Gehirn reagiert anders auf Beobachten echter und gespielter Schmerzen
Beobachtet man Menschen, die unter echten Schmerzen leiden und solche, die dies nur vortäuschen, sind unterschiedliche Netzwerke im Gehirn aktiv. Beim Ausdruck echter Schmerzen am Gesicht von Personen fühlt unser Hirn stärker mit, fand ein Wiener Forschungsteam heraus. Beim gespielten Schmerz schaltet sich auch noch ein weiteres Gehirnareal in den Prozess stärker mit ein, das die Reaktion eindämmt, berichtet das Team im Fachjournal "eLife".
Blickt einen jemand schmerzverzerrt an, löst das in der Regel Mitgefühl aus. Wie es aber um die empathische Reaktion bei Menschen bestellt ist, die andere beobachten, die die Schmerzreaktion offensichtlich nur vorspielen, haben sich Psychologen von der Uni Wien in einem Experiment angesehen. Die Neurowissenschafter um Claus Lamm zeigten ihren Versuchspersonen Aufnahmen von Schauspielern, denen mit einer Spritze in die Wange gestochen wird. In beiden Fällen war der Schmerzausdruck zwar gespielt, allerdings war für die Beobachter in einem Fall klar ersichtlich, dass sich über der Spitze der Nadel eine Schutzkappe befindet und es sich im anderen Fall um die blanke Nadel handelte. "De facto waren das alles gespielte Schmerzszenarios", so Lamm im Gespräch mit der APA.
Was, wenn man merkt, dass der Schmerz nur vorgespielt wird?
Herausfinden wollten die Empathieforscher so, ob das Nervennetzwerk, das mit dem Mitgefühl in Verbindung gebracht wird, tatsächlich echtes Nachempfindens anstößt. Ebenso könnte es sich nämlich auch nur um eine Reaktion auf einen hervorstechenden Reiz - dem Schmerzausdruck auf dem Gesicht - in der Umwelt handeln, ohne dass das die eigene Gefühlswelt gleich stärker mitberührt.
"Wir können das nun in unserer Studie erstmals trennen", sagte Lamm: "Die automatische Antwort alleine erklärt nämlich nicht das, was wir im Gehirn sehen." Tatsächlich zeigten sich bei den Messungen der Gehirnaktivität der Zuseher deutliche Unterschiede. "Die Ergebnisse zeigten, dass vorgetäuschte Schmerzen tatsächlich den vorderen insulären Kortex aktivierten. Entscheidend war aber, dass diese Gehirnregion durch die tatsächlichen Schmerzen wesentlich stärker aktiviert wurde, und somit zweifelsfrei auch mit dem Nachempfinden von echten Schmerzen in Zusammenhang steht", so die Studien-Erstautorin Yili Zhao. Im Fall des vergetäuschten Schmerzes schaltete sich auch noch vor allem eine zweite Hirnregion - der rechte supramarginale Gyrus - verstärkt zu, der diese Reaktion offenbar eindämmt, erklärte Lamm.
Etwa aus Studien aus den USA ist bekannt, dass Frauen oder Menschen mit bestimmten ethnischen Hintergründen weniger Schmerzmittel verschrieben werden. "Dazu gibt es viel Evidenz", sagte Lamm. Das könne einerseits kulturell erklärt werden, wenn man annimmt, dass Ärzte oder Therapeuten bestimmten Bevölkerungsgruppen eher unterstellen, Schmerzen nur vorzutäuschen. "Es könnte aber auch damit zusammenhängen, dass der Schmerzausdruck in Gesicht von bestimmten Personengruppen weniger gut erkannt oder nicht so intensiv interpretiert wird", erklärte der Forscher. Die nun entdeckten Gehirnnetzwerke, die unterscheiden helfen, was quasi echt und nicht echt ist, könnten hier also eine gewisse Rolle spielen. Der Mechanismus könnte durch unterschiedlichen sozioökonomischen Hintergrund, ethnische Zugehörigkeit oder von Geschlecht des Gegenübers beeinflusst werden.
Service: https://dx.doi.org/10.7554/eLife.69994