Mit Innovation den Klimawandel meistern
Der Klimawandel hält Politik und Wirtschaft auf Trab. Kann mehr Innovation die Lösung sein? Innovation soll die Emissionen stark reduzieren und das Wachstum in eine Umwelt schonende Richtung lenken. Aber es ist schwer, die Richtung der Innovation zu ändern und das gesammelte Knowhow der Vergangenheit in grossen Teilen abzuschreiben. Um diese Trägheit zu überwinden und einen nachhaltigen Paradigmenwechsel einzuleiten, braucht es anfänglich kräftige Massnahmen: nicht nur hohe CO2 Steuern und Preise für den Emissionshandel, sondern auch starke Investitionen in die Grundlagenforschung und in private F&E-Förderung grüner Technologien. Christian Keuschnigg, Herausgeber.
Quelle: Aghion, Philippe, Antoine Dechezleprêtre, David Hémous, Ralf Martin und John Van Reenen (2016), Carbon Taxes, Path Dependency and Directed Technical Change: Evidence from the Auto Industry, Journal of Political Economy 124(1), 1-51.
Treibhausgasemissionen, insbesondere CO2 Emissionen, sind für die globale Erwärmung verantwortlich. Wollen wir die Erderwärmung reduzieren, müssen wir unseren CO2-Ausstoss stark beschränken. Wie soll das geschehen? Die Politik muss eine tragende Rolle spielen, da sind sich alle einig. Doch welche wirtschaftspolitischen Massnahmen besonders effektiv sind, ist deutlich weniger trivial.
Nach Ansicht führender Ökonomen sollte die Politik mehr auf Innovation setzen. Mit neuen Technologien werden Lösungen möglich, die Emissionen stark zu reduzieren, ohne den Wohlstand zu sehr einzuschränken. Ein gutes Beispiel bietet die Automobil-Industrie, die 2009 für 16.5 Prozent der globalen CO2 Emissionen verantwortlich war. Mit Innovation kann es gelingen, Diesel- und Benzinmotoren durch emissionsarme Technologien zu ersetzen.
Kann die Politik diese Entwicklung beschleunigen? Mit dieser Frage beschäftigen sich die Ökonomen Philippe Aghion, David Hémous, Ralf Martin und John Van Reenen der Universitäten Harvard, LSE und INSEAD. In ihrer Studie untersuchen sie, welche Faktoren ein Unternehmen dazu bringen, die Weiterentwicklung "schmutziger" Technologien zu reduzieren, und stattdessen in "grüne" Innovationen zu investieren. Hierzu nutzen sie Patentdaten der Automobil-Industrie. Sie werten die hochwertigen "triadischen" Patente aus, die gleichzeitig bei den drei grössten Patent-Behörden angemeldet werden und in der EU, den USA und in Japan geschützt sind. Die Forscher können jedem Patent den Patent-Besitzer und die Region der Patent-Entwicklung zuordnen. Sie unterscheiden zwischen "schmutzigen" und "grünen" Innovationen. "Schmutzige" Innovationen sind Patente für Verbrennungsmotoren. "Grüne" Innovationen betreffen Elektro-, Hybrid- oder Wasserstoffmotoren. Insgesamt deckt der Datensatz 6'419 grüne Patente, 18'652 schmutzige Patente und 3'432 Patentbesitzer über den Zeitraum von 1978 bis 2005 ab.
Abbildung 1 zeigt die jährlichen Anmeldungen von grünen und schmutzigen Patenten. Die Anzahl der angemeldeten Patente steigt seit den 80er Jahren markant an. Vor allem nimmt der Anteil grüner Patente überdurchschnittlich stark zu. In den 80er Jahren betrug der Anteil grüner Patente, die jährlich eingereicht wurden, nur 10 Prozent der schmutzigen Patente. Im Jahr 2005 dagegen waren es schon 60 Prozent. Woran liegt das?
Ein Grund für den steigenden Anteil grüner Patente sind die Kraftstoffpreise, die seit den 90er Jahren stark gestiegen sind. Mit steigenden Preisen werden kraftstoffsparende und damit emissionsarme Lösungen immer dringlicher. Grüne Innovationen werden profitabler. Die Autoren schätzen anhand ihrer Daten, dass 10 Prozent höhere Kraftstoffpreise zu 10 Prozent mehr grünen Patenten in der Automobilindustrie führen. Gleichzeitig sinken die schmutzigen Patente um 6 Prozent. Eine Erhöhung der Kraftstoffpreise lenkt also den technologischen Wandel weg von schmutzigen und hin zu grünen Innovationen.
Steigen die Kraftstoffpreise, investieren die Unternehmen mehr in "grüne" und weniger in "schmutzige" Innovation. 10 Prozent höhere Preise führen zu 10 Prozent mehr "grünen" Patenten.
Reichen höhere Kraftstoffpreise aus, um die Richtung des technologischen Wandels zu ändern? Nicht wirklich. Die Unternehmen haben in der Vergangenheit viel spezifisches Knowhow aufgebaut. Daher ist es schwer, die Richtung der Innovation zu ändern. Die Wissenschaftler zeigen, dass Unternehmen, die in der Vergangenheit hauptsächlich schmutzige Patente angemeldet haben, mit einer um viermal höheren Wahrscheinlichkeit auch künftig schmutzige Patente auf den Markt bringen, anstatt in grüne Lösungen zu investieren. Das Gleiche gilt auch für grüne Innovation. Hat ein Unternehmen in der Vergangenheit schon viele grüne Patente entwickelt, dann wird es sehr wahrscheinlich diesen Innovationspfad auch in Zukunft fortsetzen.
Wenn eine Firma in der Vergangenheit grüne Technologien entwickelt hat, wird sie auch in Zukunft eher auf grüne Innovationen setzen. Das gleiche gilt für schmutzige Innovation.
Nicht nur die eigene Vergangenheit eines Unternehmens beeinflusst seine Innovationsentscheidungen. Die Autoren zeigen auch, dass es innerhalb einer Region zu Wissensübertragungen zwischen Unternehmen kommt. Um solche Wissensübertragungen nachzuweisen, bestimmen die Forscher für jedes Land, jedes Unternehmen und jedes Jahr ein grünes "Wissens-Kapital" als Mass für das angesammelte Knowhow. Das grüne Wissens-Kapital einer Firma setzt sich aus der Anzahl grüner Patente zusammen, die die Firma angemeldet hat. Ältere Patente werden weniger stark gewichtet als neuere Patente. Das Wissens-Kapital jedes Unternehmens wird dann den Ländern zugeordnet, in denen die "Erfinder" angestellt sind, die das Patent entwickelt haben. Damit können die Autoren zeigen, wie die Erfinder von ihren Kollegen in der eigenen Region beeinflusst werden. Wenn ein Erfinder in einem Land arbeitet, in dem viele grüne Patente entwickelt wurden, wird dieser Erfinder ebenfalls eher an grünen Innovationen forschen. Eine Firma, dessen Erfinder sich in einem Land mit einem 10 Prozent höheren grünen Wissens-Kapital befinden, hat eine um 2.7 Prozent höhere Chance, ein grünes Patent auf den Markt zu bringen.
Wenn in einem Land bereits viele grüne Patente entwickelt wurden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass lokale Firmen weitere grüne Patente entwickeln. Wenn das grüne Wissens-Kapital um 10 Prozent steigt, nimmt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Firma ein grünes Patent anmeldet, um 2.7 Prozent zu.
Die Volkwirtschaften weisen also eine gewisse "Pfadabhängigkeit" auf. Wenn ein Land oder ein Unternehmen in der Vergangenheit viel schmutzige Innovation betrieben hat, ist es angesichts der gesammelten Erfahrungen wahrscheinlich, dass die Forschung weiterhin auf schmutzige Technologien fokussiert. Das macht es schwer, die technologische Entwicklung in eine grüne Richtung zu steuern. Solange das schmutzige Wissens-Kapital grösser ist als das grüne, fliessen eher mehr Ressourcen in die Entwicklung von schmutzigen Innovationen. Aber wenn in einem Land das grüne Wissens-Kapitel das schmutzige überholt, bekommt die Pfadabhängigkeit plötzlich eine positiv verstärkende, klimaschützende Wirkung. Dann fliessen in Zukunft immer mehr Ressourcen in Richtung grüne Innovationen, was die Entwicklung von grünen Technologien beschleunigt.
Das wirft für Aghion und seine Co-Autoren die Frage auf: Wie kann die Politik bewirken, dass der Bestand an grünem Knowhow das schmutzige Wissens-Kapital überholt? Die Forscher haben bereits gezeigt, dass höhere Kraftstoffpreise mehr grüne Innovationen in der Automobilbranche hervorrufen. Wie sehr müsste man die Kraftstoffpreise erhöhen, damit das grüne Wissens-Kapital das schmutzige einholt? Anhand einer Simulation zeigen die Forscher: Belässt man die Kraftstoffpreise konstant auf dem Niveau von 2005, dann werden grüne Innovationen mehrere Jahrzehnte brauchen, um das Niveau der schmutzigen Innovationen zu erreichen. Man bräuchte im Jahr 2005 eine Erhöhung der Kraftstoffpreise um 40 Prozent, um die Entwicklung grüner Technologien stark zu beschleunigen und den Bestand an schmutzigem Knowhow schon im Jahr 2020 zu überholen. Erhöht man die Kraftstoffpreise nur um 20 Prozent, überholt das grüne Wissens-Kapital das schmutzige erst im Jahr 2028.
Es bräuchte eine Erhöhung der Kraftstoffpreise um 40 Prozent (relativ zu Preisen von 2005), um den Aufbau von grünem Knowhow zu beschleunigen und das schmutzige Wissens-Kapital innerhalb von 15 Jahren zu überholen. Erhöht man die Kraftstoffpreise nur um 20 Prozent, dauert es 8 Jahre länger.
Am Beispiel der Automobil-Industrie konnten die Forscher zeigen, dass die technologische Entwicklung eine hohe Pfadabhängigkeit aufweist. Derzeit überwiegt noch der Bestand des Wissens und die Innovation in schmutzigen Technologien. Es besteht die Gefahr, dass sich die technologische Entwicklung wegen ihrer Pfadabhängigkeit festfährt. Die Innovation bleibt in schmutzigen Technologien verhaftet, weil es viel spezifisches Knowhow gibt, und der CO2 Ausstoss bleibt hoch. Auch mit niedrigen CO2 Steuern wird das noch lange so bleiben. Es bräuchte effektive und drastische Massnahmen, wie z.B. starke Subventionen für die Forschung und Entwicklung grüner Technologien und hohe CO2 Steuern, um die Pfadabhängigkeit zu überwinden und die Richtung der Innovation zu ändern. Erst wenn es gelingt, die Bildung von grünem Knowhow zu beschleunigen und das schmutzige Wissens-Kapital zu überholen, wird die Erforschung und Entwicklung grüner Technologien zu einem sich selbst verstärkenden Prozess. Dann können auch die politischen Massnahmen wieder reduziert werden. Die Forscher argumentieren, dass die Politik zeitnah zu starken Massnahmen greifen sollte, um die Entwicklung grüner Technologien zu beschleunigen und die Innovation in eine neue, umweltschonende Richtung zu lenken.
Autorin:
Cara STROMEYER
Universität St. Gallen
Master in Quantitative Economics and Finance (MiQEF)
cara.stromeyer@student.unisg.ch
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