"Es tut sich was: Aufbruchsstimmung für die bemannte Raumfahrt"
Das Apollo Mondlande-Programm war kein Wissenschaftsprojekt. Es war das Kondensat von Hochtechnologie und Flaggenpatriotismus in einer Orientierung suchenden Zeit. Was aber kommt nach Apollo - wie realistisch ist eine bemannte Rückkehr zum Mond im kommenden Jahrzehnt?
Die Raumfahrt ist das Fieberthermometer der Geopolitik: Niemals war das zutreffender als im Kalten Krieg, als zwei Supermächte, die Sowjetunion und die USA, im Konflikt standen. Der Osten hatte mit Sputnik den ersten Satelliten gestartet und mit Major Yuri Gagarin den ersten Menschen geflogen, der Westen drohte technologisch zurückzufallen. Es war die Zeit eines aufkeimenden Vietnamkrieges, die Beatles waren am Höhepunkt ihrer Laufbahn. Das Apollo-Mondprogramm mobilisierte eine Orientierung-suchende Gesellschaft in genau diesem politischen Umfeld: Eine Synergie aus Weltpolitik, High-Tech und Fortschrittshoffnung, zwischen Flaggenpatriotismus und Entdeckergeist. Genau das sehen wir jetzt etwa auch im chinesischen Raumfahrtprogramm, oder auch in Indien. Das Rüstungswettrennen der 60er-Jahre fand im Weltraum seine Fortsetzung, setzte ungeheure Ressourcen für Forschung und Entwicklung frei, ließ Ingenieure und Astronauten immer höhere Risiken eingehen - bis hin zum tragischen Unglück von Apollo 1, wo drei Astronauten wenige Tage vor dem Start in ihrer Kapsel bei einem Test im Februar 1967 verbrannten oder noch katastrophaleren Unglücken bei den Sowjets.
Aber, wie immer, Krisen sind auch Druckkessel der Innovation und so begann das Apollo-Mondlandeprogramm mit politischen Ambitionen, für die damals noch nicht einmal die technischen Voraussetzungen gegeben waren. Weder die Teflonpfanne noch die Moon-Boots gehören zwar dazu, aber man musste Materialien entwickeln, die es bis dahin noch nicht gegeben hatte: Computer, die damals ganze Räume füllten, die kleine Mondlandefähre miniaturisieren oder etwa Managementprozesse erfinden, um ein solches Megaprojekt durchzuführen. Es gibt hunderte von Spin-Offs die direkt oder indirekt auf das Apollo-Programm zurückzuführen sind. Es wird argumentiert, dass die Welle von Technik-begeisterten Studierenden der 70er-Jahre, die durch Apollo getriggert wurde, nachweisbar zur Technologieführerschaft der USA ab den 80er-Jahren beigetragen hat.
Nächster Schritt: Artemis als Apollo-Nachfolger?
Seitdem US-Vizepräsident Mike Pence Ende März 2019 eine bemannte Rückkehr zum Mond bis 2024 ankündigte, arbeitet die NASA fieberhaft daran, bestehende Technologien und Programme auf dieses Ziel auszurichten. Geplant sind jährliche Crews ab 2024 und der Aufbau einer Mondbasis ab 2028. Unterstützt werden soll dieses Artemis-Programm (Artemis war die Schwester des Apollo, nach dem das historische Mondlandungsprogramm benannt ist) durch den Gateway, eine Raumstation. Diese soll - anders als die International Space Station ISS - eine flexible Umlaufbahn um den Mond haben, um Exkursionen auf die Mondoberfläche zu ermöglichen. 37 Raketenstarts von privaten Anbietern und der NASA über ein Jahrzehnt verteilt, klingen jedenfalls sehr ambitioniert.
Was fehlt, ist eine Kostenabschätzung von Artemis und genau das könnte Programm sein, um den "Preisetikett-Schock" zu vermeiden. Zwar hat NASA-Administrator Jim Bridenstein vorweg einmal 1,5 Milliarden Euro für das Budgetjahr 2020 anvisiert, das ist aber bestenfalls eine Anzahlung. Ausgerechnet auf einem "Überschuss" aus dem Pell-Grant, einem Stipendienprogramm für Studierende mit niedrigen Einkommen, soll die Querfinanzierung basieren, was den Demokraten überhaupt nicht gefallen dürfte.
Ganz abgesehen davon dürfte es eine ungemeine Herausforderung werden, dass die Industrie zeitgerecht liefert. Bereits jetzt ist das Space Launch System (SLS), die neue Schwerlastrakete, Jahre hinter dem Zeitplan und deutlich über den ursprünglichen Budgetprognosen. Und auch die aufstrebenden neuen Firmen wie SpaceX und Blue Origin haben noch nicht die industriellen Muskeln, solch ein ambitioniertes Programm trotz finanzieller Anreize so ohne weiteres zu unterstützen. Und in dieser Gleichung ist noch nicht einmal die bevorstehende Entwicklung eines Landemoduls berücksichtigt, geschweige denn Schlüsseltechnologien wie Raumanzüge oder das begleitende wissenschaftliche Programm.
Wo steht Europa?
Artemis steht auf dünnen Säulen, wird auch von den Budgetmitteln des US-Kongresses abhängen und letztlich vom Ausgang der nächsten Präsidentschaftswahlen in zwei Jahren. Die Frage ist, welche Rolle Europa hier spielen wird, da die Geschichte gezeigt hat, dass internationale Programme auch Stabilität bringen. Wenn Europa nicht wie bei der ISS als Junior Partner von den Gezeiten des US-amerikanischen Raumfahrtprogrammes abhängig sein will, dann muss es eigene technische Kapazitäten entwickeln. Erste Anzeichen für zukünftige Explorationsprogramme sind erkennbar, wie zum Beispiel die Technologieinitiative der European Space Agency (ESA) für das Lunar Robotic Village. Dazu gehört auch ein Wiederaufleben der astronautischen Raumfahrt, wo auch Österreich eine Rolle spielt und etwa das Österreichische Weltraum Forum (ÖWF) im ESA-Auftrag bei der Entwicklung von Raumanzugskomponenten forscht. Und dies nicht nur für die nächsten Mondreisen, sondern auch mit einem Blick weiter, nämlich zu den AMADEE Marssimulationen. So wird Ende 2020 wieder ein internationales Forschungsteam unter österreichischer Führung, diesmal in der israelischen Negev-Wüste, eine Marssimulation durchführen.
Es tut sich etwas, die Aufbruchsstimmung für astronautische Raumfahrt ist international zu spüren. Wenn sich das letztlich auch politisch abbildet, mögen wir vermutlich nicht eine Neuauflage der Apollo-Legende sehen, aber ein robustes, wissenschaftlich interessantes Raumfahrtprogramm. Zu diesem können auch Länder wie Österreich nicht nur beitragen, sondern auch - das zeigte das US-Mondprogramm der 60er-Jahre - wirtschaftlich, technologisch, bildungspolitisch, wissenschaftlich und letztlich auch gesellschaftlich profitieren.