Steirische Forschung: Prototyp für Österreichs erstes einheitliches Erdrutsch-Warnsystem
Ein neues österreichisches Überwachungssystem für Bodensenkungen und Erdrutsche namens "SuLaMoSA - Subsidence and Landslide Monitoring Service in Austria" steht vor dem Durchbruch. Forscherinnen und Forscher von DIGITAL, dem Institut für Informations- und Kommunikationstechnologien der JOANNEUM RESEARCH, entwickelten einen neuen Prototyp zur digitalen Vermessung und langfristigen Erfassung von Bodenbewegungen und Erdrutschen in Österreich. Hiermit können besonders gefährdete Gebiete überwacht und damit auch kritische Infrastruktur wie Gebäude, Straßen und Industrie präventiv geschützt werden.
Drohende Hangrutschungen, auftauender Permafrost, gefährdete Infrastruktur oder veränderte Grundstücksgrenzen: Das neue SuLaMoSA-Service verarbeitet riesige Datenmengen an Satellitenbildern, um österreichweit instabile Gebiete zu erkennen. Die Forschungsergebnisse eines Vorläuferprojekts zeigten auf, dass von Vorarlberg bis ins Burgenland, vom Hochgebirge (Permafrost) bis in die Stadt große Gebiete von Instabilität betroffen sind. Gründe dafür können sein: Änderungen des Grundwasserspiegels, vermehrte Starkregenereignisse oder Bautätigkeiten, die die Stabilität des Erdreichs beeinflussen. Die Erfahrung zeigt, dass sich z. B. beim U-Bahnbau oder Tunnelbau der Boden nach vollendeter Bautätigkeit erst konsolidieren muss oder auch Bautätigkeiten die Stabilität eines Hanges massiv stören können. So sind Erdrutsche sowie Bodensenkungen weit verbreitet in Österreich. Die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen sind massiv und können eine Region dauerhaft belasten.
Trotz dieser möglichen weitreichenden Folgen gab es für Österreich bis jetzt kein einheitliches, bundesweites Überwachungsservice, um langfristig Senkungen und Rutschungen zu erfassen. Das soll sich jetzt ändern, denn Forscherinnen und Forscher von DIGITAL, unter der Leitung von Karlheinz Gutjahr, haben basierend auf frei verfügbaren Copernicus Satellitendaten (Sentinel-1) ein neues Informationssystem entwickelt, um frühzeitig Hinweise auf instabile Gebiete zu erhalten.
"Mit der Technologie der differenziellen SAR-Interferometrie können sehr genau Entfernungen zwischen den Satelliten und dem Gelände vermessen werden bzw. deren zeitliche Veränderungen. Wir sprechen hier von Entfernungsänderungen im Bereich von Zentimetern bis sogar wenigen Millimetern. Die zugrundeliegenden SAR-Bilder sind durch ihr spezielles Aufnahmeverfahren für Laien relativ schwer zu interpretieren und das Bewegungsmuster durch viele andere Einflüsse überlagert. Erst durch die Auswertung längerer Zeitreihen ist es möglich, langfristige Bodenbewegungen aufzuspüren, mögliche Gefahrenquellen zu dokumentieren und die vorhandene Infrastruktur zu überwachen", so Projektleiter Karlheinz Gutjahr.
An der zugrundeliegenden Technik der SAR-Interferometrie (Synthetic Aperture Radar), bzw. ganz allgemein der Verarbeitung und Interpretation von satellitengestützten Radarbildern, wird seit Jahren in der Forschungsgruppe "Fernerkundung und Geoinformation" geforscht und entwickelt. Sonst wäre es nicht möglich, diese komplexe Verarbeitungskette in so einem kurzen Zeitraum umzusetzen. Um diese großen Datenmengen zu prozessieren, braucht es jedoch spezielle Software und IT-Ressourcen. Daher konnte das EODC (Earth Observation Data Centre for Water Resources Monitoring) im Projekt als Partner gewonnen werden, um neben der Archivierung der Copernicus Daten nun auch die notwendigen Rechencluster zur Verfügung zu stellen. Mit der Geologischen Bundesanstalt konnte ein weiterer kompetenter Projektpartner zur Validierung des SuLaMoSA Services gefunden werden.
Zur Anwendung soll das Überwachungsservice zum Beispiel beim Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV) kommen, um die problematischen Auswirkungen von Bodenbewegungen auf den Grenzkataster sichtbar zu machen. "In den diesbezüglichen Empfehlungen der Österreichischen Geodätischen Kommission an das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird explizit die SAR-Interferometrie als Erfassungsmethode angeführt," ergänzt Gutjahr, der selbst aus dem Vermessungswesen kommt. Darüber hinaus ist es auch ein erklärtes Ziel des Projekts, die Methodik einem größeren Interessentenkreis bekannt zu machen und neue Anwendungsfälle festzustellen.
Der Prototyp ist jetzt fertiggestellt. Nun findet die Übertragung auf die EODC Infrastruktur statt. Mit dem Prototyp konnten aber bereits erfolgreich Deformationskarten für ganz Vorarlberg abgeleitet werden. Die beteiligten Forscherinnen und Forscher und die Projektpartner der Geologischen Bundesanstalt und des EODC möchten die Testphase verstärken, um Möglichkeiten und Limitierungen des Prototyps zu testen. Neben dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen sind bis jetzt ÖBB und ASFINAG weitere Kooperationspartner. Eine Zusammenarbeit mit der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) ist ebenfalls angedacht.
Projektdetails:
Projektstart: 01.06.2018
Projektende: 31.08.2020
Projektpartner: EODC Earth Observation Data Centre for Water Resources Monitoring GmbH, Geologische Bundesanstalt
Fördergeber: FFG/ ASAP
Projektwebseite: https://www.joanneum.at/digital/referenzprojekte/sulamosa-subsidence-and-landslide-monitoring-service-in-austria/
Laufzeit: 26 Monate
Die Forschungsgruppe Fernerkundung und Geoinformation:
Die Forschungsgruppe Fernerkundung und Geoinformation der JOANNEUM RESEARCH beschäftigt sich mit der Auswertung von Fernerkundungsdaten (optische, SAR und LIDAR) für die Beobachtung der Umwelt sowie mit der Entwicklung von Algorithmen zur Bildauswertung, für Prozessierungsketten zur Datenvorverarbeitung sowie zur Generierung von 3D-Informationen aus Stereo-Bilddaten. Zudem sind wir Experten/innen in der Entwicklung von Geo-Datenmanagement und Lagebildsystemen für Katastrophenschutzanwendungen. Wir liefern Services für die Forstinventur, Erfassung der Walddegradation und des Zustands von Schutzwäldern sowie für das Tropenwaldmonitoring in Zusammenhang mit REDD und der nachhaltigen Tropenwaldbewirtschaftung. Wir verfügen über die eigene flugzeuggetragene Sensorplattform ADAM zur Akquisition von Luftbildern (optisch und thermal) mit photogrammetrischer Auswertungskette für die automatisierte Erstellung von Orthophotomosaiken und Oberflächenmodellen. Wir modellieren Gefahrenhinweiskarten und entwickeln Prozessierungsketten zur Erfassung von Naturkatastrophen. Hauptkunden der entwickelten Produkte und Services sind verschiedenste Satellitendatenvertreiber, die ESA, Firmen, die Fernerkundungsservices anbieten sowie die Europäische Kommission.
Mehr Informationen: https://www.joanneum.at/digital/forschungsbereiche/fernerkundung-und-umweltmonitoring/
JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH entwickelt Lösungen und Technologien für Wirtschaft und Industrie in einem breiten Branchenspektrum und betreibt Spitzenforschung auf internationalem Niveau.
Mit dem Fokus auf angewandte Forschung und Technologieentwicklung nimmt die INNOVATION COMPANY eine Schlüsselfunktion im Technologie- und Wissenstransfer ein.
DIGITAL - Institut für Information- und Kommunikationstechnologien ist ein zuverlässiger Partner auf dem Gebiet der Digitalen Innovation und Transformation und entwickelt praxisorientierte High-Tech-Lösungen für die Märkte Mobility, Space, Industry, Security & Defence, Energy & Environment, AAL & Digital Care sowie Culture & Creative Industries.
Rückfragehinweis: DI Dr. Karlheinz Gutjahr SuLaMoSA - Subsidence and Landslide Monitoring Service in Austria DIGITAL - Fernerkundung und Geoinformation Steyrergasse 17, 8010 Graz Telefon: +43 (0)664 602 876-1718 E-Mail: karlheinz.gutjahr@joanneum.at