Elektrostimulation hilft Gelähmtem mit instabilem Blutdruck
Eine Rückenmarksverletzung stört den Mechanismus, der den Blutdruck reguliert. Nun hat ein schweizerisch-kanadisches Forschungsteam mit gezielter elektrischer Stimulation einem Patienten geholfen, seinen Blutdruck ohne Medikamente wieder in den Griff zu bekommen.
Der 38-jährige Richi ist seit einem Sportunfall querschnittsgelähmt. Er litt nach eigenen Angaben täglich darunter, dass sein Blutdruck plötzlich absackte. Nun widerfahre ihm dies vielleicht noch einmal alle paar Wochen, sagte Richi, der selbst Chirurg ist. Blutdruckmedikamente braucht er gemäß seinem behandelnden seither Arzt keine mehr. Er ist der erste Patient, an dem die Forschenden die neue, im Fachmagazin "Nature" vorgestellten Behandlungsmethode testete.
Die Methode des Teams beruht auf der Elektrostimulation von Nerven über Elektroden, die dem Patienten chirurgisch am Rückenmark eingepflanzt wurden, wie die ETH und das Unispital Lausanne (CHUV) gemeinsam mit der kanadischen University of Calgary mitteilten.
Sensor kommuniziert mit Herzschrittmacher
Ein in eine Arterie implantierter Sensor registriert, wenn der Blutdruck abfällt und kommuniziert mit einem Herzschrittmacher. Dieser sendet daraufhin gezielt Signale an die neuronalen Schaltkreise des Rückenmarks, die den Blutdruck regulieren. "Die Stimulation kompensiert die unterbrochene Kommunikationslinie zwischen dem zentralen und dem sympathischen Nervensystem des Patienten", erklärte Gregoire Courtine von der EPFL und dem CHUV.
Das Team verfeinerte und testete die Rückenmarkstimulation zuerst in Tierversuchen. Dabei sei es beeindruckend gewesen, wie der Blutdruck sofort nach der Stimulation wieder auf das Zielniveau anstieg, sagte die Neurochirurgin Jocelyne Bloch, ebenfalls vom CHUV.
Klinische Studien erforderlich
Nun seien klinische Studien erforderlich, um die Sicherheit und therapeutische Wirksamkeit dieser Behandlung in verschiedenen Stadien der Rückenmarksverletzung zu bewerten, so die Autoren. "Der Ansatz könnte möglicherweise die derzeit verfügbaren Behandlungen ersetzen - obwohl es noch viel zu früh ist, um dies mit Sicherheit zu sagen", schrieb Patrice Guyenet in einem Begleitartikel zur Studie.
Eine auf der epiduralen Elektrostimulation basierende Behandlung wandte das Schweizer Forschungsteam bereits im Jahr 2018 an, um Querschnittsgelähmten zu ermöglichen, ihre Beine wieder zu bewegen und mit Unterstützung zu laufen.