"Sicherheitsforschung - was ist das?"
Sicherheit boomt - mit Sicherheit ist sowohl Geld als auch Prestige und Vertrauen zu gewinnen. Jeder will Sicherheit und keiner kann sie garantieren. Wir leben in einer Zeit scheinbar höchster Unsicherheit, weshalb das Verlangen nach Sicherheit steigt. Was sind nun die Bedrohungen und wie können wir uns vor ihnen schützen? Fragen, die im Rahmen der Sicherheitsforschung geklärt werden sollen.
Sicherheit als Gegenstand der Forschung hat schon lange Bestand, war aber lange Zeit ausschließlich eingebettet in Fachdiskurse, etwa über die Erforschung von technischen Risiken der „Risikoforschung“ zugeordnet. Forschungen zur „sozialen Sicherheit“ hatten und haben ihren Platz unter anderem in Philosophie, Soziologie, Ökonomie und Politikwissenschaft. Seit den Anschlägen auf das World Trade Center in New York und die Underground in London hat sich aber neben diesen Fachdiskursen ein eigenes Feld „Sicherheitsforschung“ etabliert, das seinen Bestand unter anderem großen Forschungsförderungsprogrammen auf nationaler und internationaler Ebene verdankt. Die EU hat im 7. Rahmenprogramm (2007-2013) erstmals einen eigenen Schwerpunkt „Sicherheit“ eingerichtet und dafür 1,35 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt. In Österreich gibt es seit 2005 das nationale Programm KIRAS mit einem ursprünglich geplanten Fördervolumen von etwa 105 Mio. Euro (aktuelle Zahlen siehe Hintergrund; Anm. d. Red.).
In beiden Programmen geht es, entsprechend der vorherrschenden Denkweise Sicherheit könne durch mehr und bessere Technik bereitgestellt werden, vor allem um Technologieförderung. Sicherheit als gesellschaftliches Phänomen verlangt aber nach sozial- und geisteswissenschaftlicher Analyse. Diesem Umstand wird in den o.a. Programmen unterschiedlich Rechnung getragen. Im österreichischen KIRAS ist ein sogenannter gesellschafts-, sozial- und kulturwissenschaftlicher (GSK) Anteil als Querschnittsmaterie vorgeschrieben, während in der EU-Sicherheitsforschung eigene Calls zu sozialwissenschaftlichen Fragestellungen ausgelobt werden.
Der geringe Anteil der GSK an den Forschungsmitteln ist Ausdruck der oben beschriebenen Technikorientierung. Die Sozial- und Geisteswissenschaften sind dennoch aufgerufen, die umfassende Bedeutung von Sicherheit, ihre Ursachen und mögliche sich daraus ergebende alternative Lösungswege aufzuzeigen. Eine besondere Rolle kommt hier der Technikfolgenabschätzung zu, die sich mit den Auswirkungen neuer Technologien beschäftigt und immer auch Alternativen analysiert. Der Wunsch nach mehr technisch gewährleisteter Sicherheit zeigt sich unter anderem im gesteigerten Einsatz von Überwachungstechnologien, denen oft ein hohes Sicherheitspotenzial zugeschrieben wird. Die Gleichsetzung von „mehr Überwachung“ mit „mehr Sicherheit“ führt jedoch zum voreiligen Schluss, für mehr Sicherheit müsse man notgedrungen auf (Teile seiner) Privatheit verzichten. Jüngst erst hat der US-Präsident auf diese Weise das Bespitzelungsprojekt PRISM gerechtfertigt.
Das Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ITA) beschäftigt sich seit seiner Gründung vor über 25 Jahren unter anderem mit den Auswirkungen neuer Informations- und Kommunikationstechnologien und damit auch mit Fragen des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre. Ausgehend von Erfahrungen in diesem Bereich hat das ITA in den letzten Jahren einige EU-Projekte zum Thema Privacy & Security durchgeführt (www.oeaw.ac.at/ita/themen/sicherheit). Im Projekt PRISE (http://prise.oeaw.ac.at) wurde in Vorbereitung des 7. Rahmenprogramms ein Prozess für die Beurteilung von Innovationen hinsichtlich ihrer privatheitsgefährdenden Wirkung entwickelt und es wurden auch Instrumente zu deren Vermeidung zur Verfügung gestellt.
Wesentliches Ergebnis war, dass durch die Anwendung von Grundsätzen des „Privacy by Design“ (also der Berücksichtigung von Privatsphärenschutz bereits im technischen Entwicklungsprozess) in vielen Fällen der angestrebte Zweck (Erhöhung der Sicherheit) ohne zusätzliche Beeinträchtigung der Privatsphäre erreicht werden kann. Schon in diesem Projekt spielte die Einbindung von BürgerInnen in den Prozess der Wissensgenerierung und der Beurteilung eine wesentliche Rolle. Diese wird im aktuellen Projekt SurPRISE (http://surprise-project.eu/) noch einmal aufgewertet. In diesem vom ITA koordinierten Projekt wird in neun Ländern in sogenannten Citizen Summits mit je 250-300 Personen unter anderem der Frage nachgegangen, wie BürgerInnen in den unterschiedlichen Ländern Überwachungstechnologien einschätzen und inwieweit der angebliche Trade-Off zwischen Privatheit und Sicherheit dabei überhaupt eine Rolle spielt.
Ein gerade abgeschlossenes Projekt (Decision Support on Security Investments - DESSI, http://securitydecisions.org) erstellte ein Beurteilungsinstrument für Sicherheitsinvestitionen, das auf Basis einer multidimensionalen Bewertung einen transparenten und rationalen Diskurs über den Einsatz verschiedener Sicherheitstechnologien ermöglichen soll. Mit Hilfe eines dazu entwickelten Webtools, das Open Source verfügbar ist, wurden im Rahmen dieses Projektes so unterschiedliche Fallstudien wie „Sicherheit von Gerichtsgebäuden“, „Sicherheit für Busfahrer im öffentlichen Nahverkehr“ oder auch „Einsatz von Drohnen zur Suche und Rettung“ bearbeitet und mit den Betroffenen und den damit befassten EntscheidungsträgerInnen durchgespielt.
Wie die Beispiele zeigen, bedarf das Thema Sicherheit einer breiten Analyse, denn ein Mehr an Technik führt nicht immer auch zu mehr Sicherheit. Partizipative Prozesse und Instrumente können helfen, Entscheidungen für Investitionen in Sicherheit rational und transparent zu gestalten, ohne die Privatsphäre zu opfern. In diesem Sinn kann Technikfolgenabschätzung wesentlich zur Qualität des Sicherheitsdiskurses beitragen.