Umwelt und nicht das Erbgut lässt Schmetterlinge wandern
Bei Zugvögeln sind die Reiserouten oft im Erbgut verzeichnet, Schmetterlinge entscheiden aber wohl anhand der aktuellen Umweltbedingungen, wie weit sie gen Süden ziehen, wenn der Winter naht, berichtet die Evolutionsbiologin Daria Shipilina vom ISTA in Klosterneuburg (NÖ) mit Kollegen im Fachjournal "Pnas Nexus". Bei Distelfaltern (Vanessa cardui) sind unterschiedliche Reisestrategien jedenfalls nicht genetisch festgelegt, so die Forscherinnen und Forscher.
Mehrere Generationen der Distelfalter pendeln jedes Jahr etwa 10.000 Kilometer von Nordeuropa bis Afrika und wieder zurück. "Jedes Individuum reist einen Abschnitt, und dessen Nachkommen setzen dann die Reise fort", so Shipilina, die am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) forscht und zuvor an der Universität Uppsala (Schweden) tätig war. Manche Distelfalter bleiben allerdings im Mittelmeerraum, während andere die Sahara überqueren und südlich davon überwintern.
Erbgut von kurz- und langstreckenreisenden Schmetterlingen gleich
Die Forscher sammelten solche Schmetterlinge in Spanien, Portugal, auf Malta und in Afrika nördlich und südlich der Sahara, also in Marokko, dem Benin und Senegal. Sie bestimmten die Herkunft der einzelnen Schmetterlinge mittels sogenannter "Isotopen-Geolokalisierung". "Isotope sind verschiedene Formen desselben Elements mit identischen chemischen Eigenschaften, aber unterschiedlichen Atommassen", erklärte Shipilina in einer Aussendung.
"Die Zusammensetzung der Isotope von den Flügeln eines erwachsenen Schmetterlings spiegelt die Isotopensignatur der Pflanzen wider, die er als Raupe gefressen hat", so die Forscherin. Dadurch konnten sie feststellen, wo ein einzelner Schmetterling geschlüpft und wie weit er gereist war.
Dann sequenzierten die Forscher das Erbgut der Kurz- und Langstreckenreisenden und suchten nach Unterschieden. Aber es gab keine. "Die Reisemuster konnten auch nicht mit Faktoren wie dem Geschlecht, der Flügelgröße oder der Flügelform in Verbindung gebracht werden", schrieben sie.
Reiseziele wohl nach aktuellen Bedingungen gesteckt
Die Reiseziele werden von den Schmetterlingen demnach wahrscheinlich anhand der aktuellen Umweltbedingungen ausgesucht. "Distelfalter könnten beispielsweise in Schweden im Sommer durch die rasche Umstellung der Tageslänge dazu veranlasst werden, eine lange Reise über die Sahara in den Süden zu starten", meinen die Forscher: "Im Gegensatz dazu nehmen die Falter in Südfrankreich, wo die Tage länger sind, solche Reize nicht wahr, fliegen daher nur kurze Strecken und verbleiben im Mittelmeerraum."
Service: https://doi.org/10.1093/pnasnexus/pgae586