns langfristig die Frage stellen, wie wir komplexe Erkenntnisse verständlich vermitteln und einen reflektierten Umgang mit Skepsis entwickeln können. Wissenschaftskommunikation ist heute keine Nebensache mehr, sondern essenziell.
Zur Person:
Mag. Stefanie Sterrer, BSc, ist Hochschulforscherin an der FH Oberösterreich und promoviert am Institut für Wissenschafts- und Technikforschung der Universität Wien zum Thema "Forschen an Fachhochschulen". Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen die organisationale Weiterentwicklung von Hochschulen sowie die Frage der FH-Forschung als Profession, die zwischen akademischem Anspruch und Alltagsrelevanz navigiert. Dabei untersucht sie das Zusammenspiel von epistemischen, sozialen, organisatorischen und kulturellen Aspekten, die den Rahmen für wissenschaftliche Erkenntnis und hochschulische Lehre prägen.
Service: Dieser Gastbeitrag ist Teil der Rubrik "Nachgefragt" auf APA-Science. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor/der Autorin.