Finnland peilt zur Gänze nachhaltige Textil-Wertschöpfungskette an
Im Februar dieses Jahres ist in Finnland ein Projekt gestartet, das den Weg für eine vollends nachhaltige Wertschöpfungskette in der finnischen Textilindustrie ebnen soll. Bei "Telavalue" handelt es sich um ein von der staatlichen Wirtschaftsförderung (Business Finnland) koordiniertes und mitfinanziertes Innovationsprojekt, das Unternehmen, universitäre und private Forschungseinrichtungen zusammenbringt.
Die Ansätze, die man bei Telavalue verfolgt, sind vielfältiger Natur. Zum einen geht es um die Entwicklung neuartiger Fasern, die aus wiederverwerteten Alttextilien und aus biologisch abbaubaren neuen Materialien bestehen. Hier sind der finnische Forstkonzern Metsä Group und der Energiekonzern Fortum federführend. Gemeinsam haben sie ein Programm namens ExpandFibre ins Leben gerufen, mit dem herkömmliche Fasern ersetzt werden sollen, unter anderem die weltweit am häufigsten verwendeten: das auf Erdölbasis hergestellte Polyester und die wegen des hohen Wasserverbrauchs im Anbau problematische Baumwolle.
Mit an Bord bei Telavalue ist auch das in Espoo beheimatete, staatliche Forschungsinstitut VTT. Dort hat man es sich zur Aufgabe gemacht, ein einheitliches Recyclingsystem für Textilien aus synthetischen Fasern zu etablieren. "Wir haben schon in vorangegangenen Projekten Prozesse für Textilrecycling entwickelt, die in der technischen Textilproduktion bereits erfolgreich getestet wurden. Hier machen wir weiter", so Pirjo Heikkilä, die Telavalue-Koordinatorin bei VTT.
Auch Geschäftsmodelle im Fokus
Die Universität für angewandte Wissenschaften in Turku, ebenfalls Projektpartner, entwickelt angepasste Geschäftsmodelle, die Textilbetrieben die Umstellung auf die Kreislaufwirtschaft erleichtern soll. Die Universität für angewandte Wissenschaften Lahti und Lappeenranta (LAB) wiederum unterstützt Firmen bei der Entwicklung langlebiger und nachhaltiger Textilprodukte.
Das öffentliche Gesamtbudget von Telavalue, das eine Laufzeit von zwei Jahren hat, beträgt 1,8 Mio. Euro. Darin nicht eingerechnet sind die Aufwendungen jener 17 Unternehmen, die an dem Projekt beteiligt sind.
Telavalue ist Teil eines Dachprojektes, das seit 2017 in Finnland unter dem Namen "Telaketju" läuft. Diesem liegt die Vision einer vollständig nachhaltigen finnischen Textilindustrie zugrunde. Ein Meilenstein auf dem Weg dorthin war im November vergangenen Jahres die Eröffnung einer Textilrecycling-Anlage im südwestfinnischen Paimio. Bei Telaketju sind Ministerien, Gebietskörperschaften, sowie verschiedenste Institutionen und ebenfalls Unternehmen eingebunden.
17.000 neue Arbeitsplätze bis 2035
Bei VTT rechnet man damit, dass eine nachhaltig funktionierende Textilindustrie rund eine Milliarde Euro an Investitionen und 17.000 neue Arbeitsplätze bis zum Jahr 2035 bringt. Die Bedeutung der einstmals starken finnischen Textilbranche ging nach der wirtschaftlichen Abkoppelung von der ehemaligen Sowjetunion im Jahr 1991 stark zurück. Seit einigen Jahren erlebt die Branche jedoch wieder einen Aufschwung. Die Einkünfte aus der finnischen Textilindustrie stiegen laut Zahlen der Statistik Finnland vom Tiefstwert im Jahr 2014 (361 Mio. Euro) wieder auf 430 Mio. Euro im Jahr 2020.
Das finnische Telaketju-Projekt ist in seinem landesweiten Ansatz, seinem Umfang und von seiner Gesamtvision her eine Besonderheit. Allerdings gibt es weltweit, auch in der EU und in einzelnen Mitgliedsländern, darunter in Österreich, Initiativen, die auf eine nachhaltige Textilproduktion abzielen. In Österreich sind es derzeit vor allem einzelne Unternehmen, die sich der Vision einer nachhaltigen Textilproduktion verschrieben haben. Die Lenzing AG etwa gilt europaweit als einer der Vorreiter bei der Entwicklung biologisch abbaubarer Fasern.
Darüber hinaus gibt es hierzulande Projekte und Initiativen auf regionaler Ebene, wie das beim niederösterreichisch-oberösterreichischen Kunststoffcluster angesiedelte Forschungsprojekt TEX2MAT, das sich mit der Aufbereitung von Textilabfällen zum Recycling beschäftigt. Ein weiteres Beispiel ist das Projekt Enzatex. Dahinter stehen unter anderem die Johannes-Kepler-Universität Linz und die FH Oberösterreich. Enzatex hat sich auf die enzymatische Aufarbeitung von Textilabfällen spezialisiert.