AustriaTech: Innovation alleine reicht nicht aus
Neue Technologien scheinen nicht die alleinigen Heilsbringer im Gütertransport zu sein. Denn wenn der dadurch erreichte Rückgang des spezifischen Energieverbrauchs vom Verkehrswachstum überkompensiert wird, stellen sich einige Fragen. Welche flankierenden Maßnahmen notwendig sind und ob die Akteure ohne konkrete Regelungen zu nachhaltigeren Ansätzen zusammenfinden, beantwortete Martin Russ, Geschäftsführer der Beratungsagentur AustriaTech.
"Weil in der Logistik Geld ohnehin knapp ist, sind Umwelt und knappe Ressourcen nicht das große Thema. Es gibt zwar ein gewisses Umdenken, aber dass es ohne bestimmte Regelungen funktioniert und sich die Akteure selber finden – mit dem Ergebnis kostengünstig, effizient, konkurrenzfähig und im Einklang mit der Umwelt – da bin ich skeptisch", so Russ gegenüber APA-Science. Tatsache sei, dass es viel Wettbewerb und wenig Kooperation in diesem Bereich gebe. Hier würden Überlegungen in Richtung Blockchain ins Spiel kommen. Die fehlende Offenheit wirke sich aber negativ auf die Hoffnungsfelder Big Data und Künstliche Intelligenz aus.
Ein Problem sei auch, dass in Österreich kleine Unternehmen auf ein ebenso klein strukturiertes Transportgewerbe treffen würden. "Das erschwert es, bestimmte Dinge zu bündeln und neue Lösungen einzuführen und macht uns, was Logistik betrifft, zu einem der komplexesten Länder der Welt", so Russ. Die Aktivitäten auf Forschungsseite seien gut, aber noch zu klein – etwa Projekte wie Thinkport Vienna am Wiener Hafen, das als Innovationslabor organisiert ist. "Jetzt geht es darum, das institutionell zu verankern, damit wir Transformationstreiber, Akteure und Katalysatoren haben", sagte Russ.
Er plädiert dafür, sich Regionen und Akteure rauszugreifen und anhand dieser Beispiele zu lernen, wie man Dinge im Zusammenwirken verschiedener Technologien und unter einer Wirkungsbetrachtung vernünftig orchestriert: "Wenn sich das weder für die Unternehmer, noch die Umwelt positiv auswirkt, sollten wir das wieder lassen. Aber wir haben es zumindest probiert und gehen die Sache an. Wenn der erste Schritt nicht funktioniert, sollte man nicht gleich aufgeben, sondern etwas nachschrauben", ist Russ überzeugt.
Effiziente Logistik als Standortvorteil
Bei vielen aktuellen Entwicklungen würde der Lebensstil der Menschen große Auswirkungen haben, erinnert er an die Veränderung der globalen Warenströme. "Wenn der Transport von bestimmten Dingen nur mehr ein paar Cent kostet, sind wir dann nicht schon zu Tode optimiert – zumindest auf der Kostenebene? Ist das nicht schon zu günstig? Auf der anderen Seite ist es auch ein Standortvorteil eine effiziente Logistik zu haben", so Russ. Natürlich wolle man nachhaltigen Güterverkehr auch über Technologie lösen – vom E-Highway, wo Oberleitungs-Lkw fahren, bis zur Feinverteilung in die Städte. "Aber am Ende muss es ein Geschäft sein, sonst ist es nicht nachhaltig. Wenn keiner da ist, der das wirtschaftlich betreiben kann, kann ich mir die Ökologie an die Wand pinseln."
Andererseits seien bereits bestimmte Kosten aus der Logistik oder in der Produktion auf das Verkehrssystem und somit die Allgemeinheit übergewälzt wurden. "Die müssen wir wieder dort hinbringen, wo sie hingehören, nämlich in die Unternehmen zurück. Denn logistische Optimierung und die Optimierung des Verkehrs sind nicht kongruent. Da braucht es übergeordnete Konzepte." Unter anderem müssten Logistikströme besser auf die Infrastruktur abgestimmt werden. So hätten sich sowohl Privatpersonen als auch dort angesiedelte Betriebe über massive Staus bei einer Autobahnauffahrt beschwert. In einem Forschungsprojekt habe sich gezeigt, dass, wenn die Firmen ihre Distributionssysteme aufeinander abstimmen würden und das zeitlich gut verteilen, es kein Kapazitätsproblem gebe. Letztendlich habe man auf Kosten des Steuerzahlers für die Unternehmen eine zweite Auffahrt gebaut.
Noch keine Platoons auf der Straße
Massiv am Lernen sei man bei Lkw-Platoons, also mehreren Fahrzeugen, die mithilfe technischer Steuerungssysteme in sehr geringem Abstand hintereinander fahren und so ihren Kraftstoffverbrauch reduzieren. Hier gebe es viel Forschung sowie technologische und organisatorische Konzepte, aber – zumindest in Österreich – noch keine Platoons auf der Straße. "Das dauert sicher fünf bis zehn Jahre bis das kommt und einen entsprechenden Mehrwert liefert. Vielleicht wird es schneller technologiereif, aber organisatorisch und auch von der Einbettung in die Gesellschaft sind wir noch nicht so weit", erklärte Russ. Derzeit würden die verschiedensten Facetten der Thematik im Leitprojekt Connecting Austria intensiv durchgespielt. Auf europäischer Ebene seien quasi alle namhaften europäischen Lkw-Hersteller beim Projekt Ensemble mit an Bord.
Von einem Regelsystem sei man auch deshalb noch weit entfernt, weil erst viele Fragen geklärt werden müssten – von der Interaktion mit dem Umfeld über die Ausstattung mit hackbarer, redundanter Technologie bis zu strukturellen Angelegenheiten. "Braucht es beispielsweise einen Platoon-Operator oder geht das innerbetrieblich?", so der Manager von AustriaTech, einer 100-prozentigen Tochter des Infrastrukturministeriums (BMVIT). Da es in Europa kaum große Frächter gebe, "die meisten haben drei bis fünf Lkw", bräuchten sie einen Operator, wodurch in einem ohnehin komplexen System ein weiterer Player dazu kommen würde.
Spritersparnis und niedrigere Lenkerkosten
"In Japan oder den USA braucht es diese Zwischenstufe nicht, die können das innerbetrieblich lösen", verweist der Experte auf große Marktunterschiede. Außerdem falle es den kleinen Akteuren schwer, im harten Preiskampf in neue Technologien zu investieren. "Sinn macht ein Engagement für die meisten Frächter, wenn das ein Investment ist, wodurch man sich in absehbarer Zeit auch bei den Lenkerkosten etwas einspart oder die Service-Qualität erhöht", verwies Russ auf die größten Benefits eines Platoons. Tests würden eine Spriteinsparung von 10 bis 15 Prozent zeigen. Aber das Hauptproblem seien die Kosten und die Verfügbarkeit der Fahrer, "weil das eigentlich keiner mehr werden will". Platooning werde nicht gemacht, "weil wir es können, sondern weil wir es brauchen".
Wichtig sei derzeit auch, die Wirkungsebenen noch stärker abzusichern: "Wenn ein Platoon im internationalen Verkehr mit standardisierten Wechselaufbauten funktioniert, ist das ja gut. Aber gibt es auch positive Effekte, wenn Lkw dabei sind, die Fahrzeuge transportieren? Spart man Sprit, wenn es aufgrund der unterschiedlichen Silhouetten zu Luftverwirbelungen kommt? Auch das muss man sich anschauen", so Russ. Man habe vielleicht eine Dimension gelöst, "aber dass das wirklich marktfähige Produkte werden, das wird noch dauern. Nichtsdestotrotz ist es eine Perspektive, die viel Potenzial hat".
Verlagerung auf die Schiene
Auch bei der Verlagerung auf die Schiene verlaufe die Entwicklung eher schleppend, wenngleich klar sei, "dass der Güterverkehr ab einer gewissen Distanz auf die Schiene muss. Da ist die Bahn auch sehr konkurrenzfähig", erklärte Russ. Die Frage sei, ob es auch die entsprechenden Kapazitäten gebe. Schließlich brauche man ein entsprechendes, garantiertes Volumen. "Und wenn ich etwas in eine Richtung transportiere, was transportiere ich in die andere? Wie geht das in diesem Logistiknetzwerk vernünftig auf, damit man dann nicht leer zurückfahren muss? Es gibt Konzepte, die sich tragen, aber überall ist es nicht möglich, entsprechende Warenströme zu finden", sagte Russ. Gegengesteuert werde beispielsweise mit neuen, flexibleren Aufbauten, die man für verschiedene Warengruppen nutzen und umbauen kann, automatischen Kupplungen sowie neuen Waggon-Typen.
Bei der Gütermobilität in Ballungszentren, Stichwort City Logistik, habe die heimische Logistikforschung einen Schwerpunkt auf nachhaltige Konzepte gelegt. In diesem Bereich gebe es "kompetente Akteure, die auch in europäischen Projekten mitspielen, und viele spannende Projekte", erklärte Russ. Die Herausforderungen seien hier weniger technologischer Natur als in Hinblick auf die Koordination. "Wie bringe ich die verschiedenen Akteure zusammen, wie steuere ich das? Wenn Amazon, DHL und Post für sich alles optimieren, ist das ja schön. Aber wie stelle ich sicher, dass die gemeinsam optimieren – zumindest dort, wo die Stadt beginnt ins Umland auszufransen?", so der Experte.
Bündelung in der City Logistik
Hier sei es notwendig, zu "dirigieren". Die öffentliche Hand könnte sowohl regulativ, aber auch als Anbieter einer Plattform oder von physischen Hubs zumindest zu einer Bündelung anregen. Wer bestimmte Volumina koordiniert abwickle, dürfe in eine gewisse Zone reinfahren – sonst nicht oder nur kostenpflichtig. Dazu brauche es Informationen und Daten von den Anbietern. "Nicht um selbst eingreifen zu können, aber um die Auswirkungen nicht nur auf die Infrastruktur, sondern auch auf Gesellschaft, Umwelt und so weiter ein wenig lenken zu können." Ähnlich wie bei den E-Scootern könnte man hier Vorgaben machen.
CO2-Freiheit sei ebenfalls ein großes Thema, wobei hier neue, kleinteiligere Distributionskonzepte – also Lastenfahrräder und Co. – eine gute Möglichkeit darstellen würden. Bei den KEP-Diensten (Kurier/Express/Paket) und bis zum 7,5-Tonner sei ein elektrischer Antrieb inzwischen durchaus wettbewerbsfähig. Auch weil eine Reichweite von 150 Kilometern im Normalfall durchaus genüge, um durch den Tag zu kommen, wenn man entsprechend effizient unterwegs ist.
Von Stefan Thaler / APA-Science