Schlaf gut? Wenn aus dem Schlaf eine Störung wird
Tiefschlaf, Albträume, Sekundenschlaf, Schlafmangel - Schlaf ist nicht gleich Schlaf. APA-Science hat sich informiert, wie die Architektur des Schlafes aufgebaut ist und was passiert, wenn der nächtliche Erholungsmechanismus gestört ist.
Tod und Schlaf, das ungleiche Brüderpaar. "Schlafende und Tote sind nur Gemälde", zieht zwar Shakespeare in Hamlet einen optischen Vergleich zwischen den beiden, dennoch waren Geschwister selten so verschieden, möchte man meinen, denn: Während sich bei einer Leiche außer dem Zerfall nicht mehr viel tut, ist der Schlafende nur äußerlich ruhig, innerlich durchläuft er (nach Richtlinien der American Academy of Sleep Medicine) vier Phasen; die drei Non-REM-Stadien N1 (transienter Leichtschlaf), N2 (stabiler Leichtschlaf; in ihm verbringen wir rund die Hälfte der Nacht), N3 (Tiefschlaf) sowie ein REM-Stadium. REM-Schlaf (Rapid Eye Movement, dt.: schnelle Augenbewegungen) oder auch Traumschlaf zeichnet sich dadurch aus, dass die Gehirnaktivität ähnlich ist wie im wachen Zustand, während bei den drei Non-REM-Stadien langsame Wellenbewegungen im Gehirn vorherrschen. Die vier Stadien werden im Schlaf vier bis sieben Mal durchlaufen, je nachdem, wie lange unsere nächtliche Pause dauert.
Gesteuert wird die Wechselbeziehung von Schlaf und Wachsein vom zirkadianen Rhythmus - einer inneren Uhr, die eine Periodenlänge von ungefähr 24 Stunden aufweist und Einfluss auf den Organismus hat. Diese innere Uhr ticke unterschiedlich, erklärt Gerhard Klösch, Schlaf- und Traumforscher an der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Wien im Interview mit APA-Science (siehe "Wer besser schläft, ist später tot"). "Das ist auch sinnvoll. Wenn sie genau im 24-Stunden-Rhythmus takten würde, hätten wir Probleme mit der Verlängerung der Hell-Dunkel-Verhältnisse durch die Jahreszeiten. Wir brauchen Zeitinformationen von außen (damit meinen wir vor allem Lichtverhältnisse), die dem Organismus helfen, seinen biologischen Rhythmus an die Umgebungsverhältnisse anzupassen."
Ein Schaf, zwei Schafe, ... der Kampf mit dem Schlaf
Was aber, wenn es mit dem Schlafen nicht ganz so reibungslos funktioniert? Schafe-Zählen hilft in den wenigsten Fällen. Kein Wunder, gibt es doch weit mehr als eine Schlafstörung. Wie viele es genau sind, lässt sich schwer sagen. Die Anzahl ist abhängig von der Definition und dem Verständnis und steigt weiter an, je mehr man darüber weiß. Nach neuesten Erkenntnissen sind es über hundert. "Das Wissen diesbezüglich explodiert", erklärt Schlafmediziner Bernd Saletu im Gespräch mit APA-Science, "weil immer neue [Störungen] dazukommen." Betroffen davon ist ungefähr ein Viertel der Bevölkerung.
Zur Einteilung von Schlafstörungen gibt es unterschiedliche Klassifikationssysteme. Die International Classification of Disorders der Weltgesundheitsorganisation WHO unterteilt Schlafstörungen zunächst einmal in organische (also jene, deren Ursache im eigenen Körper liegt) und nichtorganische. Diese können weiter unterteilt werden in Insomnien (Ein- oder Durchschlafstörungen), Hypersomnien (ein Zuviel an Schlaf), Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen und Parasomnien (also Funktionsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten während des Schlafes, wie beispielsweise Schlafwandeln oder Alpträume). Die wichtigsten organischen Schlafstörungen sind Ein- und Durchschlafstörungen, Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus sowie Schlafapnoe (Atemstörungen während des Schlafes). Insomnien, Hypersomnien, etc. gibt es auch bei den organischen Schlafstörungen.
Oft in Kombination mit anderen Krankheiten
Das Verhältnis der beiden Hauptgruppen zueinander beträgt ungefähr (je nach Definition) 30 Prozent organische Schlafstörungen zu 70 Prozent nichtorganische Schlafstörungen. Saletu, ehemaliger Leiter der Universitätsklinik für Psychiatrie der Medizinischen Universität Wien und Leiter des Schlaflabors im Rudolfinerhaus Wien, weiß: Während primäre Insomnien, also Schlafstörungen, die ohne Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) vorkommen, nur zwischen zehn und 15 Prozent der nichtorganischen Schlafstörungen ausmachen, sind es bei den sekundären, also mit anderen Krankheitsbildern assoziierten Insomnien weit mehr.
Diese komorbiden Insomnien können wiederum in drei große Gruppen geteilt werden: Etwa die Hälfte der Schlafstörungen entfällt auf Insomnien in Kombination mit Angststörungen, mehr als 30 Prozent auf Störungen, die mit Depressionen einhergehen, und ein weiterer Teil auf Schlafstörungen in Kombination mit Substanzmissbrauch. In Österreich spielen hier vor allem der Alkohol und andere abhängig machende Substanzen wie Opiate oder Kokain eine Rolle, betont Saletu, in anderen Kulturkreisen sei das aber durchaus anders.
Schnarch, Kindlein, schnarch
Hypersomnien (die sowohl bei den organischen als auch bei den nichtorganischen Schlafstörungen vorkommen) werden von Betroffenen als besonders belastend wahrgenommen. Die im allgemeinen Sprachgebrauch als Schlafsucht bezeichnete Störung zeichnet sich durch eine gesteigerte Tagesmüdigkeit aus. Im schlimmsten Fall kann diese Störung sehr gefährlich sein - beispielsweise, wenn die Müdigkeit einen Sekundenschlaf beim Autofahren bedingt.
Bei den organischen Schlafstörungen sei das Schnarchen noch wichtiger als die Apnoe, also die schlafbezogene Atemstörung, führt der Experte aus. Hier sind besonders Männer betroffen. "Schnarchen fällt der Bevölkerung als erstes ein", weil es sich besonders deutlich äußert. Für den Körper sei Schnarchen kein Problem, gefährlich sei es vielmehr im sozialen Kontext, wenn Partner infolge in getrennten Betten schlafen, weil der Lärm als zu störend empfunden wird. Das kann wiederum eine psychosoziale Störung zur Folge haben.
Die schlafbezogenen Atemstörungen lassen sich erneut unterteilen, in obstruktive, zentrale, und gemischte. Und so weiter und so fort, was die Klassifizierung, Diagnose und Behandlung erschwert.
Wenn Schafe-Zählen nicht mehr hilft
Die Therapie der Schlafstörungen steht laut Saletu auf drei Säulen: psychotherapeutische Verfahren wie aufklärende Gespräche, Entspannungstherapien, Verhaltenstherapien, etc.; somatische Therapien (das umfasst beispielsweise den Einsatz von Schnarchschienen oder operative Eingriffe zur Straffung des Gaumensegels); sowie medikamentöse Therapien. "Es gibt nicht nur eine Schlaftablette, sondern viele", betont der Experte die Vielfalt dieser Therapien. Unterschiedliche Arzneimittelklassen wirken sich auf verschiedene Art und Weise auf den Schlaf aus; während manche den Tiefschlaf verlängern, verkürzen ihn andere.
"Schlafstörungen sind eine unheimlich wichtige Klasse von Störungen", so der Schlafmediziner, "die unterschiedliche Bevölkerungsschichten unterschiedlichen Alters und Geschlechts betreffen."
Damit es erst gar nicht so weit kommt, solle man die "zehn Gebote" beachten:
Erstens, du sollst deinen täglichen Schlafbedarf decken.
Zweitens, du sollst einen regelmäßigen Schlafrhythmus haben.
Drittens, du sollst für die Bequemlichkeit deiner Schlafstätte sorgen - dieser Punkt werde besonders von der Betten- und Matratzen-Industrie unterstützt.
Viertens, du sollst deine Schlafumgebung so angenehm wie möglich gestalten: Hier spielen Licht, Lärm und Temperatur eine große Rolle.
Fünftens, du sollst auf deine Ernährung achten. Einerseits solle man keine späten, schweren Mahlzeiten zu sich nehmen, andererseits sollte Übergewicht vermieden werden, da die dadurch verengten Atemwege große Auswirkungen auf schlafbezogene Atmungsstörungen haben.
Sechstens, du sollst vor dem Schlafengehen keine schlafstörenden Substanzen zu dir nehmen. Das betreffe Tabak genauso wie Alkohol, aber auch stimulierende Getränke wie Coca Cola.
Siebtens, du sollst Stress vermeiden.
Achtens, du solltest Aktivierungen vor dem Schlafengehen meiden. Anstrengendes Training sollte beispielsweise vermieden werden, da dabei Stresshormone ausgeschüttet werden.
Neuntens, du sollst während des Tages wach sein. "Das ist vor allem für die alternde Bevölkerung ein wichtiger Punkt", so Saletu. "Wir sind ja eine zunehmend älter werdende Bevölkerung, und wer untertags die Wachheit mit Schläfchen unterbricht, hat den Schlafdruck am Abend nicht, der zusammen mit dem Schlaf-Wach-Rhythmus die Zeit bestimmt, zu der man einschlafen kann."
Zehntens, du sollst zum Arzt gehen, wenn du drei Mal pro Woche länger als einen Monat schlecht schläfst. "Ein Punkt, der bei der Bevölkerung auf immer größere Akzeptanz stößt. Bei Schlafstörungen hätte früher keiner daran gedacht, zum Arzt zu gehen", so Saletu.
"Wie bei allen anderen Dingen auch, ist Schlaf neben der biologischen Notwendigkeit ein Verhalten, das ich gelernt habe", betont Klösch. "Wir müssen auf uns und unser Schlafbedürfnis hören."
Von Anna Riedler / APA-Science