Start me up: Frische Ideen für etablierte Unternehmen
Wie bringe ich Innovation in mein Unternehmen? Antworten auf diese Frage kommen immer öfter von Start-ups, die rasch und unkompliziert frischen Wind in etablierte (Denk-)Strukturen bringen sollen. Als ehemaliger Vorstand der Handelskette Rewe und nunmehriger Start-up-Investor sieht sich Werner Wutscher als Brückenbauer, manchmal aber auch als Moderator zwischen beiden Welten, wie er im Gespräch mit APA-Science erklärte.
"Microsoft kooperiert mit Android-Spezialist Cyanogen", "ÖBB kooperieren mit Speedinvest für Digitalinitiative", "ORF will Digital-Angebot ausweiten - weitere Kooperationen mit heimischen Start-ups geplant": Der Trend, dass große Unternehmen ganz bewusst die Nähe von jungen Technologiefirmen suchen, fällt auf. Was aber treibt sie an, gezielt Input von außen einzuholen? ÖBB-Chef Christian Kern hat es zum Beispiel - und wohl stellvertretend für andere Konzerne - so formuliert: "Wir wollen das (eine Digitalisierungsinitiative; Anm.) in neuartigen Strukturen angehen. Ich bin überzeugt, dass innovative Entwicklungen in diesem Bereich ohne die Historie und das Erbe unseres Hauses leichter umzusetzen sind."
"Win-win-Situation"
Werner Wutscher kann das, gerade vor dem Hintergrund eines schwierigen wirtschaftlichen Gesamtumfelds, gut nachvollziehen: "Wenn man sich zum Beispiel Banken, Medien oder Energieversorger ansieht: Die kommen schon sehr unter Druck und brauchen zum Teil völlig neue Geschäftsmodelle und versuchen die entweder selbst zu entwickeln oder über Partnerschaften zu kriegen."
Holt ein Unternehmen ein Start-up an Bord, handle es sich um eine "Win-win-Situation": "Die großen Unternehmen brauchen innovative, neue Ideen und auch einen unternehmerischen Zugang. Zwar steht oft im Mission Statement so etwas wie 'Entrepreneurial Spirit', aber in Wahrheit ist das in einer Konzernstruktur ungemein schwer umzusetzen." Getrieben von Monatsreports, Quartalsabschlüssen und Zahlenvorgaben, die ununterbrochen eingefordert werden, sei es in einem solchen Umfeld besonders schwierig, kreativ und offen zu sein.
Das oft bemühte Bild von den "Schnellbooten" der "New Economy" und den untergehenden "Supertankern" der "Old Economy" sei allerdings "ein völliger Blödsinn". Etablierte Unternehmen könnten Stärken wie Erfahrung, Management- und finanzielle Ressourcen in die Waagschale werfen, Start-ups neue Ideen und Ansätze liefern. "Da können beide extrem profitieren", ist Wutscher überzeugt.
Aus nächster Nähe konnte das Wutscher, der bis jetzt an acht Start-ups beteiligt ist, etwa in der Gründungsphase von "KochAbo" beobachten, einer Firma, die nach Online-Bestellung Rezepte und passende Lebensmittel direkt an die Haustüre liefert. "Ich habe damals noch mit meiner Konzernbrille drauf geschaut und gleich gesehen, wie viele Dinge anders laufen", staunte der gebürtige Kärntner, der auch schon langjährige Erfahrung in der Politik vorweisen kann, über "völlig neue Zugänge". Als er bei der Konzeption von "KochAbo" vorschlug, erst einmal eine Marktanalyse zu machen und sich dann alles in Ruhe anzuschauen, erntete er verwunderte Blicke und die sinngemäße Antwort: "Herr Wutscher, jetzt machen wir einmal einen Prototyp, probieren das zwei Wochen lang und dann wissen wir es."
Eine Frage der Unternehmenskultur
Nach seiner Zeit als Vorstand beim Handelsriesen Rewe engagierte sich der Manager als Business Angel und Mentor für Start-ups. "New Venture Scouting" gründete er mit dem Ziel, den Prozess der Kooperation zwischen "alten" und neuen Unternehmen zu begleiten. Neben einer unmissverständlichen Regelung der Zusammenarbeit müsse man sich darüber im Klaren sein, wie man mit den mitunter doch beträchtlichen Unterschieden in den Unternehmenskulturen umgeht: "Wir leben zum Teil davon, weil wir einfach als Moderator auftreten", sagt Wutscher.
Damit so eine Kooperation funktioniert, müsse als erstes das Ziel definiert werden. Will das Unternehmen einfach nur ein bisschen Innovationskultur hereinbringen, ein paar Workshops machen, will es sein Geschäftsmodell weiterentwickeln oder wirklich Akquise machen, also neue Unternehmen dazukaufen um ein Geschäft zu machen?
Auch wenn im Rahmen solcher Prozesse oft beträchtliches Know-how von außen in ein Unternehmen getragen wird, könne dabei keine Rede davon sein, dass Start-ups innerbetriebliche Forschungsabteilungen oder innerbetriebliche Innovationsprozesse ersetzen. Das Wort "ergänzen" sei in diesem Zusammenhang passender. "Wir arbeiten ganz intensiv mit den F&E- und Innovationsleuten in den Unternehmen zusammen und die sehen die Startups eigentlich immer auch als Treiber im eigenen Unternehmen, als Erfolgsbeispiele", so Wutscher, der auch die Wichtigkeit betont, die Mitarbeiter von Anfang an gut einzubinden und "abzuholen".
Rahmenbedingungen verbessert
Bisher war Österreich im Zusammenhang mit Start-ups vor allem für Risikoaversion und mangelndes Risikokapital bekannt. Ist die Alpenrepublik heute tatsächlich das "Land der Gründer", als das es neuerdings dargestellt wird? Das sieht der Experte durchaus differenziert. Während der Förderungsbereich - von aws, FFG bis AplusB-Zentren - sehr gut aufgestellt sei, verliere man im Bereich der privaten Investoren international den Anschluss. "In Deutschland kriegen Business Angels einen Zuschuss von 20 Prozent wenn sie in ein Start-up investieren, in England und Frankreich bekommen sie echte Steuergutschriften", wünscht sich Wutscher auch in Österreich spürbare Verbesserungen für Investoren, die von Erleichterungen bei der Anstellung von Mitarbeitern bis zu den Lohnnebenkosten reichen. Nicht zuletzt drohe ansonsten eine Abwanderung erfolgreicher Start-ups: "Das ist etwas, was mir leid tut, weil es ist ja unsere Technologie, die wir hier entwickelt haben und die werden dann alle ins Ausland verkauft."
In Summe seien jüngste Initiativen seitens des Wissenschafts- und Wirtschaftsministeriums (BMWFW) zu begrüßen und Österreich hole auf. Aber es brauche noch eine bessere Vernetzung dieser Ansätze und Ideen. "Man braucht einmal ein Ökosystem, es ist eine Vielzahl an kleinen Schrauben an denen man drehen muss. Es geht um das Ganze und um eine Netzwerkidee, die danach fragt: Was brauchen denn Gründer an Unterstützung und an Geld?"
Zusätzlich brauche es eine Haltung die besagt, dass sich Unternehmertum auszahlt. "Es geht nicht nur um Leuchttürme, es ist gar nicht nötig dass jeder ein zweiter Mateschitz wird. Es sollte viele kleine Runtastics geben, weil das sind die Jobs von morgen. Woher sollen die sonst kommen?"
Von Mario Wasserfaller / APA-Science