Med-Uni Graz sucht Teilnehmer für innovative Diabetes-Therapie
In Österreich ist rund jeder zehnte Mensch von Diabetes betroffen, von diesen wiederum etwa fünf bis zehn Prozent von Typ-1-Diabetes. Letztere Erkrankung bricht meist im Kindes- oder Jugendalter aus und Betroffene sind lebenslang auf die Insulintherapie angewiesen. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung der Med-Uni Graz versucht, die Insulinproduktion der Patienten so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Aktuell sucht man Teilnehmer für eine europaweite Studie.
Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, die durch einen fortschreitenden Verlust von insulinproduzierenden Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse gekennzeichnet ist. "Beim Typ-1-Diabetes zerstört das Immunsystem die Beta-Zellen, wodurch Betroffene auf eine lebenslange Insulintherapie angewiesen sind", erklärte Thomas Pieber, Professor für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Endokrinologie und Diabetologie an der Med-Uni Graz. Die Folge ist, dass die Bauchspeicheldrüse zu wenig und schließlich gar kein Insulin mehr produziert. Der Körper benötigt das Hormon jedoch, um den Blutzuckerspiegel zu kontrollieren. Betroffene müssen deshalb ihr Leben lang mehrmals täglich Insulin injizieren und ihre Nahrungsaufnahme kontrollieren.
Doppelter Ansatz
Forscher aus ganz Europa versuchen, Typ-1-Diabetes besser zu verstehen und suchen nach Wegen, die körpereigene Insulinproduktion so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Dabei wird ein doppelter Ansatz versucht: Einerseits das Immunsystem davon abzuhalten, die Beta-Zellen weiter zu zerstören, und andererseits die Beta-Zellen besser zu schützen, wie Pieber gegenüber der APA sagte. In ihrer letzten - und laut Med-Uni bisher überhaupt größten Studie mit Patienten in 94 medizinischen Zentren - haben sie verschiedene Monotherapien mit einer Kombinationstherapie verglichen. Im Zuge der multizentrischen Studie wurde festgestellt, dass eine Kombinationstherapie die körpereigene Insulinproduktion deutlich verbessern kann. Ihre Ergebnisse lassen aufhorchen und wurden im Journal "Lancet" publiziert.
In die Studie wurden Patienten aufgenommen, bei denen Typ-1-Diabetes erstmals diagnostiziert wurde. "Wir haben zwei verschiedene Monotherapien und eine Kombinationstherapie zur 'Rettung' der Insulinproduktion mit Placebo verglichen. Die einjährige Kombinationstherapie hat im Vergleich zur jeweiligen Monotherapie und zu Placebo zu einer deutlichen Verbesserung der Insulinproduktion geführt", fasste Pieber zusammen.
Die 308 Patienten mit neu diagnostiziertem Typ-1-Diabetes wurden laut Studiendesign entweder mit Anti-IL-21 Antikörpern, mit dem GLP-1-Analogon Liraglutid, mit der Kombination von Anti-IL-21 Antikörpern und Liraglutid oder mit einem Placebo zusätzlich zur Insulintherapie behandelt. "Nach einem Jahr war die körpereigene Insulinproduktion, gemessen mittels stimuliertem C-Peptid in der Kombinationstherapie signifikant höher als in Placebo oder in der Monotherapie", berichtete Pieber. Die Beeinflussung des Immunsystems mit Anti-IL-21 Antikörpern in Kombination mit dem Wirkstoff Liraglutid hatte die gleiche Wirksamkeit wie andere Immuninterventionen, es traten keine relevanten Nebenwirkungen auf, außer die typischen Magen-Darm-Beschwerden, die bei Liraglutiden bereits bekannt sind.
In Zukunft mehr Kombinationstherapien
"Die Zukunft der Therapie von Typ-1-Diabetes wird stark in Richtung Kombinationstherapie gehen, doch es gibt noch ordentlich was zu tun", zeigte sich Pieber überzeugt. Erst kürzlich ist an der Med-Uni Graz eine weitere große Interventionsstudie (Ver-A-T1D) im Rahmen des EU-Projektes "Innodia" angelaufen. Darin wird unter der Leitung der Med-Uni Graz in 22 Zentren in Europa eine weitere Therapie für Betroffene getestet, bei denen erst jüngst die Diagnose gestellt wurde. Hier sucht die Med-Uni österreichweit nach erwachsenen Teilnehmern. "Je mehr Betroffene eine Chance zur Behandlung bekommen, desto besser, für die Patientinnen und Patienten und für die Weiterentwicklung der Therapiemöglichkeiten", so der Experte.
Ver-A-T1D beschäftigt sich mit dem blutdrucksenkenden Wirkstoff Verapamil. Bei diesem Kalziumantagonisten hat sich bei einer ersten klinischen Studie gezeigt, dass es Beta-Zellen schützen und stärken und die Zerstörung von Beta-Zellen bei Typ-1-Diabetes verlangsamen kann. Die Interventionsstudie wird nun rund 140 Menschen im Alter zwischen 18 und 45 Jahren umfassen, die ein Jahr lang Tabletten einnehmen werden. Teilnehmer aus Österreich müssten einmal pro Quartal für einen Tag nach Graz kommen.
Das europäische Forschungsnetzwerk "Innodia" will die Erforschung und Behandlung der Erkrankung effektiver als bisher vorantreiben. Europaweit sind rund 30 wissenschaftliche Einrichtungen, mehrere große Pharma-Unternehmen und Patientenorganisationen involviert. Die Europäische Union fördert das Projekt bis 2023 mit rund 36 Millionen Euro.