24. Philosophicum Lech zur "Kraft der Fiktion" eröffnet
Das Philosophicum Lech ist am Donnerstagabend nach einem Jahr coronabedingter Pause offiziell in die 24. Auflage gestartet. Das bis Sonntag dauernde Symposium beschäftigt sich heuer mit dem Thema "Als Ob! Die Kraft der Fiktion". Um den Pandemiebedingungen gerecht zu werden, wurde die Veranstaltung in den mehr Platz und eine Lüftungsanlage bietenden Sportpark Lech verlegt. Am Freitagabend wird der mit 25.000 Euro dotierte "Tractatus"-Essaypreis an Christoph Möllers verliehen.
"Wie wirken Fiktionen in den unterschiedlichsten Bereichen unseres Lebens, von der Kunst bis zur Wissenschaft, von der Liebe bis zur Bildung, von der Moral bis Politik, wann und warum benötigen wir diese Fiktionen und wann werden sie gefährlich, wie viel Wahrheit verträgt der Mensch überhaupt und wie viel Täuschungen gehören zu einem guten Leben?", fasste Konrad Paul Liessmann als wissenschaftlicher Leiter den Themenkreis in seinem Editorial. Das Vorprogramm startete bereits am Dienstag. So sprachen Liessmann und der Autor Michael Köhlmeier, Ideengeber des Philosophicum, am Mittwoch über die Frage "Wie man sich täuschen kann". Am Donnerstagnachmittag diskutierten im Magna-Impulsforum der ehemalige Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), der deutsche Botschafter Ralf Beste, die ehemalige OGH-Präsidentin Irmgard Griss und Grünen-Politikerin Nina Tomaselli über Fiktionen in Politik und Gesellschaft.
Das Thema sei heuer nicht weniger kraftvoll und aktuell als letztes Jahr, so Philosophicum-Obmann Ludwig Muxel, der in seiner Rede am Eröffnungstag auch an den verstorbenen Mitinitiator und ehemaligen Obmann Guntram Lins erinnerte. Bürgermeister Stefan Jochum berichtete, die Tage des Philosophicum seien für die Einheimischen etwas ganz Besonderes. "Allerorts trifft man auf debattierende Menschen, die sich angeregt über das beim Philosophicum Gehörte unterhalten. Das Stillen dieser Lust am Denken in einem Ort wie dem unseren, hochalpin und fern des Alltags, kann etwas ungemein Wohltuendes sein", so Jochum.
LH Wallner warnt vor Fake News und Angstmache
Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) lobte in seiner Eröffnungsrede, neben der "enormen und vor allem gleichbleibend hohen Qualität" der Veranstaltung sei Aktualität ihr Markenzeichen. Heute seien Verschwörungsmythen, absichtlich gestreute Falschnachrichten oder gezielte Halbwahrheiten schon fast allgegenwärtig geworden, bezog sich Wallner auf das heurige Thema. Das Gemisch aus Fake News und Angstmache, etwa über das Internet, erzeuge ein wachsendes Klima der Verunsicherung, "eine Welle der Skepsis allem und jedem gegenüber". Häufig sei das auch so beabsichtigt, so der Landeshauptmann. Davon gehe zunehmend auch eine Gefahr aus, besonders für die Demokratien in Europa und anderswo. "Es ist ein Phänomen, das man absolut ernst nehmen muss!", sagte Wallner.
So habe die EU ihren Einsatz gegen die Verbreitung von Falschnachrichten verstärkt. Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, wenn diese aber dazu genutzt werde, "mit falschen Informationen die Gesellschaft zu spalten und so aufzubringen, dass diese in Gewalt endet" wie etwa beim Sturm auf das US-Kapitol, dann müssten "Überlegungen erlaubt sein, die die Verbreitung von gezielten Falschinformationen hindert". Dabei bewege man sich auf einem schmalen Grat zwischen Meinungsfreiheit und Zensur.
Bis Sonntag werden namhafte Referenten für Impulse rund um das Thema Fiktion sorgen, so erwarten die Teilnehmer Vorträge des Kulturwissenschafters Jan Assmann, der Literaturwissenschafter Thomas Strässle und Daniela Strigl sowie der Philosophen Matthias Burchardt, Andreas Urs Sommer und des Bildtheoretikers Lambert Wiesing. Ebenso eingeladen wurden Wissenschaftsphilosophin und FAZ-Redakteurin Sibylle Anderl, der Filmkritiker und ehemalige "Spex"-Chefredakteur Dietmar Dath, die Kulturwissenschafterin Sophie Wennerscheidt und Medienwissenschafter Roberto Simanowski. Im Anschluss an die Vorträge folgen am Vor- und Nachmittag Diskussionen, jeweils moderiert von Rainer Nowak oder Liessmann.
Am Freitagabend wird der deutsche Rechtsphilosoph Christoph Möllers den Essaypreis des Philosophicum erhalten. Er bekommt die Auszeichnung exemplarisch für sein Werk "Freiheitsgrade. Elemente einer liberalen politischen Mechanik". Möllers formal außergewöhnliches und argumentativ brillantes Buch eröffne neue Perspektiven auf Liberalismus, Freiheit und politische Praxis, begründete die Jury. Möllers, Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Humboldt-Universität in Berlin, nannte sein Buch selbst einen "politischen Reiseführer". Das im Herbst 2020 veröffentlichte Buch löste weit über die Fachkreise hinaus große Resonanz aus. Es war für den Deutschen Sachbuchpreis 2021 und den Preis der Leipziger Buchmesse 2021 nominiert.
Service: 24. Philosophicum Lech "Als ob! Die Kraft der Fiktion", 22. bis 26. September 2021, Lech am Arlberg; www.philosophicum.com