Klima-Glossar: Renaturierung
Die Menschen haben im vergangenen Jahrhundert immer stärker in die Umwelt eingegriffen. Wälder wurden gerodet, Flüsse beruhigt, Moore entwässert, um Platz für Industrie, Bauprojekte oder die Landwirtschaft zu schaffen. Diese Maßnahmen brachten das Ökosystem zunehmend aus dem Gleichgewicht. Mit der sogenannten Renaturierung wird vielerorts versucht, eine aktive Wiederherstellung eines möglichst naturnahen Zustands der Landschaft bzw. einzelner Elemente zu erreichen.
Durch den starken Eingriff in die Natur wurden Lebensräume vieler Tier- und Pflanzenarten zerstört. Das verstärkt auch die Klimakrise: Je weniger Bäume etwa stehen, desto weniger CO2 können sie der Atmosphäre entziehen und dieses langfristig in ihrer Biomasse und im Boden binden. Der Verlust an Lebensraum bedroht auch im immer stärkeren Ausmaß die Biodiversität. Mit der Maßnahmen der Renaturierung ist es vielen Pflanzen- und Tierarten möglich, sich ungestört zu entfalten oder wieder anzusiedeln.
Die Wiederherstellung von Flüssen und Bächen wird besonders häufig im Zusammenhang mit Renaturierung genannt. Lange Zeit wurden Wasserläufe beruhigt, begradigt oder etwa mit Mauern eingefasst. Auch mit negativen Folgen für Menschen bei Starkregen. "Menschliche Eingriffe in Naturhaushalt und Wasserkreislauf haben zu einer Verschärfung der Hochwassersituation auch in Österreich geführt", berichtet das Umweltministerium. Durch Flächenversiegelung und das Trockenlegen von Seitenarmen hat sich die Gefahr von Überflutungen deutlich erhöht. An sieben österreichischen Flüssen werden aktuell auf einer Gesamtlänge von knapp 600 Flusskilometern integrierte Planungsprozesse, sogenannte Gewässerentwicklungs- und Risikomanagementkonzepte (GE-RM), durchgeführt und Pilotmaßnahmen umgesetzt, um dem entgegenzuwirken.
Klimaschutz hat Priorität
In früheren Zeiten lag der Fokus der Menschen oft bei schnelleren und sichereren Transportwegen, weshalb in den natürlichen Lauf von Gewässern eingegriffen wurde. Auch für den Bau von Städte und den Betrieb der Industrie wurden Flüsse immer stärker beruhigt und zurückgedrängt. Heute wird zunehmend - auch nach lauten Protesten von Aktivisten und Aktivistinnen - Klima- und Umweltschutz priorisiert. Die EU fordert von den Mitgliedsstaaten zudem den ökologischen Zustand der Flüsse in den nächsten Jahren deutlich zu verbessern. Ziel sei, "bis 2030 mindestens 25.000 Flusskilometer wieder in frei fließende Flüsse umzuwandeln, indem in erster Linie nicht mehr in Betrieb befindliche Barrieren beseitigt und Überschwemmungsflächen und Feuchtgebiete wiederhergestellt werden", heißt es in der Biodiversitätsstrategie 2030 der Europäischen Kommission.
Die Wiederherstellung von Feuchtgebieten, Flüssen, Wäldern, Ökosystemen in Meeren, aber auch von Natur in städtischen Umgebungen sei eine entscheidende Investition in Ernährungssicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden, erklärte die Europäische Kommission im Juni 2022. Rund 80 Prozent der europäischen Lebensräume befänden sich in einem schlechten Zustand. Auch der Verbrauch von Pestiziden soll laut dem vorgelegten Paket bis 2030 halbiert werden.
Im Rahmen der Renaturierung sollen mehr Mischwälder entstehen und bis 2050 fünf Prozent mehr Grünflächen in Städten. 70 Prozent der entwässerten, landwirtschaftlich genutzten Moorgebiete sollen bis dahin zudem wiederhergestellt werden. Das österreichische Klimaschutzministerium setzte sich das Ziel, bis 2030 ein Drittel der gefährdeten Ökosysteme im Land wieder in einen guten Zustand zu bringen.
Wandernde Fischarten brauchen Gewässerdurchgängigkeit
Flussaufwärts gelegene Kraftwerke und ihre künstlichen Schwallwellen spülen etwa Fischeier und Larven weg. Schwallwellen sind steil fortschreitende Wellen in einem offenen Gerinne, die plötzlich den Fließvorgang des Gewässers verändern. Fischarten wie die Äsche oder Bachforelle wandern im Laufe ihres Lebens innerhalb von Bächen und Flüssen auf- und abwärts, wie das deutsche Umweltamt informiert. Andere Arten wie Meerforelle und Lachs legen im Zuge ihrer Wanderungen oft viele hundert Kilometer aus dem Meer bis zu ihren Laichplätzen in Bächen und Flüssen zurück. Sie sind deshalb auf die Gewässerdurchgängigkeit angewiesen.
Als Gewässerdurchgängigkeit versteht man eine kontinuierliche, im gesamten Gewässer vorhandene Möglichkeit, die Richtung zu verändern. Gestört werden die Tiere hauptsächlich durch Querbauwerke, aber auch durch lange Verrohrungen unter Verkehrswegen oder bebautem Gebiet. Je mehr Bebauungen vorhanden sind, desto höher ist die Gefahr, dass Fischpopulationen drastisch reduziert werden.
In Österreich gilt die Renaturierung der March und der Marchauen, eine der artenreichsten und bedeutendsten Flusslandschaften Mitteleuropas, als vorbildhaft. Früher war der Nebenfluss der Donau eine der fischreichsten Flüsse Österreichs, wie der WWF erklärt. Die ursprüngliche Fischmenge ist im Grenzfluss zwischen Österreich und der Slowakei im Laufe der Zeit und nach zahlreichen Eingriffen von außen auf fünf bis zehn Prozent zurückgegangen. Im Rahmen eines von der EU geförderten Projekts mit dem Namen "Renaturierung Untere March-Auen" wurden ambitionierte Renaturierungsmaßnahmen und Artenschutzprojekte umgesetzt. Der wichtigste Schritt war laut Angaben der involvierten Österreichischen Wasserstraßen-Gesellschaft "via donau" die Wiederherstellung einer naturnahen Flussdynamik. Durch das Entfernen der Uferverbauung oder das Wiederanbinden von Nebenarmen profitiere das Ökosystem.
Zwischen Oktober 2011 bis Oktober 2019 wurde mit einem Budget von 3,5 Millionen Euro, davon kam die Hälfte aus EU-Mitteln, unter anderem sieben neue Seitenarme hergestellt. Zudem entstanden sieben neue Inseln. Laut Angaben des für die Umsetzung zuständigen "LIFE+ Projekts" konnten mit diesen Maßnahmen sieben europaweit gefährdete Lebensräume profitieren. Zudem können sich elf Arten der sogenannten Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, wie etwa der Donaukammmolch oder der Weißflossengründling, erholen. Und auch 15 Vogelarten, wie der Schwarzstorch, der Wachtelkönig oder der Seeadler, können sich durch die Renaturierung regenerieren.