Hinweise auf altsteinzeitliche "religiöse" Rituale in Höhle in Israel
In einer Höhle in Israel haben Wissenschafterinnen und Wissenschafter Hinweise auf rituelle Handlungen gefunden, die vor 37.000 bis 35.000 Jahren stattfanden. Damit habe man es mit den ältesten Spuren von im weitesten Sinne "religiösen" Praktiken im Nahen Osten zu tun, heißt es seitens des Teams, dem auch ein in Wien tätiger Forscher angehört. Die Kammer, in der sich die Menschen versammelt haben, liegt tief in der Manot-Höhle im Nordwesten Israels.
Gleich nach dem Öffnen der Höhle im Jahr 2008 wurde klar, dass sie über längere Zeiträume in der Vergangenheit von modernen Menschen oder deren Vorfahren genutzt wurde. Im Rahmen seiner im Fachmagazin "PNAS" vorgestellten Studie ging das Team um Omry Barzilai, Ofer Marder und Israel Hershkovitz von den Unis Haifa, Beer-Sheva und Tel Aviv nun daran, den untersten Teil zu erforschen. An den Analysen war auch der am Department für evolutionäre Anthropologie der Universität Wien tätige José-Miguel Tejero beteiligt.
Rätselhafter Schildkröten-Stein
Im Gegensatz zu den Eingangsbereichen, die die altsteinzeitlichen Menschen nachweislich bewohnten, diente der hinterste und dunkelste Teil der Höhle offenbar als Ort für gemeinschaftlich abgehaltene Rituale. Im dortigen beeindruckenden Ensemble an Tropfsteinen sticht ein Stein heraus, in den Linien eingeritzt wurden. Aufgrund dieser Bearbeitungen des Kalkgesteins konnten auch Datierungen vorgenommen werden. Der derart gestaltete Stein erinnert die Wissenschafter an den Panzer einer Schildkröte und muss aufgrund seines Gewichts und seiner Beschaffenheit von mehreren Menschen dort platziert worden sein. Auch weitere Ritzungen in anderen Gesteinsformationen konnten menschlichen Aktivitäten zugeordnet werden, schreiben die Studienautoren.
Außerdem wurden Rußpartikel analysiert, die belegen, dass Menschen dort immer wieder Feuer entzündet haben. Akustischen Analysen zufolge war der Raum besonders gut für Unterhaltungen oder Reden während der rituellen Handlungen geeignet.
Ort für altsteinzeitliches Teambuilding?
Das Team interpretiert all das als einen Ort, an dem sich eine Gemeinschaft getroffen hat, um quasi-religiöse Riten abzuhalten, in deren Mittelpunkt ein symbolisch bedeutendes Objekt - der Schildkröten-Stein - stand. Vermutlich dienten diese Rituale zum Festigen des Zusammenhalts der mit vielen Herausforderungen kämpfenden Gruppen.
Die Maurische Landschildkröte (Testudo graeca) dürfte für die Menschen in jener Zeit nicht nur Bedeutung als Nahrung, sondern auch in der spirituellen Welt der altsteinzeitlichen Gemeinschaften gehabt haben, wie zahlreiche Funde von Schildkrötenpanzern, etwa im Kontext von Bestattungen, oder vereinzelte bildliche Darstellungen in der Gegend nahelegen.
Die Erforschung solcher Orte und Praktiken ist laut den Forscherinnen und Forschern jedenfalls wichtig, um mehr über die Bildung komplexer sozialer Beziehungen und des symbolischen Denkens herauszufinden. Während es aus Europa, etwa in Höhlen in Frankreich oder Spanien, um diese Zeit bereits mehrere Hinweise auf solche Praktiken gebe, handle es sich bei den Funden in der Manot-Höhle um die ältesten Hinweise im östlichen Mittelmeerraum.
Service - https://doi.org/10.1073/pnas.2404632121