Digitaler Diätcoach mit Hürden: Warum Ernährungs-Apps nicht allen helfen
Gastbeitrag --- Yazio, WeightWatchers, Lifesum, Noom - die Liste verfügbarer Ernährungs-Apps für das Smartphone ist scheinbar endlos, doch nur 6 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher nutzen sie. Sind solche Apps überhaupt sinnvoll? Wer profitiert von diesen digitalen Angeboten? Welche Implikationen ergeben sich für das Gesundheitswesen? Antworten geben Forschungsprojekte des Arbeitsbereichs Gesundheitspsychologie der Universität Wien.
Gesünder essen oder abnehmen gehören Jahr für Jahr zu den häufigsten Neujahrsvorsätzen. Die Notwendigkeit wird durch nationale Statistiken untermauert: Jeder und jede Dritte in Österreich gilt als übergewichtig und nur ungefähr die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher isst täglich Obst und Gemüse. Bildung und Information erscheinen wirkungslos. Gleichzeitig boomt der Markt für Kalorienzähler-Apps. Könnten sie die Lösung des Problems sein?
Die meisten Ernährungs-Apps funktionieren ähnlich: In einem Ernährungstagebuch zeichnen Nutzerinnen und Nutzer alle Mahlzeiten und Getränke auf. Meist durchsuchen sie dafür eine Lebensmitteldatenbank nach dem passenden Produkt oder Nutzen einen Barcode-Scanner. Danach geben sie ein, wie viel sie verzehrt haben. Die App berechnet daraus die Kalorien und Nährstoffe, vergleicht sie mit einem vorab festgelegten Ziel wie beispielsweise einem Kalorienlimit und bereitet diese Information grafisch auf.
Dieser Abgleich zwischen dem Ist- und dem Soll-Zustand ist zentral für die Verhaltensänderung: Er erlaubt zu identifizieren, wo Verbesserungsbedarf besteht, und hilft, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Diese Erkenntnis kann man natürlich auch ohne App erlangen. Die App vereinfacht jedoch die Berechnung der Kalorien und der Erstellung des Feedbacks und kann, je nach Funktionsumfang, sogar selbst Vorschläge für Anpassungen unterbreiten.
Studien belegen, dass die Beobachtung des eigenen Verhaltens sowie das Feedback zur aktuellen Leistung Verhaltensänderungen fördern. Das Feedback gibt nicht nur Rückmeldung zum momentanen Stand und erlaubt somit, neue Erkenntnisse über die eigene Ernährung zu erlangen, sondern zeigt auch den Fortschritt der Zielerreichung an und motiviert somit dazu, weiterzumachen.
Allerdings zeigen Untersuchungen auch, dass nicht alle Menschen gleichermaßen von Ernährungs-Apps und anderen digitalen Angeboten profitieren. Ernährungs-Apps werden vor allem von jüngeren Personen mit einem hohen Bildungsgrad und Einkommen genutzt und sind bei ihnen auch am wirksamsten. Zahlreiche Faktoren begünstigen diese digitale Spaltung: Wer weniger verdient, kann sich nicht die neuste Technik leisten und die App funktioniert nicht richtig. Ein geringerer Bildungsgrad ist mit weniger Wissen über eine gesunde Ernährung assoziiert; es könnte diesen Personen also schwerer fallen, die Rückmeldung der App zu interpretieren und ihr Verhalten anzupassen. Ältere Menschen sind außerdem nicht mit dem Smartphone aufgewachsen. Ihm so vertrauliche Informationen über das eigene Verhalten anzuvertrauen könnte ihnen komisch vorkommen, oder aber sie sind sich unsicher, wie sie passende Angebote identifizieren und sinnvoll nutzen können.
Diese Hürden müssen bei der zunehmenden Digitalisierung des Gesundheitswesens, wie sie auch in Österreich geplant ist, aktiv mitgedacht werden. Um die Reichweite von Ernährungs-Apps und anderen digitalen Präventionsangeboten zu erhöhen, ist es wichtig, die Bevölkerung fit für die Benutzung zu machen, beispielsweise indem schon in der Schule entsprechende Digitalkompetenzen vermittelt und eingeübt werden. Außerdem sollte auch das Gesundheitspersonal besser geschult werden, um Patientinnen und Patienten entsprechende Angebote bedarfsgerecht weiter zu vermitteln. Nur so können wir dafür sorgen, dass digitale Ernährungsangebote tatsächlich allen Menschen zugutekommen - unabhängig von Alter, Bildung oder Einkommen.
Zur Person:
Univ.-Prof.in Dr.in Laura König ist seit 2023 Professorin für Gesundheitspsychologie an der Universität Wien und leitet dort den gleichnamigen Arbeitsbereich. Sie promovierte an der Universität Konstanz und war danach an den Universitäten Cambridge und Bayreuth tätig. Sie erforscht, warum Menschen sich oft trotz besseren Wissens ungesund ernähren oder zu wenig bewegen und leitet aus diesen Erkenntnissen Ansätze zur Prävention ab.
Service: Dieser Gastbeitrag ist Teil der Rubrik "Nachgefragt" auf APA-Science. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor/der Autorin.