Zauberhafte Technik - TU Wien begeistert Schüler für Mechatronik
Auf einem Bildschirm wird ein Raketenstart gezeigt. Drei paar Augen verfolgen gespannt, wie die Rakete explodiert - der Start ist missglückt. Nach drei Tagen an der Technischen Universität Wien wissen die Schüler Florian, Mark und Leonardo: Es lag an der Regelungstechnik.
Fahrzeuge und Explosionen, das kam besonders gut an bei den Schülern, die vor kurzem ihre berufspraktischen Tage in den Räumlichkeiten und Labors des Instituts für Mechanik und Mechatronik, das 99 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfasst, verbrachten. In den drei Tagen bekamen sie die Möglichkeit, Versuche, Simulationen und Experimente selbst auszuprobieren und den Beruf des Mechatronikers kennenzulernen. Dieser arbeitet an der Schnittstelle zwischen Elektronik, Mechanik und Informatik. Seine oder ihre Tätigkeiten umfassen unter anderem Analyse, Synthese und Optimierung mechanischer und mechatronischer Systeme.
Raserei und "rosa Rauschen"
Für die berufspraktischen Tage sind die Schüler selbst aktiv geworden und initiativ an das Institut herangetreten. Alle drei sind wissenschaftlich interessiert und auch am Ende ihrer Berufsorientierung immer noch von der Technik begeistert. Besonders angetan hatte es ihnen das Messauto. Das Fahrzeug wurde von Porsche zu Forschungszwecken zur Verfügung gestellt, unter anderem um Daten bezüglich Fahrbahngriffigkeit zu erheben und zu analysieren. Darauf basierende Algorithmen sollen zukünftigen autonomen Fahrzeugen dabei helfen, auf aktuelle Fahrbahnbegebenheiten reagieren und sich daran anpassen zu können. Die Schüler durften den Porsche zwar nicht fahren - aber allein das Einsteigen und Beobachten rief Bewunderung hervor.
Auch der Akustikraum, in dem zu Schall, Lärmreduktion und Co. geforscht wird, stieß auf Begeisterung. "Der Akustikraum war interessant, weil man künstlich etwas erzeugen kann, was man im normalen Frequenzbereich von Tönen nicht hört", berichtete Florian stolz, dass die Jugendlichen im Gegensatz zu Erwachsenen noch in der Lage waren, 16 Gigahertz wahrzunehmen. "Das rosa Rauschen zum Beispiel (Anm.: ein Rauschen, das mit steigender Frequenz leiser wird) habe ich noch nie gehört und wusste vorher gar nicht, dass es so etwas überhaupt gibt", sagte der Viertklässler am Wiener Billrothgymnasium zu APA-Science.
Technik, die wie Zauberei aussieht
Der letzte der berufspraktischen Tage, bei denen APA-Science den Jugendlichen über die Schulter schaut, steht ganz im Zeichen der Regelungstechnik, wie sie bereits bei dem missglückten Raketenstart zum Einsatz gekommen ist. Bei Versuchen mit einer Magnetschwebebahn können die Schüler beobachten, wie ein Testkörper in einem Magnetfeld in Schwebe gehalten wird. "Das sieht aus wie Zauberei, ist aber Technik", erklärt Projektassistent Alexander Schirrer, der die Schüler während ihres Besuchs betreut. Der Versuchsaufbau werde deshalb auch 'Magnetisches Schweben' genannt. Einmal in Rotation versetzt, dreht und dreht und dreht der Zylinder aus Metall sich immer weiter. Das liegt am fehlenden Reibungswiderstand, erklären die Schüler.
Auch das inverse Pendel ähnelt ein wenig einem Zaubertrick. Hier wird eine Stange in aufrechter Position gehalten. Während die Schüler den Vorgang zunächst mit einem einfachen Holzstecken ausprobieren, den sie auf ihrer Handfläche balancieren, übernimmt den Balanceakt im Labor der Computer. Von den Kindern angestupst, wackelt der Stab so lange hin und her, bis er sein Gleichgewicht wiederfindet. "Das ist ein Versuch, den wir den Studenten sehr ans Herz legen. Es ist immer wieder ein Wow-Erlebnis, und auch von den Schülern habe ich dazu schon ein Wow gehört", so Schirrer.
Super-Ingenieur statt Nerd
Ob sich Florian und Leonardo später einmal für ein technisches Studium entscheiden werden, können sie noch nicht mit Sicherheit sagen. Während für Florian Architektur und Leonardo Medizin als Alternative infrage kommt, ist für Mark hingegen klar: Egal, ob es die TU Wien oder eine andere Technische Hochschule wird - irgendwas mit Mechatronik, Maschinenbau oder Regelungstechnik muss es werden.
"Mit ungefähr 14 Jahren ist man genau im richtigen Alter, wo sich so langsam die Begabungen und Interessen herausbilden", befindet auch Institutsvorstand Stefan Jakubek. "Das ist genau die richtige Zeit, wo man ihnen diese Inhalte näherbringen kann." Vom Berufsbild eines Mechatronikers hätten die meisten Menschen kaum eine konkrete Vorstellung. Wie in vielen technischen Berufen gebe es auch im Bereich der Mechatronik Probleme, Nachwuchskräfte zu bekommen, weil der Bezug zur Tätigkeit fehle. Besonders der Frauenanteil ist sehr gering: Von 333 Studienanfängern, die im Wintersemester 2019 den Bachelor Maschinenbau begannen, waren nur zwölf Prozent weiblich. Für den dazugehörigen Master Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau inskribierten sogar nur zehn Prozent Frauen.
"Ich habe den Eindruck, dass die jungen Leute sehr wenig mit dem Begriff Ingenieur anzufangen wissen", so Jakubek. "Im Fernsehen und im Kino gibt es Serien von Ärzten, die im OP-Raum Tolles machen. Es gibt Serien im Gerichtssaal über Staranwälte. Aber es gibt keine Serien über Super-Ingenieure - außer in der Science-Fiction, und das sind dann Nerds. Ich finde, man muss das Bild langsam dahingehend ändern, dass dieser Beruf positiv besetzt wird."
Von Anna Riedler / APA-Science
Service: Diese Meldung ist Teil der Reportage-Reihe "APA-Science zu Besuch ...": http://science.apa.at/zubesuch