Köberl hat "wahnsinnig viele Fragen zum Mond"
Schon am Weg zu seinem Büro hängt ein Bild vom Mond, in seinem Arbeitszimmer sind großformatige Mond-Fotos und am Tisch steht ein Mondglobus: Der Erdtrabant hat den Geochemiker, Uni Wien-Professor und Generaldirektor des Naturhistorischen Museums Wien, Christian Köberl, fasziniert, seit er zehnjährig die erste Mondlandung im TV sah. 50 Jahre später hat er noch immer "wahnsinnig viele Fragen zum Mond".
"Die Mondlandung und die vielen anderen Raummissionen Anfang der 1970er-Jahre haben natürlich Spuren hinterlassen und meine Karriere geprägt bzw. in eine gewisse Richtung gelenkt", erklärte Köberl im Gespräch mit der APA. So hat er Chemie und Astronomie studiert und seine Dissertation auf dem Gebiet der Kosmochemie geschrieben. Und wissenschaftlich beschäftigt er sich schon einige Jahrzehnte mit Mondgesteinen.
Prägende Begegnungen
Begonnen hat diese Beschäftigung bald nach 1982, als der erste Mondmeteorit identifiziert wurde und Köberl als junger Assistent an der Uni Wien gemeinsam mit Kollegen des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien erste Proben analysieren konnte. In den späten 1980er-Jahren war er dann als Gastwissenschafter am Lunar and Planetary Institute der NASA in Houston. Dabei habe er viele Leute kennengelernt, die bei diesen frühen Forschungen an Mondgesteinen dabei waren, und auch einige Apollo-Astronauten getroffen. "Das prägt natürlich - die Verbindung zum Mond war immer da."
An der Einschätzung, dass "Apollo" kein wissenschaftliches Programm, sondern eine Schlacht im Kalten Krieg gewesen sei, "ist sicher etwas Wahres dran. Der Impetus des Ganzen war sicher der Kalte Krieg", so Köberl. Man müsse den USA aber zugutehalten, dass immer Wissenschafter involviert gewesen seien. "Es mag zwar nicht der Hauptgrund für die Mission und die große Geldmenge, die dafür aufgewendet wurde, gewesen sein. Aber man hat nicht nur die Flagge hingestellt, sondern von Anfang an eine große Zahl wissenschaftlicher Experimente dabei gehabt, und die kann man nicht nur als Behübschung abtun, sondern da ist sehr viel an Arbeit, Geld und Gehirnschmalz hineingeflossen."
Als Beispiel nannte Köberl die Reflektoren des "Lunar Laser Ranging"-Experiments, die von den Apollo-Missionen 11, 14 und 15 auf dem Mond aufgestellt wurden. Mit deren Hilfe kann man heute noch mittels eines Laserstrahls die Distanz zwischen Erde und Mond sehr genau vermessen. Sie sind für Köberl auch ein wichtiges Argument gegenüber all den "Schwachköpfen, die behaupten, die Mondlandung hätte nie stattgefunden: Wie kommen dann die Reflektoren dorthin und die Fuß- und Fahrzeugspuren, die man noch immer sehen kann".
Mondgestein als Beleg
Auch das zur Erde gebrachte Mondgestein belegt für den Geochemiker die Mondlandungen: "Denn dieses ist im Schnitt viel älter als das irdische Gestein - weil der Mond kein geologisch aktiver Himmelskörper ist." Im Durchschnitt sei die Mondoberfläche vier Milliarden Jahre alt, "auf der Erde tue ich mir schwer, irgendwo ein Fleckerl Gestein zu finden, das 3,5 bis 3,8 Mrd. Jahre alt ist. Deshalb könnte ich Mondgesteine gar nicht simulieren, weil es so altes Rohmaterial gar nicht auf der Erde gibt." (siehe auch: "Apollo - Ein Fenster zum Ursprung der Erde")
Wissenschaftlich hätten die Apollo-Missionen jedenfalls sehr viel gebracht, zeigt sich der NHM-Chef daher auch überzeugt. So habe es etwa bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts gedauert, bis man realisiert hat, dass die vielen Mondkrater durch Meteoriteneinschläge und nicht durch Vulkanismus entstanden sind. "Erst durch Raumsonden und die Mondproben konnte man dann tatsächlich nachweisen, dass das alles Einschlagskrater sind." Das Mondgestein habe erstmals auch genauere Indizien über Entstehung, Entwicklung und innere Struktur des Erdtrabanten geliefert.
Viele offene Fragen
Auch wenn der Mond "ein einfacheres Objekt als die Erde ist, gibt es noch immer sehr viele Dinge die wir nicht wissen", sagte Köberl. Als Beispiele nannte er etwa Fragen wie nach dem Eisvorkommen auf dem Mond, dessen innere Struktur, ob er einen Eisenkern hat oder nicht, wo es noch aktiven Vulkanismus gibt oder wie alt die einzelnen Becken wirklich sind. "Der Mond ist nach wie vor ein wahnsinnig faszinierendes Objekt. Nur weil wir ein bisschen über ihn gelernt haben, heißt das nicht, dass wir alle Fragen beantwortet haben."
Der Wissenschafter erinnert daran, dass bisher nur in neun Gebieten Proben genommen wurden: sechs von den Apollo-Missionen, die insgesamt 380 Kilo Mondgestein zur Erde zurückgebracht haben, und drei von den unbemannten sowjetischen Lunar-Missionen, die insgesamt 300 Gramm aufgesammelt und zurückgebracht haben. "Das wäre genau so wie wenn ich sagen würde, ich möchte die Geschichte der Erde anhand von neun Lokalitäten rekonstruieren."