Klima-Glossar: "Grüner Stahl"
Stahlerzeugung ist ein energieintensiver und derzeit noch sehr klimabelastender Prozess. Um die sieben Prozent der weltweiten CO2-Emissionen sind der Stahlindustrie zuzurechnen. Bis 2050 müssen die europäischen Produzenten klimaneutral werden, man ist also auf der Suche nach Rezepten für "grünen Stahl". Einige setzen darauf, das anfallende CO2 zu speichern, andere versuchen, seine Entstehung von vornherein zu unterbinden. Eine Schlüsselrolle kommt dem Wasserstoff zu.
Für Stahl braucht man Eisen und das kommt in der Natur als Erz vor. Bei der herkömmlichen Stahlproduktion wird dieses zunächst im Hochofen mit fossilen Brennstoffen wie Koks oder Kohle reduziert und aufgeschmolzen, es entsteht Roheisen, das noch zu viel Kohlenstoff enthält. Danach wird im Sauerstoffkonverter (LD-Konverter, LD steht für Linz/Donawitz, Anm.) durch Einblasen von Sauerstoff der Kohlenstoff in CO2 umgewandelt und man erhält Rohstahl. Sowohl beim Aufschmelzen mit fossilen Brennstoffen als auch bei der Reduktion entweicht CO2. Der Plan, Stahl "grün" zu machen, setzt daher an zwei Hebeln an: Zum einen muss man das CO2 im Reduktionsprozess wegbringen, zum anderen gilt es die fossilen Energieträger durch erneuerbare zu ersetzen.
Ein Ansatz sei das Carbon Capture and Storage (CCS), erklärt Johannes Schenk, Professor für Eisen- und Stahlmetallurgie an der Montanuniversität Leoben: Man sammle das entstehende CO2 und stecke es in geologische Speicher, etwa in Erdgas- oder Ölfelder. "Die Technologie ist recht strittig", so Schenk, in Österreich sei das Storage nicht erlaubt, in Norwegen schon. Dort hat man kürzlich angekündigt, das gesamte CO2 Europas unter der Nordsee bunkern zu wollen. Beim Ansatz des Carbon Capture and Utilisation (CCU) wird ebenfalls CO2 abgeschieden und gesammelt, aber dann zur Produktion anderer Chemikalien verwendet, etwa von Methan, Ethanol oder Biokraftstoffen.
"Kohlenstoff null wird es nicht sein"
Ein völlig anderer Ansatz ist, CO2-Emissionen von vornherein zu vermeiden (Carbon Direct Avoidance). Hier wird der Produktionsprozess angepasst und man benötigt Wasserstoff und große Mengen Ökostrom. Die am weitesten entwickelte Methode sei die Direktreduktion mit Wasserstoff, erklärt Schenk. Dabei wird in einer Direktreduktionsanlage aus Erz Eisenschwamm hergestellt, dieser wird dann im Elektro-Lichtbogenofen mit Schrott zu Rohstahl umgeschmolzen. "Kohlenstoff null wird es nicht sein", so der Experte, aber die CO2-Emissionen würden auf drei bis vier Prozent des derzeitigen Ausstoßes sinken.
Mit dieser Methode wolle etwa Schweden bis 2035 seine komplette Stahlproduktion CO2-frei machen. Das Projekt namens "Hybrit" (Hydrogen Breakthrough Ironmaking Technology) ist ein Joint Venture des Stahlkonzerns SSAB, des Bergbaukonzerns LKAB und des Energiekonzerns Vattenfall. Auch die voestalpine will 2027 je einen Elektrolichtbogenofen in Linz und in Donawitz in Betrieb nehmen.
Das Problem dieser Produktionsroute sei, dass sie nur mit Erzen funktioniere, die einen hohen Eisengehalt hätten, wie man sie in Schweden habe, gibt Schenk zu bedenken, "aber die meisten Erze, die wir in Europa verhütten, sind nicht so gut". Daher kommt hier eine weitere Methode ins Spiel: Eine mit Wasserstoff betriebene Direktreduktionsanlage in Kombination mit einem Schmelzreduktionsaggregat, das Roheisen liefert, das in einem Konverter zu Rohstahl veredelt wird. Schenk geht davon aus, "dass diese Technologie bis Ende der 2020er so weit ist, dass man sie großindustriell verwenden kann". Neben der voestalpine und anderen großen Stahlproduzenten in Europa hätten auch asiatische Konzerne diese Idee im Blick, schildert er.
Hohe wirtschaftliche Hürden
Nach den technischen Hürden gilt es auch noch wirtschaftliche zu überwinden, es wird wohl Maßnahmen wie Förderungen, Steuern, Zölle etc. brauchen. "Unter heutigen Rahmenbedingungen betrachtet ist das alles viel zu teuer", so Schenk über die Umstellung auf "grüne Stahlproduktion", daher "muss der Umstieg von marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen begleitet werden". Die EU wolle das über die CO2-Steuer regeln. Getrieben werde die Entwicklung in der CO2-freien Stahlerzeugung von Europa, aber auch in anderen Weltgegenden sei man ernsthaft dahinter, etwa in Korea, schildert der Professor. Und auch in China gebe es bereits entsprechende Ansätze. Japan, drittgrößter Stahlproduzent der Welt, dürfte hingegen stärker auf CCU und CCS setzen.
Auch wenn Stahlschrott ein wichtiger Rohstoff für die Stahlproduktion ist und damit gebrauchtes Material recycelt wird - bis man zu einer echten Kreislaufwirtschaft findet, wird es wohl noch sehr lange dauern. Das liege auch daran, dass die anstehende Transformation im Zusammenhang mit der Energiewende sehr viel Stahl benötige, das nur durch die Verarbeitung von Erzen erzeugt werden kann, erklärte Schenk.