Potentiale der überörtlichen Raumplanung verstärkt nutzen!
Die aktuelle Diskussion zur Verlagerung der örtlichen Raumplanungskompetenzen auf Landesebene lässt leicht vergessen, dass die Länder schon derzeit alle wesentlichen Instrumente in der Hand haben, um für eine landesweit flächensparende und klimaschonende Raumplanung zu sorgen.
Simone Unterüberbacher, Studentin an der TU Graz, hat sich mit den Zuständigkeiten und Regelungsinhalten der verschiedenen Raumplanungsinstrumente näher beschäftigt und erläutert, dass das Land Steiermark mit dem Raumordnungsgesetz sowohl inhaltlich wie verfahrenstechnisch die rechtlichen Grundlagen für die Raumplanung in der Steiermark vorgibt. Hinzu kommt das rechtsverbindliche Landesentwicklungsprogramm, vier verbindliche Sachbereichsprogramme und sieben weitere, ebenfalls verbindliche Regionale Entwicklungsprogramme. Zudem ist die Steiermärkische Landesregierung schon derzeit für die Genehmigung aller örtlichen Entwicklungskonzepte und Flächenwidmungspläne der steirischen Gemeinden zuständig und auch kontrollierende Aufsichtsbehörde.
„Die Handlungserfordernisse und Optimierungspotentiale der Raumplanung in der Steiermark liegen also primär beim Land bzw. der Landespolitik selbst“, so die Lehrveranstaltungsleiterin Maria Baumgartner. Beginnen müsste man schon bei der Neudefinition von „Zersiedelung“ in § 2 Abs. 1 Z 40 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes, die aktuell die „geplante“ Zersiedelung ausnimmt. Carina Mazelle, Architekturstudentin an der TU Graz, fordert weiters verbindliche und überprüfbare Kriterien für die Raumordnungsgrundsätze sowie deren Evaluation.
"Die Steiermark hatte 2020 mit 10,2 km2 pro Jahr von allen Bundesländern den größten jährlichen Flächenneuverbrauch", so die Studentin Julia Meier. Der laut Bundesregierung bis 2030 angestrebte Wert liegt bei max. 1 m2/Einwohner*in/Jahr (9 km2 österreichweit/Jahr), das erfordert steiermarkweit bei aktuell 1,25 Mio. Steirer*innen eine Reduktion der Flächenneuinanspruchnahme auf 1,25 km2/Jahr, also ca. 8 x weniger als bisher. "Die Vorgabe von max. 1 m2/EW/Jahr an Flächenneuinanspruchnahme ließe sich mit einer entsprechenden verbindlichen Zielvorgabe im Landesentwicklungsprogramm auf Gemeindeebene rasch umsetzen, ein interkommunaler Ausgleich/Abtausch bei Engpässen könnte ermöglicht werden", so Baumgartner.
Lange schon in der Kritik stehen von Landesverwaltungsseite selbst zudem die Auffüllungsgebietsregelungen, die Freilandbaubeschränkungen aufweichen. Auch das Sachprogramm zur hochwassersicheren Entwicklung der Siedlungsräume ist mit der Auflistung von zulässigen Baulandausweisungen in Überflutungsgebieten mehr Hemmschuh als Hilfe bei der Freihaltung von hochwassergefährdeten Gebieten und sollte einer stringenteren Regelung weichen. „Jede zusätzliche Versiegelung verstärkt zudem die Auswirkungen des Klimawandels und erhöht die Hochwassergefährdung“, so Carola Hilgert, Studentin aus Nordrheinwestfalen, deren Heimatstadt Stolberg letztes Jahr 2,5 m unter Wasser stand. Neben der Freihaltung der Abflussräume ist daher ein flächendeckendes retentionsneutrales Bauen erforderlich. Auch das könnte als landesweite Zielvorgabe entweder direkt im Raumordnungsgesetz oder im Landesentwicklungsprogramm verankert werden.
Zu den brennendsten Themen zählen weiters die bislang unsanktionierten Immissionsüberschreitungen auf Landesstraßen. Diese haben mit der damit einhergehenden „Flucht vor der Straße“ auch gravierende Folgen für die Siedlungsentwicklung, so der Architekturstudent Moritz Zachhuber. Er fordert daher innerörtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen auf zumindest 30 km/h und Begegnungszonen für Landesstraßen im Ortsgebiet. „Hier kann das Land Vorbildfunktion zeigen“, so Zachhuber.
Die Ausarbeitungen der Studierenden im Rahmen der Lehrveranstaltung zeigen, dass sich bei kluger Nutzung der bestehenden Instrumente der notwendige Wandel in der Raumplanung rasch umsetzen ließe.
Rückfragehinweis: DI Maria Baumgartner Lehrbeauftragte 145 | Institut für Städtebau Fakultät für Architektur Technische Universität Graz Rechbauerstraße 12/II, 8010 Graz T: +43 699 10297851 maria.baumgartner@tugraz.at