"Das Umfeld muss stimmen"
Qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen, ist eine Sache, sie zu halten, eine andere. Am Ende braucht es Strategien für beide Seiten der Medaille, hat eine Mini-Umfrage von APA-Science ergeben.
Ausgangspunkt war eine einzige Frage, die an Verantwortliche in Human Resources oder Geschäftsführung ergangen ist: Wie macht sich der Wettbewerb um die besten Köpfe in Ihrer Organisation bzw. Ihrem Unternehmen bemerkbar, und welche Strategien verfolgen Sie, um gegen die Konkurrenz zu bestehen?
Flexible und familienfreundliche Karrieremodelle, interne Aus- und Weiterbildungsprogramme, Teleworking, die Möglichkeit, unkonventionelle Wege zu beschreiten oder eine transparente "Speak-up-Kultur" - das sind nur einige der Möglichkeiten, die genannt wurden, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren.
Julia Studencki, Prokuristin, Head of Controlling & Human Resources bei ACIB
Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (ACIB) sieht sich in seiner Brückenfunktion zwischen Wissenschaft und Industrie als Karriere-Schmiede am internationalen Biotechnologiemarkt. Obwohl der Zugang zu den besten Köpfen in der Biotechnologie durch unsere enge wissenschaftliche Zusammenarbeit mit führenden österreichischen Universitäten weitgehend abgedeckt ist, ist der internationale Wettbewerb um herausragende "Young Talents" spürbar. Um daher international als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, ist es entscheidend, gezielt auf Young Talents zuzugehen und ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entfalten können, motiviert bleiben und sich wohl fühlen. Dazu betreiben wir Active Sourcing innerhalb unseres internationalen Netzwerkes, fördern verstärkt Mosaik-Karrieren und setzen auf Empfehlungsmarketing nach dem Motto "De-recruiting ist Re-recruiting". Um die nächste Generation an Spitzenkräften für eine Bandbreite an Top-Positionen vorzubereiten, haben wir unser internes Aus- und Weiterbildungsprogramm "ecib - excellent career in industrial biotechnology" initiiert. Darin steht die Vermittlung von industrierelevantem Know-how im Vordergrund. Damit junge Talente bestmöglich ihr innovatives Potenzial entfalten können, bieten wir zudem flexible Arbeitszeitgestaltung inklusive familienfreundlicher Karrieremodelle und moderner Telearbeit sowie mehr Diversität durch Schließung des Gender-Gap und flache Hierarchien.
Markus Tomaschitz, Vice President Human Resources AVL
Der Fachkräftemangel wird uns noch sehr lange begleiten; dieser ist die Folge demografischer Entwicklungen und einer größer werdenden Schere zwischen nachgefragten Qualifikationsbedürfnissen seitens der Unternehmen (etwa im MINT-Bereich) und der Akzeptanz von Ausbildungswegen und den Vorlieben der jungen Generation. Um potenzielle Mitarbeiter möglichst früh an uns zu binden, ist ein enger Kontakt zu Schulen, Fachhochschulen und Universitäten erforderlich. Darüber hinaus gibt es intensive und langjährige Kooperationen von AVL mit zahlreichen Universitäten und Forschungsinstituten weltweit. Aufgrund des hohen Bekanntheitsgrades von AVL als attraktives Entwicklungsunternehmen, das zukunftsweisende Produkte und Dienstleistungen anbietet, sind wir für viele Ingenieure interessant. Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bietet AVL ein Umfeld, in dem kreatives Denken und Handeln gefördert und das Beschreiten neuer, unkonventioneller Wege ermöglicht wird. AVL investiert in die Entwicklung ihrer Mitarbeiter, in die Mitarbeiterbindung, in ein generationengerechtes Management und Führungsverständnis (z.B. länger arbeiten auch nach dem Pensionsantrittsalter) und in ein aktives Employer Branding und Recruiting. Eine Bestätigung für die vielen Initiativen zur Hebung der Mitarbeiterzufriedenheit und Stärkung der Marke AVL am Arbeitsmarkt ist auch die Auszeichnung durch Randstad Employer Branding Research, die AVL in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge zum attraktivsten Arbeitgeber Österreichs kürte.
Bernhard Erkinger, Leiter Mitarbeitergewinnung bei Blum
Die aktuellen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt spüren wir bei Blum natürlich auch. Wir suchen stets qualifizierte Fachkräfte und sind damit in Vorarlberg nicht allein. Es gibt offene Stellen im Unternehmen, die wir über einen längeren Zeitraum nicht besetzen können. Insgesamt steigt - im Vergleich zu früher - der Aufwand für jede Stellenbesetzung. Dennoch sehen wir unsere Mitbewerber auf dem Arbeitsmarkt nicht als Konkurrenten, sondern suchen den Kontakt. In Zukunft wollen wir uns gegenseitig vermehrt unterstützen, um die richtigen Bewerberinnen und Bewerber zu erreichen. In einer unternehmensübergreifenden Kooperation machen wir uns für den Wirtschaftsstandort Vorarlberg stark, um Menschen aus anderen Ländern für die Bodenseeregion zu begeistern. Durch unser breites Ausbildungsprogramm können wir unseren Bedarf an Fachkräften besser abdecken. Daher haben wir das Angebot der Lehrberufe ausgeweitet. In regelmäßigen Aktionen, zusammen mit anderen Unternehmen, wollen wir Kinder und Jugendliche für Technik, IT und andere Bereiche begeistern. Außerdem schaffen wir neue betriebliche Rahmenbedingungen und passen sie an die aktuellen Bedürfnisse der Menschen in unserem Unternehmen und an die sich ändernde Arbeitswelt an.
Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende Infineon Technologies Austria
Eines ist unumstritten, der Fachkräftemangel ist mittlerweile für die Wirtschaft wachstumslimitierend. Die Digitalisierung verstärkt diesen Bedarf, wiewohl sie durch höhere Effizienz in den Prozessen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch entlastet. Wir bei Infineon sind überzeugt, dass Ausbildungswege in Naturwissenschaften und Technik interessante Karrierewege eröffnen. Daher setzen wir seit Jahren Maßnahmen, um Menschen für Technik zu begeistern. Dabei zählen hochinnovative Aufgabengebiete plus ein attraktives Umfeld. Infineon arbeitet an den großen gesellschaftlichen Trends wie Mobilität, Energieeffizienz, Sicherheit und dem Internet der Dinge. Dafür entwickeln wir neue Jobprofile und setzen massiv auf Aus- und Weiterbildung. Wir sind bei Forschungskooperationen, Start-ups, in der Maker-Community und MINT-Initiativen aktiv. Mit der Beteiligung an Stiftungsprofessuren, Master- sowie Doktorats-Programmen, einem "Infineon Hub" an der TU Wien sowie den Summer und Winter Schools besteht eine breite Andockstelle, um Technik-Talente, speziell auch Frauen, von uns zu überzeugen. Aber es braucht auch verstärkt gesellschaftspolitische Hebel: sei es das Aufbrechen von Rollenklischees, das Begeistern für Technik ab dem Kleinkindalter oder neue Didaktik-Ansätze an (Hoch)Schulen. Auch das Umfeld muss stimmen: Wir sehen Diversität als Erfolgsfaktor, bieten z.B. einen internationalen Kindergarten sowie eine Schule, flexible Arbeitszeitmodelle, Teleworking und unterstützen bei der Ansiedelung. Denn im globalen "Match" um Fachkräfte zählt das Gesamtpaket.
Michael Kocher, Novartis Country President Österreich
Als eines der führenden Gesundheitsunternehmen sind wir sehr stark innovationsgetrieben. Schon deswegen sind wir laufend auf der Suche nach den besten Köpfen. Um diese nachhaltig an sich zu binden, muss das Gesamtpaket für beide Seiten passen. Was das im Detail bedeutet, ist abhängig von individuellen Ansprüchen und der vorherrschenden Unternehmenskultur. Wir bei Novartis legen größten Wert auf flache Hierarchien und eine Kultur, geleitet von Neugier, Innovation und Begeisterung. Das hilft uns entscheidend bei der Suche nach den besten Talenten. Diese gilt es schließlich auch entsprechend zu fördern und zu entwickeln. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Potenzial dahinter sich auch vollends entfalten kann. Mit unserem vielfältigen Arbeitsumfeld, geprägt von einer offenen und transparenten Speak-up Kultur, bieten wir dafür einen optimalen Rahmen. Entscheidend ist für uns letztlich immer die Frage nach dem "Warum". In der Antwort darauf liegt die Voraussetzung zur Erbringung außerordentlicher Leistungen und nachhaltig erfolgreichem Handeln. Dynamische Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten, flexible Arbeitsumgebungen und Arbeitszeiten (Novartis bietet etwa als eines der ersten Unternehmen die Möglichkeit gleicher Karenzzeit für junge Eltern) sowie leistungsorientierte Bezahlungssysteme werden damit zur Selbstverständlichkeit, wenn es darum geht, die besten Köpfe für Novartis zu gewinnen.
Thomas Kickinger, Geschäftsführer der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES)
Für die AGES ist die Beteiligung am "War for Talents" ein Gebot der Notwendigkeit: Nur wenn es gelingt, die benötigten Qualifikationen, vor allem im technisch/naturwissenschaftlichen Bereich, ins Unternehmen zu holen, kann der Erfolg nachhaltig gesichert werden. Der Aufbau notwendiger Qualifikationen im Haus ist die Basis für das Anwerben neuer Talente. Die AGES investiert jedes Jahr rund eine Million Euro in die Personalentwicklung. Neben einem breiten Angebot an Maßnahmen wird auch auf modernste digitale Möglichkeiten gesetzt, um Lernen attraktiver, zielgenauer und einfach zugänglich zu machen. Diese starke Personalentwicklung führt zu einer höheren Attraktivität der AGES als Arbeitgeber. Durch breite Entwicklungs- und Karrierealternativen und Arbeitgeberloyalität wachsen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit dem Unternehmen mit, anstatt abzuwandern. Ihre Zufriedenheit wiederum erhöht die Anziehungskraft für neue Talente. Hier nähert sich das Personalmanagement der klassischen Werbung: Mit einer "Candidate Journey", die beim Aufbau der Arbeitgebermarke beginnt und auf Talente-Netzwerke ("follower") setzt, wird der benötigte Nachwuchs direkt angesprochen. Wie in der Werbung gilt es, die Wünsche und Bedürfnisse seiner Zielgruppe genau zu kennen und damit das Angebot auf die Millennials passgenau zuzuschneiden. Und wenn die wichtigste Arbeitsmotivation der Generation Y ist, "Sinn in der Arbeit" zu finden - dann zeigt die Top-Bewertung von 85 Prozent bei Personal-Befragungen, dass die AGES beim "War for Talents" ganz vorne mitspielt.