Irland und die "Schlange" USA: F&E-Kooperationen und Talente zentral
"Irland ist ein kleines Land." Dieser Satz fällt bei Ausführungen darüber, wie die Grüne Insel ihre Innovationslandschaft ausgestaltet hat, häufig. Ein Sonderweg war, Großkonzerne anzuziehen, vor allem aus den USA - was nun angesichts Donald Trumps Handelspolitik angreifbar macht. Aber Kooperationsfreude, Talentsuche und eine hohe Wissenschaftsakzeptanz sind hier schon länger gelebte Praxis, zeigte eine Studienreise des Forschungsnetzwerkes ACR. Auf sie setzt man weiterhin.
"Die Iren starren gerade wie das Kaninchen auf die Schlange", formulierte es Josef Treml, Wirtschaftsdelegierter der Wirtschaftskammer Österreich in Dublin: "Die Politik ist höchst alarmiert", sind die USA doch das wichtigste Exportland, besonders im Pharmabereich. Und so werde mit allen diplomatischen Mitteln versucht, einerseits den von den USA im Pharmabereich bisher nur angedrohten Zöllen und andererseits den von der EU angedrohten Zöllen auf US-Tech-Unternehmen wie Apple, Google und Co - als Reaktion auf Trumps Handelspolitik - entgegenzuwirken. Beides würde die rund 5,3 Mio. Einwohner umfassende Republik, Standort der US-Tech-Giganten, hart treffen. Bei allem Anlass zur Sorge: Man verschiebe wohl ein über 20 Jahre lang aufgebautes Ökosystem mit entsprechend hoch qualifiziertem Personal "nicht von einem auf den anderen Tag aus Irland" - das Land wisse um die Stärken seines Standortes, so Treml.
Auf Suche
Noch bis in die 1990er-Jahre hinein war Irland eines der ärmsten Länder Europas. Es folgte der als "Keltischer Tiger" betitelte und durch ausländische Investitionen maßgeblich angetriebene Wirtschaftsaufschwung. Vor allem Informationstechnologien sowie medizinische und pharmazeutische Produkte brachten Exportüberschüsse, mit denen heute Wohnungsnot oder die Erneuerung öffentlicher Infrastrukturen angegangen werden können. Gründe für den Erfolg sind vor allem auch eine klare Strategie, meinen Experten, sowie hochattraktive Steuersätze für Unternehmen. Auch die stabile F&E-Politik sei ein Anreiz für die Konzerne.
Irland - als "Strong Innovator" im EU-Innovationsranking im Vorjahr mit Platz 7 direkt hinter Österreich gelegen - "hat eine starke Forschungsbasis", so Ciarán Seoighe, stellvertretender Geschäftsführer der Förderagentur "Research Ireland". Derzeit komme man auf etwa elf Forschende pro 1.000 Angestellte, man strebe 15 an und wolle damit an die Rate nordischer Länder (Dänemark, Finnland, Schweden) anschließen.
Neue globale Talent-Initiative
Dazu beitragen könnte auch eine neue geplante "Global Talent Initiative": Diese legte Wissenschaftsminister James Lawless am Dienstag, wie auch irische Zeitungen berichteten, dem Kabinett vor. Ziel ist es, junge wie auch etablierte - und von Trumps Forschungspolitik gebeutelte - Akademikerinnen und Akademiker anzuziehen. So will man etwa die Gehälter mitfinanzieren, um Spitzenpersonal für die irischen Universitäten abzuwerben. "Talent-Attachés" sollen rund um den Globus unterstützen.
Gleichzeitig unterstreicht Seoighe Erfolge durch bereits getätigte Förderinitiativen für Nachwuchskräfte und PhD-Kandidaten, insbesondere auch jener, die gemeinsam mit der Industrie umgesetzt wurden. Und natürlich bringen auch die multinationalen Konzerne "nicht nur Geld, sondern sie ziehen auch Talente an".
Offenheit für Kooperationen
Bei der Einbeziehung kleinerer und mittlerer Unternehmen (KMU) müsse man noch besser werden, sagte Seoighe. Dem Ziel, das Unternehmertum und speziell die KMU-Basis zu stärken und letztlich die Wirtschaft resilienter aufzustellen, geht auch der Förderer "Enterprise Ireland" nach. "Die US-Politik wird klarerweise Effekte haben. Wir wollen, dass die Welt Irland als besten Platz sieht, das eigene Business zu starten", gibt sich die Leiterin für Forschung und Innovation, Marina Donohoe, optimistisch. So hat man sich beispielsweise vorgenommen, 1.000 neue Start-ups zwischen 2025 und 2029 zu unterstützen.
Auch Einrichtungen wie das "National Institute for Bioprocessing Research and Training" (NIBRT) oder "Irish Manufacturing Research" (IMR) setzen neben Forschung zentral auf die Ansprache der Industrie, um in ihren Bereichen - der Biopharmazie bzw. bei industriellen Fertigungsprozessen und "Industrie 4.0", inklusive Automatisierung und Robotics - Innovationen voranzutreiben.
Man möchte auch KMU ansprechen. Hier spiele manchmal eine gewisse Risikoaversion eine Rolle, erzählte IMR-CEO Barry Kennedy. Über Projekte mit großen Playern bekämen sie auch einen Eindruck, was möglich ist, "und wenn die Technologiepreise dann hinuntergehen, können auch sie mit diesen Technologien arbeiten". Oder: Kleinere Partner werden nach Projektende ein direkter Zulieferer für schwergewichtigere Unternehmen. So geschehen in einem IMR-Projekt, wo mit einem großen Flugzeugbauer und Partnern eine robotergestützte 3D-Scannerlösung erarbeitet wurde, mit der ganze Flugzeugflügel mit hoher Geschwindigkeit und Genauigkeit gescannt und geprüft werden können, etwa zur Detektion von Schäden oder für optimale Montagevorgänge.
Spezialisierte Ausbildung als Service
Sowohl am NIBRT wie auch am IMR spielt die Ausbildung eine wesentliche Rolle. "Talent ist die größte Schwäche der Pharmaindustrie", so NIBRT-Geschäftsführer Darrin Morrissey. Der Biopharma-Sektor, verantwortlich für etwa 42 Mrd. Euro im Export, ist derzeit Arbeitgeber von 50.000 Personen. Am IMR-Standort in Mullingar westlich von Dublin stehen ebenfalls "emerging technologies" wie etwa hochmoderne 3D-Drucker für spezielle, industrienahe Fortbildungen zur Verfügung.
Wie Wertschöpfungsketten aufgebaut werden können, die dann auch unabhängig von den "Multis" bestehen, "ist sicherlich eine große Herausforderung für das Land", sagte Henrietta Egerth von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG zur APA. Hier verstärkt über Talente zu gehen und den Austausch zu schaffen - mit dem Potenzial, dass Nachwuchs nach Erfahrungen in der großen Industrie wieder in KMU wechselt -, sei ein Ansatz, der auch für Österreich spannend sein könnte. "Die Durchlässigkeit zwischen den Welten, akademischer oder industrieller Karriere, ist auch bei uns ein Thema, was noch nicht gelöst ist."
"Innovation am Boden ankommen lassen"
Laut EU-Eurobarometer vertrauen neun von zehn Iren darauf, dass Wissenschaft und Technologie einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben, verwies Seoighe auf relativ hohe Wissenschaftsakzeptanz im Land. Der Austausch mit der Gesellschaft sei wichtig. So initiierte man einen Kaffee-Bus für Roadshows und befragte die Menschen: Was sollten Forschende in Irland erkunden, um eine bessere Zukunft zu kreieren? 18.000 Antworten wurden gesammelt.
"Es würde uns auch gut tun, Innovation am Boden ankommen zu lassen. Wir müssen in ein Gespräch treten und zuhören, wo sich die Gesellschaft Innovationen wünschen würde", sagte Iris Filzwieser, Präsidentin der ACR (Austrian Cooperative Research): "Wir sollten in Österreich auch jene am Markt mehr fragen: Was brauchst du?" In Irland werde mehr kollaborativ gedacht. Für die Alpenrepublik wünscht sie sich unter anderem mehr Bemühungen und Unterstützung für Internationalisierung und Sichtbarkeit: "In Irland gibt es eine klare Strategie, wen man anspricht." Als irischer USP könne auch die umfassende Infrastruktur für Trainings gelten, ergänzte ACR-Geschäftsführerin Sonja Sheikh. Der "Transfer-Gap" zwischen Wissenschaft und Industrie sei in Österreich stärker ausgeprägt. Hier könne es vielleicht helfen, Grundlagen- und angewandte Forschung auch stärker zusammenzudenken - wie es auf der Grünen Insel der Fall ist.
Compliance-Hinweis: Diese Berichterstattung erfolgt im Rahmen einer Studienreise auf Einladung von Austrian Cooperative Research und unter unabhängiger redaktioneller Verantwortung der APA-Redaktion.