Wie smart ist das Phone?
94 Prozent der Österreicher nutzen Smartphones - und das über drei Stunden täglich. Das schlaue Handy ist über die Fähigkeit des Telefonierens längst hinausgekommen. Definitionsgemäß vereint es die Funktionen von Computer, Telefon, Taschenrechner und Kalender. Der Digital Native, also eine Person, die mit diesen smarten Technologien aufgewachsen ist, kauft und verkauft, schreibt und surft, spielt und arbeitet damit. Das Smartphone ist aus seinem Leben längst nicht mehr wegzudenken. Das Forschungsprojekt "Smart?Phone" des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien nimmt das Phänomen unter die Lupe.
"Jene Kommunikationstechnologie, die unser Mediennutzungsverhalten und unseren Alltag in den letzten Jahren fundamental verändert hat, ist das Smartphone - und die damit verbundenen Apps", erklärte Projektleiter Jörg Matthes gegenüber APA-Science die Hintergründe des Projekts. "Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen ist das Smartphone zum ständigen digitalen Begleiter geworden. Wir haben uns gefragt: Ist die permanente Vernetzung und ständige Verfügbarkeit durch das Smartphone wirklich 'smart'? Die häufige Smartphone-Nutzung birgt nicht nur Chancen, sondern auch Risiken und Gefahren - insbesondere für Heranwachsende."
Mit Schülern Wissenslücken schließen
Matthes sieht drei Forschungslücken, die es zu schließen gilt: Erstens, die Folgen der permanenten Online-Kommunikation, also zu jeder Zeit und an jedem Ort. Zweitens, bisher fehlende Längsschnittuntersuchungen, die einen kausalen Zusammenhang zwischen der Smartphone-Nutzung und dem Wohlbefinden herstellen können. Und drittens, individuelle und kontextuelle Einflussgrößen (wie Persönlichkeitsmerkmale oder das familiäre Umfeld), welche die Heranwachsenden vor negativen Folgen schützen oder sie im Gegenteil besonders vulnerabel machen. Diese drei Punkte wurden in den Augen des Forschers noch nicht ausreichend untersucht.
Smart?Phone nimmt diese Punkte in Angriff. Das Besondere dabei: Als Sparkling-Science-Projekt bindet es die Schüler direkt in die Arbeit ein. Sparkling-Science ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF), bei dem Wissenschafter gemeinsam mit Jugendlichen Antworten auf aktuelle Forschungsfragen suchen. So soll ihr Interesse an der Forschungsarbeit gesteigert werden. Smart?Phone erhielt dafür eine Forschungsförderung von dreizehn Prozent.
Konkret bedeutet diese Zusammenarbeit, dass das Projektteam regelmäßig Schulen besucht, um dort mit den Schülern die bisherigen Ergebnisse zu reflektieren und die nächsten Arbeitsschritte zu planen. Insgesamt sind 111 Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 bis 20 Jahren aus fünf unterschiedlichen Klassen aus den teilnehmenden Partnerschulen HAS Friesgasse, VBS Akademiestraße und VBS Hamerlingplatz im Projekt involviert. Die Laufzeit beträgt rund zwei Jahre und endet voraussichtlich im August 2019.
Projekt in drei Abschnitten
Das Projekt, das seit September 2017 läuft, setzt auf eine Kombination verschiedener Methoden zur Datenerhebung. Die erste der drei Projektphasen wurde bereits abgeschlossen. Hierfür wurden 115 leitfadengestützte Interviews von und mit Schülern zur persönlichen Nutzung und Bedeutung ihres Smartphones durchgeführt. "Auf diese Weise konnten die Jugendlichen wichtige Techniken der sozialwissenschaftlichen Forschung wie die Leitfadenentwicklung, Interviewführung und -auswertung kennenlernen. Die Ergebnisse aus den Interviews haben uns aufgezeigt, wie Jugendliche über die permanente Smartphone-Nutzung denken", so Matthes.
"Vor kurzem haben wir die Datenerhebung der zweiten Phase abgeschlossen." Hierfür haben die teilnehmenden Schüler eine Woche lang in einer sogenannten Mobile-Experiencing-Studie dreimal täglich ihre eigene Mediennutzung und ihr subjektives Wohlbefinden festgehalten. "Die Bereitschaft bei der Studie mitzumachen hat uns positiv überrascht. Insgesamt haben 79 Schülerinnen und Schüler an der Studie teilgenommen, und es wurden über 950 Messungen generiert." Diese Daten werden zurzeit analysiert und aufbereitet.
Die dritte Phase, eine österreichweite repräsentative Panelbefragung, befindet sich gerade in der Vorbereitung. Sie wird in zwei Wellen im Mai und im November diesen Jahres stattfinden. Befragt werden 500 Kinder im Alter von 10 bis 19 Jahren sowie ein dazugehöriger Elternteil. Insgesamt werden also 1.000 Personen zu zwei Zeitpunkten untersucht. "Ziel der Studie ist es, die Zusammenhänge zwischen der Smartphone-Nutzung und sozialer Einsamkeit sowie der schulischen Leistungsfähigkeit näher zu beleuchten und wichtige Einflussfaktoren, die diese Prozesse bedingen, zu identifizieren. Diese Methode ermöglicht es uns, die längerfristigen Einflüsse aus dem Elternhaus wie Erziehungsstile und die Kommunikationsqualität zwischen Eltern und Kindern zu erforschen.
Die Angst, etwas zu verpassen
Erste Auswertungen der Leitfadeninterviews zeigen auf, dass die Smartphone-Nutzung in einem positiven Zusammenhang zum Wohlbefinden von Jugendlichen steht. Vor allem das Posten auf diversen Social-Media-Kanälen wie Facebook oder Twitter wirke sich positiv aus, erklärte Matthes.
Zudem habe sich gezeigt, dass besonders eine spezifische Personengruppe davon profitiere: jene Jugendlichen, die eine besonders starke Angst davor haben, etwas zu verpassen. "Wir nennen dieses psychologische Konstrukt Fear of Missing Out oder kurz FOMO. Dieser Effekt lässt sich einfach erklären: Wenn ich den Eindruck habe, dass andere ständig mehr erleben als ich, dann hilft mir das Posten auf den diversen Social-Media-Kanälen dabei, mit dieser Sorge umzugehen und ich fühle mich insgesamt besser. Das Ergebnis liefert eine Erklärung dafür, was die Jugendlichen antreibt, ständig auf Social Media präsent zu sein. Wichtig ist zu betonen, dass wir diesen Zusammenhang erstmals mit der Methode des Mobile-Experience-Sampling nachweisen konnten. Im Gegensatz zu klassischen Befragungen, wo die Teilnehmer/innen nur zu einem Zeitpunkt befragt werden, haben wir die Jugendlichen eine Woche lang bis zu 15 Mal zu unterschiedlichen Tageszeiten zu ihrer Smartphone-Nutzung und ihrem Wohlbefinden befragt. Diese Art der Befragung liefert wesentlich exaktere Ergebnisse."
Von Anna Riedler / APA-Science