Biologicum Almtal: Von vorausschauenden Tieren und "teuren" Männern
"Zukunftsfähiges Denken und Handeln" ist nicht nur das Motto des heurigen Biologicums in Grünau im Almtal (OÖ), sondern auch vielen Tieren eigen. "Sie beobachten uns Menschen wohl mehr als umgekehrt und nutzen unser Verhalten zu ihrem Vorteil", erklärte die Wiener Stadtökologin Petra Sumasgutner der APA: Kolkraben fliegen etwa Skihütten gezielt nach Liftschluss an, um Speisereste zu futtern, und haben die Öffnungszeiten von Altstoffsammelzentren und Kompostieranlagen im Kopf.
Die Wildnis wird freilich als Verlierer in der zunehmend von Menschen geprägten Welt angesehen, so Sumasgutner, die am Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien arbeitet: "Manche Tiere profitieren aber von der Nähe zum Menschen." Sie nutzen etwa menschliche Infrastruktur zum Brüten, wie zum Beispiel Turmfalken, die in Wiener Gebäudenischen nisten. Ihre Verwandten, die Wanderfalken, freuen sich wiederum über die vielen Ringeltauben, die weltweit zunehmend in die Städte ziehen, und ein hohes "Beuteangebot" für sie darstellen.
"Die Stare in Kapstadt in Südafrika haben zudem gelernt, den Studierenden am Universitätscampus die Jause streitig zu machen", berichtet Sumasgutner, die auch an der dortigen Uni tätig ist. Die Möwen in Bristol in Großbritannien wiederum wüssten genau über die Pausenzeiten an den Schulhöfen bescheid. Dies würde aus den Bewegungsmustern ersichtlich, die Stadtökologen über Satellitendaten (GPS) in Erfahrung gebracht haben.
Zukunftsfähiges Denken wird beim Biologicum auch aus anderen Blickwinkeln analysiert und diskutiert, so Sonia Kleindorfer, die ebenfalls am Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Uni Wien forscht und die Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal leitet. "Um zukunftsfähig zu handeln, brauchen wir zum Beispiel unbedingt eine Gleichberechtigung von Männer und Frauen an Führungspositionen - unter anderem, weil Männer für die Gesellschaft so kostspielig sind", erklärte sie.
Wie der Wirtschaftsforscher und Buchautor Boris von Heesen beim Biologicum referieren wird, ist es mit hohen psychologischen und gesellschaftlichen Kosten verbunden, ein Mann zu sein. "Weil Männer im Vergleich zu Frauen viel eher drogenabhängig sind, Autounfälle verursachen, Kriege beginnen und wo weiter", sagte die Verhaltensbiologin.
Besseres Verständnis von Tieren
Die Neurobiologin Lisa Bartha-Doering und die Psycholinguistin Jutta Müller (beide von der Medizinischen Universität Wien) würden wiederum referieren, wie Menschen vom Fötus und Baby an bis hin zum Erwachsenen die Fähigkeit zu kommunizieren erlernen und üben. Jede Generation lernt also die Sprache neu. "Das ist wichtig, denn es ist eine andere Komponente von zukunftsfähigem Handeln, dass wir neue Konzepte entwickeln müssen und dazu Veränderungen in der Sprache brauchen", meint Kleindorfer.
Auch ein besseres Verständnis über die Wahrnehmung von Tieren sei vonnöten - wie sie Schmerz, Freude, Aggression und Ähnliches empfinden und prosoziales Verhalten verstärkt wird. Dies wäre ethisch wichtig, um das Wohlbefinden vor allem der domestizierten Tiere zu steigern, und könne zu nachhaltigeren Entscheidungen führen, die auch für die Menschen von Nutzen sind. "Hier herrscht ein Informationsdefizit", so die Forscherin. Zu diesem Thema wird der Tierschutzwissenschafter Jean-Loup Rault von der Veterinärmedizinischen Universität Wien sprechen.
Die Beteiligung von vielen Nicht-Forschern für die Erhebung von Informationen sei zudem bedeutend für zukunftsfähiges Handeln. "Zum einen, weil man ein erhöhtes Problembewusstsein bekommt, wenn man an solchen 'CitizenScience-Initiativen' beteiligt ist, zum anderen liefern sie eine Unmenge an Daten und Informationen", erklärte Kleindorfer. Um diese über lange Zeit und weiten Raum zu sammeln und schließlich auszuwerten, bräuchte man "ungemeine Expertise". Wie eine solche bürgerwissenschaftliche Zusammenarbeit aussehen kann, wird die Nachhaltigkeitsforscherin Dilek Fraisl vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien am Biologicum umreißen.
Service: https://biologicum-almtal.univie.ac.at