"Gründen oder lieber doch nicht?"
Einen krisensicheren Angestelltenjob aufgeben, das Risiko einer Firmengründung auf sich nehmen und mitunter scheitern? Macht es Sinn, alles aufzugeben und noch einmal neu zu starten? Wie und wo bekomme ich die nötige Unterstützung? Was passiert, wenn es nicht klappt? Diese Fragen muss sich gerade ein Firmengründer reiferen Alters durchaus stellen.
Angefangen hat alles mit einer Idee. Als Frühgeborenenintensivmediziner hatte ich in meinem beruflichen Alltag an der größten Früh-und Neugeborenenintensivstation Österreichs, am Wiener AKH, fast täglich mit lebensbedrohten Kindern zu tun. An der Grenze zwischen Leben und Tod stellt man fest, dass es häufig an Banalitäten scheitert. Ein lebensbedrohtes Kind zu versorgen ist auch für erfahrene medizinische Teams immer eine Herausforderung. Dabei ist eine erfolgreiche Lebensrettung nie die Leistung eines einzelnen Arztes, sondern immer eine Teamleistung. Wie Piloten und Flugpersonal sollten medizinische Teams diese kritischen Situationen daher trainieren.
Da es bisher kaum geeignete Patientensimulatoren in der Größe von Frühgeborenen gab, war sehr schnell klar, dass wir unseren eigenen Frühgeborenensimulator entwickeln mussten, um Schwestern und Ärzten ein effektives Training dieser dramatischen Situationen zu ermöglichen. Als Arzt und Simulationstrainer einen Patientensimulator zu entwickeln, macht Sinn, das Problem ist nur, sie können es nicht. Sie können nur das medizinische Wissen beisteuern, alles andere haben sie nie gelernt. Die ersten Kontakte zu Christoph Kunzmann einem Berliner Special Effects Designer waren allerdings schnell geknüpft. Das realistische Äußere unseres Frühgeborenensimulators war somit also kein Problem.
Das Team bestand nun aber aus einem Arzt und einem Künstler - das macht eine erfolgreiche Firmengründung nicht unbedingt leichter.
Um ein hochtechnologisches Produkt wie einen Simulator zu entwickeln, benötigt man vor allem großes technologisches Know-how u.a. aus den Bereichen Sensorik, Mikroelektronik und Animatronics. Als Arzt an einer Universitätsklinik haben Sie im Allgemeinen allerdings keine Vorstellung davon, wie sie Kontakt zu Menschen bekommen, die dies leisten können. Sie vermuten zunächst nicht, dass die klügsten Köpfe an einer Universität interessanterweise immer im Keller sitzen. Der Kontakt zur Abteilung für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik an der Medizinischen Universität Wien (MUW) erwies sich für die zu gründende Firma daher als absoluter Glücksfall.
Wenn Sie eine technologische Idee haben und nicht wissen, wie Sie diese umsetzen können, kann ich daher nur raten, Kontakt zu einer Universität oder TU aufzunehmen. Dort sitzen Menschen, die Ihre Ideen umsetzen können und wollen. Aber das Wollen ist natürlich das Eine, das Andere ist die Finanzierung. Die notwendige Erfahrung in wirtschaftlichen und finanziellen Fragen fand sich zu diesem Zeitpunkt, in der für ein solches Projekt notwendigen Ausprägung, noch nicht in unserem Team. Hier erwies sich die Abteilung für Technologietransfer und die Forschungs- und Beteiligungs-GmbH (zur Beratung von universitären Spin-offs) der MUW als äußerst hilfreich. Die ersten Kontakte zu Förderunternehmen und Gründerservices, wie INITS, wurden hergestellt.
Prototyp über Pre-Seed-Förderung
Für universitäre, hochtechnologische Projekte stehen Gründern in der frühen Projektphase in Österreich Förderunternehmen, wie z.B. die Austria Wirtschaftsservice (aws) zur Seite. Mit einem PRIZE-Projekt für die Prototypenentwicklung konnte so ein erster Frühgeborenensimulator entwickelt werden. Mit einer sich anschließenden Pre-Seed-Förderung dann ein weiterer Prototyp.
Alles lief also nach Plan. Das Team konnte vergrößert werden und SIMCharacters wurde 2012 gegründet. Neben dem medizinischen, künstlerischen und technologischen Know-how stand der neuen Firma nun auch betriebswirtschaftliche Expertise zur Verfügung. Alles läuft gut und alle sind glücklich, man gewinnt auch einen ersten Innovationspreis.
Dann endet allerdings die Förderung, die Entwicklung erfordert aber weiterhin einen hohen Kapitalbedarf. Nun beginnt die Suche nach weiterem Kapital. Zur Auswahl stehen nun: ein Bankkredit, weitere Förderungen, Crowd-Financing oder einer oder mehrere Privatinvestoren.
Sehr schnell wird klar, dass es der Bankkredit wohl nicht werden wird. Bleiben also noch drei Möglichkeiten. Crowd-Financing klingt im ersten Moment für ein junges Unternehmen sehr verlockend, birgt aber durchaus das ein oder andere unternehmerische Risiko. Bleiben also weitere Förderungen und Investoren.
Den idealen Investor für ein Projekt zu finden, ist sicher eine Herausforderung. Viele Investoren scheinen vor allem den schnellen Exit zu suchen und am Besten soll er noch schneller sein als der letzte. Am liebsten investiert man daher in Internet-Start-ups. Das Zauberwort heißt "Skalierbarkeit". In drei Jahren mit einer Verzehnfachung des Investments wieder aussteigen. Das schaffen wohl nur die wenigsten Unternehmen.
Gerade staatliche Förderagenturen müssen daher andere Maßstäbe an Gründungswillige anlegen und bei realistischen Unternehmenszielen mit echtem Risikokapital unterstützen.
Wissenstransfer ist entscheidend
Der Wissenstransfer von Universitäten spielt dabei sicher eine entscheidende Rolle. Viele Wissenschaftler ziehen eine Verwertung Ihrer Forschungsergebnisse mitunter gar nicht in Erwägung. Häufig werden vielversprechende wissenschaftliche Projekte nicht zu Produkten, weil dem Wissenschaftler die notwendigen Kompetenzen fehlen, um eine Erfindung in eine Innovation zu überführen.
Letztlich bestehen auch bei einer Firmengründung viele Parallelen zur Versorgung eines lebensbedrohten Kindes. Auch die Gründung und Weiterentwicklung eines erfolgreichen Unternehmens ist wahrscheinlich nie die Leistung des einzelnen Unternehmers, sondern ebenfalls eine Teamleistung. Dieses Team zu finden, hängt heute häufig noch vom Zufall ab. Hierbei gilt es, Gründungswillige zu unterstützen.
Hat es sich also gelohnt einen krisensicheren Job für das "Abenteuer" einer Firmengründung aufzugeben? Das abschließende Urteil lässt sich noch nicht fällen, zum jetzigen Zeitpunkt aber ein ganz klares Ja! Allerdings fällt es mir als Arzt leicht dies zu sagen, da ich zu jeder Zeit zurück in meinem ursprünglichen Beruf könnte. Diese Möglichkeit hat nicht jeder Gründer. Es bedarf also vor allem der Richtlinienkompetenz der Politik, ein gründungsfreundliches Klima in einer Gesellschaft zu gestalten und Rahmenbedingungen zu schaffen, die auch ein Scheitern erlauben. Dabei brauchen wir generell eine neue Sicht auf Gründer. Auch Scheitern darf kein Makel sein, sondern muss als Chance gesehen werden, es mit dem daraus Gelernten beim nächsten Mal besser zu machen.
Ein Land wie Österreich, das außer Kernöl keine Bodenschätze hat, muss deshalb in die Bildung, die Innovationsfreude und die Gesundheit seiner Bürger investieren. Damit kann man gar nicht früh genug anfangen...