Nobelpreis von Walter Kohn wird versteigert
1998 erhielt der in Wien geborene, mit einem Kindertransport vor den Nazis geflüchtete jüdische US-Physiker Walter Kohn den Chemie-Nobelpreis. Nun werden die goldene Nobelpreis-Medaille sowie drei wissenschaftliche Bücher Kohns, die er als Jugendlicher im Internierungslager in Kanada gekauft hatte, versteigert. Ausrufungspreis sind 275.000 Dollar (244.000 Euro), teilte das Auktionshaus Nate D. Sanders in Los Angeles (USA) mit. Die Auktion endet morgen, Donnerstag.
Kohn wurde am 9. März 1923 in Wien geboren. Er besuchte fünf Jahre lang das Akademische Gymnasium, bevor er im April 1938 ins Jüdische Gymnasium "umgeschult" wurde. 1939 - drei Wochen vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges - gelang Kohn gemeinsam mit seiner Schwester Minna mit einem sogenannten Kindertransport die Flucht nach Großbritannien, von wo aus er als "Enemy Alien" in ein Internierungslager nach Kanada gebracht wurde. Seine Eltern blieben in Wien und wurden im KZ Auschwitz ermordet.
Von Kanada nach Kalifornien
Seine wissenschaftliche Ausbildung startete Kohn 1945 an der University of Toronto, wo er einen Bachelor in Mathematik und Physik machte. Nach dem Doktorat in Theoretischer Physik in Harvard führte ihn seine weitere Laufbahn über mehrere Stationen schließlich nach Kalifornien, wo er von 1979 bis 1984 Direktor des Instituts für Theoretische Physik an der University of California at Santa Barbara war und noch bis ins hohe Alter arbeitete.
Den Chemie-Nobelpreis erhielt Kohn 1998 für die Entwicklung der Dichtefunktionaltheorie (DFT). Dieses Näherungsverfahren beschreibt auf atomarem Niveau, was in Festkörpern und Molekülen vor sich geht. Mit seinen Arbeiten habe es der Physiker ermöglicht, das Wissen über die Naturgesetze, nach denen chemische Reaktionen ablaufen, auch praktisch zu nutzen, begründete die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften die Nobelpreisvergabe an Kohn.
Vertreibung jüdischer Exzellenz
Der Physiker starb im Jahr 2016 im Alter von 93 Jahren. Die Verleihung des Nobelpreises an ihn rief die Vertreibung jüdischer Exzellenz durch die Nationalsozialisten ins Gedächtnis. Nur zwei Jahre nach Kohn wurde der ebenfalls aus Wien stammende und 1939 vertriebene Neurobiologe Eric Kandel mit dem Medizin-Nobelpreis geehrt. 2013 folgten dann die Nobel-Ehren für den 1938 aus Österreich geflohenen Chemiker Martin Karplus.
"Wenn man sich vorstellt, was der Welt verloren gegangen wäre, wenn Walter Kohn es während des Zweiten Weltkriegs nicht nach Großbritannien geschafft hätte, ist das unbegreiflich. Dieser Nobelpreis ist nicht nur ein Zeugnis für das Wissen, zu dem die Menschheit fähig ist, sondern auch für ihre Menschlichkeit", erklärte der Besitzer des Auktionshauses Nate Sanders im Hinblick auf die Kindertransporte, die die sichere Überführung von fast 10.000 Kindern nach Großbritannien ermöglichten.
Die drei Bücher, die mit der Nobelpreis-Medaille versteigert werden, stecken noch in ihren abgenutzten, selbst emachten Schutzumschlägen. Es handelt sich um "A Course of Pure Mathematics", "Dent's Modern Science Series" und "Properties of Matter" und seien "ein Vorgeschmack auf die unglaublichen Errungenschaften, die Kohn der Welt durch seine mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Arbeit bescherte", heißt es in einer Aussendung des Auktionshauses.
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