"Wissenschaftskommunikation, Batterien aufladen und Digitalisierung"
Gastbeitrag --- Für mich hat sich der Forschungsalltag während der Pandemie sehr stark verändert und auch die momentane Situation ist nicht mehr mit der Situation vor der Pandemie vergleichbar. Wir hatten während der Pandemie extrem viel zu tun. Gerade im ersten Jahr gab es viele Wochen, in denen etwa 100 Stunden pro Woche gearbeitet wurde. 14 Stunden Arbeit pro Tag und manchmal mehr waren die Regel.
Einerseits hat das gezeigt, wie viel man weiterbringen kann, wenn man nur will und sich reinhängt. Andererseits kann das natürlich nicht lange gut gehen. Ich habe im zweiten Pandemiejahr dann angefangen, mir bewusst (Wochenend-)Tage freizunehmen und eben zumindest einmal im Monat einen ganzen Tag komplett abzuschalten - oft beim Wandern oder Angeln am Atlantik. Mittlerweile nehme ich mir auch mehr Urlaub und versuche einige Wochenendtage im Monat arbeitsfrei zu halten. Da ich ja seit März 2024 auch ein Labor an der Medizinischen Universität Wien habe, aber mein Labor in New York weiterführe, arbeite ich nach wie vor sehr viel. Ich lade aber bewusst meine Batterien immer wieder auf, indem ich mir eben auch mal frei nehme.
Was sich auch geändert hat, ist meine Einstellung zur Wissenschaftskommunikation. Ich fand es immer schon wichtig, die Bevölkerung in die Wissenschaft miteinzubeziehen und wissenschaftliche Erkenntnisse auch zu kommunizieren. Aber vor der Pandemie habe ich mich hier eigentlich wenig engagiert. Als es dann zur Pandemie kam, hatte ich keine Wahl. Gerade in den USA bekam die Öffentlichkeit unter "Trump 1" recht wenige Informationen. Und da bin ich, wie viele andere meiner US-Kolleginnen und -Kollegen, miteingesprungen. Wir haben, was wir wussten - und dann auch unsere Forschungsresultate und Einschätzungen - über soziale Medien, aber auch klassische Medien geteilt. Das war anfangs ein Sprung ins kalte Wasser. Aber es hat mir gezeigt, wie wichtig das eigentlich ist. Und mittlerweile ist das auch ein wichtiger Fokus meiner Arbeit geworden.
Kommunikation deutlich erleichtert
Natürlich hat sich auch viel verändert, was die tägliche Arbeit betrifft. Einerseits ist die Kommunikation einfacher geworden. Meine Arbeit war immer schon sehr international - so funktioniert moderne Forschung nun mal. Aber Plattformen wie Zoom erlauben uns jetzt einen schnellen Informationsaustausch mit Kolleginnen und Kollegen überall auf der Welt. Wir haben das natürlich schon vor der Pandemie verwendet, aber nicht in dem Ausmaß und der Flexibilität. Andererseits können solche Online-Meetings den Arbeitstag dermaßen zupflastern, dass "wirkliche" Arbeit dann erst wieder abends oder an Wochenenden möglich ist.
Aber auch im Laboralltag hat sich viel getan - vieles, das sich auch unabhängig von der Pandemie so verändert hätte. Wir verwenden vermehrt mRNA und auch mehr KI-Werkzeuge wie etwa Alphafold, um Konzepte zu testen. Weiteres haben wir mittlerweile, zumindest in meinem Labor in New York, auf digitale Labornotebooks umgestellt, was viele Dinge einfacher macht. Ich hoffe, die Digitalisierung schreitet auch in Österreich voran und hilft, die alltägliche Bürokratie zu erleichtern. Viele dieser Änderungen werden uns sicher helfen - als Labor - schneller und besser auf die nächste Pandemie reagieren zu können. Ich befürchte aber, dass es trotzdem wieder 100-Stunden-Wochen sein werden.
Zur Person:
Florian Krammer ist Virologe, Impfstoffforscher und Professor an der Medizinischen Universität Wien und der Icahn School of Medicine at Mount Sinai. Seit Jänner 2025 leitet er das interuniversitäre Ignaz Semmelweis Institute, das sich mit der Erforschung von Infektionskrankheiten beschäftigt. Ab Sommer 2025 wird er auch die Leitung des neuen Ludwig Boltzmann Institute for Pandemic Preparedness and Science Communication übernehmen.
Service: Dieser Gastbeitrag ist Teil der Rubrik "Nachgefragt" auf APA-Science. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor/der Autorin.