Klima-Glossar: Snowfarming
Kitzbühel, Schladming, Mittersill - seit Jahren nutzen Skigebiete Snowfarming für die Schneesicherheit. Dabei wird Schnee nicht gezüchtet, er wächst und reift auch nicht bis zur Ernte. Die Skigebietbetreiber sammeln im Winter Kunst- oder Naturschnee, schützen ihn gegen die Sonne und bewahren auf diese Weise so viel wie möglich für die kommende Saison auf. So ist Wintersport also auch Mitte September bei fast sommerlichen Temperaturen und neben braun-grünen Almen möglich.
Beim Snowfarming wird laut Andreas Gobiet, Experte bei der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), zum geringsten Teil auf übrig gebliebenen Naturschnee zurückgegriffen: Bei ausreichender Kälte und trockener Luft stellen Kanonen technischen Schnee her - umgangssprachlich bekannt als Kunstschnee. In Österreich werden für dessen Herstellung Wasser und Luft verwendet - keine Chemie oder Bakterien.
Das Schneedepot wird auf einem schattigen Platz angelegt und mit Sägespänen oder einem Vlies isoliert. Etwa 60 bis 80 Prozent des Schnees kommen so über den Sommer. Den Umfang der meisten Depots schätzt Marc Olefs, Klimaexperte bei der ZAMG, auf die Größe von einem Viertel eines Fußballfeldes. In niedrigeren Lagen sind demnach Sägespäne zur Isolierung am effizientesten. "In großen Höhen" zeigen Untersuchungen laut Olefs, dass Vlies aufgrund der Sonneneinstrahlung mehr Nutzen bringe.
Kontroverse Diskussion
Die Schneehaufen im Sommer und künstlich geschaffenen Schneebänder im Herbst oder Winter werden kontrovers diskutiert: Für die einen macht Snowfarming den Wintertourismus planbar, für die anderen zeigt es, dass man die Augen vor der Klimakrise verschließt.
Welche Rolle aber spielt Snowfarming beim Thema Klimawandel? Verglichen mit "der enormen Zahl an Gästen, die beispielsweise durchs Zillertal fahren", seien die direkten Auswirkungen auf den Klimawandel gering, sagt Ulrich Strasser von der Uni Innsbruck. Der Schneehaufen im Sommer oder das Schneeband im Herbst oder Winter seien aber sichtbar - und hätten somit eine "Indikatorfunktion". Strasser spricht von einem "kleinen Objekt mit kleiner Auswirkung, aber großer Rolle".
Kurz gesagt: Snowfarming ist für Kritikerinnen und Kritiker ein Symbol für einen Wintertourismus mit immer größeren Skigebieten und möglichst frühen Saisonstarts, mit Autos und Flugzeugen, die tausende Urlauberinnen und Urlauber in die Wintersportorte bringen und dafür Treibstoff verbrauchen und die Luft verschmutzen, mit Privat-Saunen und beheizten Außenpools im Winter. Für den Experten Gobiet ist es indes zu kurzgegriffen, "auf eine Maßnahme wie Schneedepots zu fokussieren bei der Frage: Wie ist der Skitourismus vor dem Hintergrund des Klimawandels zu beurteilen".
Ökobilanz nicht ohne genaue Berechnungen ableitbar
Für den Experten Olefs steht fest, dass "das Ergebnis der ökologischen Bilanz, des CO2-Fußabdrucks, nicht ohne genaue Berechnungen ableitbar" ist. Man spare Energie, indem man bereits produzierten Schnee vom Vorjahr nutze und so Schnee nicht energieintensiv neu erzeugen müsse. Trainingsgruppen würden sich zudem möglicherweise längere Anfahrten zu entfernteren, schneereicheren Gebieten sparen und dadurch Emissionen vermeiden.
Die Produktion des technischen Schnees - allgemein bekannt unter Kunstschnee - wird beispielsweise von Carmen de Jong von der Universität Straßburg kritisch beurteilt. Technischer Schnee verbraucht Ressourcen und schadet außerdem den Böden, da er weniger durchlässig ist - Sauerstoff fehlt und weniger Wurzeln von Bäumen können zu Erosion führen. Die Geräte und Fahrzeuge, die den Schnee herstellen, aufschaufeln, abtragen und planieren, benötigen Energie. Man braucht eine Lagerfläche für den Schneehaufen.
Das Vlies zur Isolierung muss hergestellt, aufgebracht und erneuert werden. Es besteht aus den gleichen Materialien, wie sie auch im Straßenbau eingesetzt werden zur Dämpfung. Mit der Zeit verschmutzt sich diese Abdeckung des Schnees, wird weniger effizient und muss erneuert werden. "Es ist aber sehr strapazierfähig", sagt Klimaexperte Olefs.
Immer größere Flächen
Vlies einzusetzen, um die Gletscherschmelze auf nicht-bewirtschafteten Flächen aufzuhalten, hat sich bisher als wenig sinnvoll gezeigt: Für die Anbringung braucht man Hubschrauber, die wiederum Treibstoff und Emissionen verbrauchen. Und die Flächen, die man abdecken müsste, werden immer größer. "Während lokale Eingriffe effizient und profitabel sein können, zeigt eine hypothetische Anwendung in größerem Maßstab, dass die Rettung der Alpengletscher durch technische Lösungen weder realisierbar noch bezahlbar ist", heißt es in dem Artikel "Quantifizierung des Gesamteffekts der künstlichen Gletscherschmelzreduktion in der Schweiz, 2005-2019" der wissenschaftlichen Online-Datenbank ScienceDirect.
Und für den Wintersport stellt sich die Frage, wie lange sich ein Schneeband bei steigenden Temperaturen hält - je wärmer es ist, umso schneller schmilzt auch der aufbewahrte Schnee.