Belém zwischen De- und Rekarbonisierung: Chancen und Illusion internationaler Klimadiplomatie
Die Klimakrise ist ein globales Phänomen - und ihre Bearbeitung erfordert daher internationale Kooperation. Zugleich ist die Klimakrise von Ungleichheit durchzogen. Industrieländer, und hier vor allem reichere Bevölkerungsteile, tragen historisch die größte Verantwortung für den Emissionsausstoß, aber die Folgen treffen insbesondere die ärmeren Teile der Weltbevölkerung. Es geht also um globale Gerechtigkeit, von der wir aber weit entfernt sind.
Allerdings konnten auf den internationalen Klimakonferenzen immer wieder auch zumindest kleine Erfolge - auch gegen mächtige Interessen - errungen werden. Zum Beispiel das 1,5-Grad-Ziel im Pariser Abkommen wurde von großen Teilen des Globalen Südens und NGOs gefordert, von den Industrieländern zunächst jedoch blockiert. Obwohl wir gerade dieses Ziel verfehlen, so war es doch ein entscheidender Orientierungspunkt für viele klimapolitische Entwicklungen der vergangenen zehn Jahre, von den Mobilisierungen von Fridays for Future bis zum Europäischen Green Deal. Auch die grundsätzliche Anerkennung von Schäden und Verlusten (loss and damage) durch die Klimakrise in der internationalen Klimadiplomatie und die Einrichtung eines Ausgleichsfonds waren ein wichtiger Schritt in Richtung Klimagerechtigkeit, wenngleich die Finanzierungszusagen in keinem Verhältnis zum Ausmaß der Schäden stehen. Daran zeigt sich, dass die breite öffentliche Aufmerksamkeit für die internationalen Klimakonferenzen Ländern des Globalen Südens und NGOs immer wieder strategische Gelegenheitsfenster eröffnet hat.
Zugleich haben die internationalen Klimakonferenzen aber eine gefährliche Illusion genährt: Dass sich die Klimakrise kooperativ, auf Basis von Freiwilligkeit im Rahmen internationaler Klimadiplomatie lösen ließe, indem man gemeinsame Ziele und Verfahren festlegt. Hier wurden in sehr aufwändigen und komplexen Prozessen und Verhandlungen zur Regelfindung enorme Ressourcen gebunden und Erwartungen an die Effektivität globaler Klimagovernance genährt - mit dem Ergebnis, dass die Treibhausgasemissionen global immer weiter angestiegen sind und eine weite Kluft zwischen politischen Zusagen und realer Emissionsminderung klafft. Auch deshalb, weil hinter den Kulissen viele fossile Unternehmen und Staaten sowie deren Verbündete und Lobbys die Komplexität der Verhandlungen ausnutzten, um Fortschritte zu verzögern. So konnten sich die Staaten auf den Klimakonferenzen noch nicht einmal dazu durchringen, die Hauptursache der Klimakrise - die Verbrennung fossiler Brennstoffe - klar zu benennen und sich zu deren Auslaufen zu bekennen.
Geschlossen gegen Trumps Projekt der Rekarbonisierung auftreten
Es gibt viele Vorschläge, wie die Architektur der Klimakonferenzen grundlegend reformiert werden könnte, um sie effektiver zu machen - etwa durch Überwindung des Konsensprinzips. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden, aber diese Vorschläge blenden leider die globalen Machtverhältnisse und insbesondere die aktuellen geopolitischen Dynamiken aus, die solche Reformen blockieren. Angesichts dieser Gemengelage hilft es auch wenig, den Sinn und Zweck internationaler Klimadiplomatie besser zu vermitteln. Viel wichtiger wäre es aus meiner Sicht, wenn die EU gemeinsam mit anderen Staaten mit einem Interesse am Klimaschutz - etwa Brasilien und China - eine Strategie entwickeln würde, geschlossen gegen Donald Trumps Projekt der 'Rekarbonisierung' aufzutreten. Es ist ja nicht so, dass die USA sich lediglich aus der internationalen Klimadiplomatie verabschieden. Sie versuchen das Projekt der Dekarbonisierung weltweit zu destabilisieren - etwa indem sie die EU, aber auch andere Länder in Handelsabkommen zur Abnahme fossiler Energieträger in gigantischem Ausmaß drängen.
Meine Erwartungen an die COP in Belém sind dementsprechend gering. Nachdem die Klimakonferenzen in den vergangenen beiden Jahren in Petro-Staaten stattfanden, bietet der diesjährige Austragungsort die Möglichkeit, indigene Perspektiven und Kämpfe in der Klimakrise sichtbarer zu machen. Konkret ist dies vor allem für die Auswahl und Ausgestaltung tragfähiger Indikatoren für die Klimawandelanpassung relevant, die in Belém verhandelt werden sollen. Wichtig wäre auch ein klares Signal, dass sich die internationale Gemeinschaft nicht von Donald Trump in einen klimapolitischen backlash mitreißen lässt - die Position der EU und auch Österreichs ist hier leider selbst zunehmend unklar.
Zur Person:
Alina Brad lehrt und forscht als Senior Scientist am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien im Bereich Internationale Politik. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Klimapolitik und der politischen Ökonomie sozial-ökologischer Transformationen. In ihrem vom FWF geförderten Elise-Richter-Projekt untersucht sie die Rolle von Technologien zur CO2-Entnahme (Carbon Dioxide Removal) in der europäischen Klimapolitik. Zudem leitet sie gemeinsam ein vom Österreichischen Klimaforschungsprogramm (ACRP) gefördertes Projekt zu nachfrageseitigen Klimaschutzstrategien in Österreich. Sie ist Vorstandsmitglied des Climate Change Center Austria (CCCA) und war von 2022 bis 2025 koordinierende Leitautorin des APCC Assessment Report on Climate Change in Austria.