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Gastbeitrag / Angela Köppl, Margit Schratzenstaller-Altzinger, Stefan Schleicher / Mittwoch 01.12.21

Nur ein hoher Preis reduziert CO2-Emissionen effektiv

Die Bepreisung von CO2-Emissionen ist ein zentrales Instrument zur Erreichung der vereinbarten österreichischen beziehungsweise europäischen Klimaziele. Inzwischen gibt es eine umfangreiche empirische Evidenz zu den verschiedenen Wirkungsdimensionen der Bepreisung von CO2-Emissionen*.

Die Wirksamkeit von Umweltsteuern hängt unter anderem von der Preiselastizität der Nachfrage ab, die die relative Änderung der nachgefragten Menge infolge einer Preisänderung widerspiegelt. Nach wie vor ist die empirische Evidenz begrenzt; empirische Schätzungen fokussieren vor allem auf die Elastizität des Verbrauchs von Brenn- und Treibstoffen. Sie legen nahe, dass die Nachfrage nach Treibstoff sowie nach Energie insbesondere auf kurze Sicht sehr unelastisch ist, während sie auf längere Sicht zunimmt. Empirische Studien zeigen auch, dass Kraftstoff- bzw. CO2-Steuern aufgrund ihrer höheren Salienz die Nachfrage nach Treibstoff deutlich stärker beeinflussen als entsprechende Marktpreisänderungen. Informationen über den dauerhaften Charakter einer CO2-Bepreisung können daher – ebenso wie Informationen für Haushalte und Unternehmen über Möglichkeiten zur Emissionsreduzierung – ihre Wirksamkeit erhöhen.

Vor allem im letzten Jahrzehnt ist eine steigende Anzahl von Ex-post-Studien, mit Fokus auf Europa, entstanden. Sie zeigen, dass CO2-Steuern die CO2-Emissionen effektiv reduzieren oder zumindest ihr Wachstum dämpfen können, ohne Wirtschaftswachstum und Beschäftigung zu beeinträchtigen, wenn entsprechende Maßnahmen zur Rückverteilung der Steuereinnahmen implementiert werden. Die Höhe des CO2-Preises ist ein entscheidender Faktor für seine Wirksamkeit: Nur ein entsprechend hoher Preis kann CO2-Emissionen effektiv reduzieren.

Die vorhandenen empirischen Belege deuten darauf hin, dass die Verteilungswirkung einer CO2-Bepreisung von den besteuerten Energieträgern und den zur Erfassung der Verteilungseffekte verwendeten Indikatoren abhängt. Insgesamt werden die Verteilungswirkungen einer Bepreisung von CO2-Emissionen durch eine Reihe von Faktoren beeinflusst: Konsum- und Einkommensmuster sowie Wohnort der Haushalte, die Struktur der Wirtschaft sowie länderspezifische physische, soziale und klimatische Bedingungen, das Ausmaß der Überwälzung in höhere Preise für Konsumentinnen und Konsumenten sowie das konkrete Design einschließlich der Verwendung der Einnahmen.

Umweltsteuern haben differenzierte Verteilungseffekte. Generell wirkt die Besteuerung von Kraftstoffen in vielen Ländern proportional oder sogar leicht progressiv, während Steuern auf Heizstoffe leicht regressiv und Steuern auf Strom deutlich regressiv wirken. Modellsimulationen zeigen, dass pauschale Transfers besser geeignet sind, die regressiven Effekte für niedrigere Einkommen abzumildern, während höhere Einkommen stärker von einer Reduktion der Abgaben auf Arbeit profitieren. Die öffentliche Akzeptanz einer CO2-Bepreisung hängt von einer Reihe von Faktoren ab und kann durch die Vermeidung negativer Verteilungseffekte, aber auch öffentliche Information über Notwendigkeit und Wirkungsweise der CO2-Bepreisung sowie die Zweckbindung eines Teils der Einnahmen für „Umweltprojekte“ erhöht werden.

Die Empirie zeigt auch, dass die Wirksamkeit von CO2-Preisen umso größer ist, je weniger volatil sie sind und wenn sie sich auf einem glaubwürdigen Aufwärtspfad befinden. Zudem sind die langfristigen emissionsreduzierenden Wirkungen einer CO2-Bepreisung deutlich höher als die kurzfristigen. Der Schlüssel zum Erreichen einer doppelten Dividende, bestehend aus ökologischer Wirksamkeit und einem ökonomischen Nutzen, ist die Verwendung der Einnahmen. Die Rückgabe der Einnahmen über die Senkung von Sozialversicherungsbeiträgen und die Senkung von Steuern auf Arbeitseinkommen ist im Gegensatz zu pauschalen Transfers meist mit einer doppelten Dividende verbunden. CO2-Steuern beeinträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, wenn überhaupt, nur in geringem Maße. Bislang fehlen jedoch überzeugende empirische Belege dafür, dass eine Bepreisung von CO2 den technologischen Wandel herbeiführen kann, der für eine vollständige Dekarbonisierung der Wirtschaft und der Gesellschaft erforderlich ist. „Paketlösungen“, die mehrere klimapolitische Maßnahmen im Allgemeinen und preisbasierte Instrumente im Besonderen kombinieren, können effektiver sein als Einzelmaßnahmen.

Wie schneidet vor dem Hintergrund der bestehenden empirischen Evidenz die CO2-Bepreisung, die Mitte des kommenden Jahres in Österreich eingeführt wird, ab? Zwar sind sowohl Einstiegspreis als auch Preispfad mäßig ambitioniert und werden zumindest kurzfristig kaum Lenkungseffekte haben. Die Wirksamkeit der CO2-Bepreisung wird jedoch verstärkt durch die Einbettung in Begleitmaßnahmen, insbesondere in Investitionen in den öffentlichen Verkehr sowie Förderungen und steuerliche Anreize, die den Umstieg auf klimafreundliches Wohnen und Mobilität unterstützen. Die Rückverteilung der Einnahmen an die Haushalte in Form eines pauschalen Pro-Kopf-Klimabonus, der regional differenziert ist und die Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel berücksichtigt, vermeidet unerwünschte Verteilungseffekte und stärkt die soziale Akzeptanz. Um längerfristig die erwarteten Wirkungen entfalten zu können, sind öffentliche Klimainvestitionen fortzuführen und ökologisch kontraproduktive Subventionen (beispielsweise Diesel- und Dienstwagenprivileg, Pendlerförderung) abzubauen. Insgesamt ist die Implementierung einer CO2-Bepreisung ein wichtiger Baustein im klimapolitischen Instrumentenmix in Österreich, der jedoch perspektivisch noch stärker genutzt werden sollte.

 

* Dieser Gastbeitrag beruht auf Angela Köppl, Stefan Schleicher, Margit Schratzenstaller (2021), CO2-Bepreisung in der Steuerreform 2022/2024, WIFO Research Brief Nr. (13)

Kurzportrait

Angela Köppl ist Ökonomin (Senior Economist) und arbeitet seit 1992 im Forschungsbereich „Umwelt, Landwirtschaft und Energie“ des WIFO. Sie hatte zweimal die Position der Stellvertretenden Leiterin des WIFO inne. 1991 erhielt sie an der Universität Wien ihr Doktorat in Volkswirtschaftslehre. Von 1987 bis 1992 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Ökonomie am Institut für Höhere Studien tätig. Im Jahr 2002 verbrachte sie einen Forschungsaufenthalt am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. Sie ist Vizepräsidentin des Austrian Chapter of the Club of Rome. Als Mitglied des Vorstandes des Climate Change Center Austria (CCCA) in den ersten Jahren nach dessen Gründung trug sie wesentlich zu dessen Etablierung bei. Schlüsselbereiche ihrer Forschungstätigkeit sind Fragen des Klimawandels und der Restrukturierung des Energiesystems, ökonomische Instrumente der Klimapolitik wie Ökosteuern und Emissionshandel sowie die Energie- und Klimapolitik Österreichs und der EU.

Kurzportrait

Margit Schratzenstaller ist Ökonomin (Senior Economist) und arbeitet seit 2003 im Forschungsbereich „Makroökonomie und Europäische Wirtschaftspolitik“ des WIFO. Sie war Stellvertretende Leiterin 2006/2008 sowie 2015/2019. Margit Schratzenstaller ist Mitglied im Österreichischen Fiskalrat und der ÖGfE – Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, Lehrbeauftragte an der Universität Wien, Mitglied im Kuratorium des Europäischen Forum Alpbach und des KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung. Sie arbeitet zu Fragen der (europäischen) Steuer- und Budgetpolitik, EU-Budget, Steuerwettbewerb und Steuerharmonisierung, Fiskalföderalismus sowie Familienpolitik und Gender Budgeting. Sie war Vizekoordinatorin des vom 7. Rahmenprogramm der EU finanzierten Projektes „WWWforEurope“ (2012/2016) sowie Partnerin im H2020-EU-Projekt FairTax (2015/2019) und hat mehrfach Studien für das Europäische Parlament und die Europäische Kommission sowie nationale Auftraggeber erstellt. Nach Studien der Ökonomie an den Universitäten Gießen (Diplom-Ökonomin, Promotion) und Milwaukee (Master) war sie Postdoc am DFG-Graduiertenkolleg „Zukunft des europäischen Sozialmodells“ an der Universität Göttingen. Forschungsaufenthalte führten sie an das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin, die Freie Universität Berlin und die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Sie erhielt den Frauenpreis der Stadt Wien (2009), den Progressive-Economy-Preis des Europäischen Parlaments (2016), den VCÖ-Mobilitätspreis (2017) und den Kurt-Rothschild-Preis (2018).

Kurzportrait

Stefan P. Schleicher ist Professor am Wegener Zentrum für Klima und Globalen Wandel an der Karl-Franzens-Universität in Graz. Am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung ist er wissenschaftlicher Konsulent. Seine akademischen Qualifikationen erhielt er an der Technischen Universität in Graz und an der Universität Wien. Seine wissenschaftliche Laufbahn führte ihn vom Institut für Höhere Studien in Wien an die Universität Bonn, an die University of Pennsylvania und mehrmals an die Stanford University.

Er begleitet seit Jahren die österreichische und internationale Energie- und Klimapolitik. Schwerpunkte seiner Forschungstätigkeit sind zukunftsfähige Wirtschaftsstrukturen, vor allem in den Bereichen Energie und Klima, aber auch im Kontext der sich entfaltenden disruptiven Entwicklungen. Aktuelle Forschungsinhalte umfassen die Transformation des österreichischen Energiesystems bis 2050, die damit verbundene Politik der EU, sowie innovative Konzepte für langfristige wirtschaftliche Transformationen.

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