Klima-Glossar: Gletscherflut
In Indien ist nach Starkregen der Staudamm eines 1.200-Megawatt-Wasserkraftwerks gebrochen. Die nationale Katastrophenschutzbehörde (NDMA) sagte laut "Hindustan Times", die Hauptursache für die Sturzflut im nordöstlichen Bundesstaat Sikkim sei eine Kombination aus extremen Regenmengen und eine sogenannte "Glacial lake outburst flood" (GLOF). Solche Gletscherfluten werden laut Forschern wegen der Erderwärmung wahrscheinlicher - und gefährden Millionen Menschen im Himalaya.
Bei einem Gletschersee-Ausbruchshochwasser oder einem Gletscherlauf kommt es zu einem plötzlichen Wasserausbruch aus einem Gletscher, der dann wie in Indien als Sturzflut talwärts donnert. Infolge der weltweiten Gletscherschmelze erhöht sich das Risiko insbesondere im Hochgebirge.
In Alaska führte heuer im August ein Rekord-Gletscherseeausbruch zu extremen Überschwemmungen des Mendenhall River, bei dem mehrstöckige Gebäude weggespült wurden. 2022 zerstörte eine Gletscherflut in Hassanabad eine Brücke, die Pakistan mit China verbindet.
Eine 2023 in "Nature" erschienene Studie kam zu dem Ergebnis, dass weltweit 15 Millionen Menschen den verheerenden Auswirkungen möglicher Gletscherfluten ausgesetzt sind. Die Bevölkerung in den asiatischen Hochgebirgen ist demnach am stärksten gefährdet und lebt im Durchschnitt am nächsten zu einem Gletschersee. Mehr als die Hälfte der weltweit exponierten Bevölkerung ist in nur vier Ländern zu finden - in Indien, Pakistan, Peru und China.
Den Wissenschaftern zufolge stellen der anhaltende Eisverlust und die Ausdehnung von Gletscherseen aufgrund des Klimawandels eine weltweit bedeutende Naturgefahr dar, die den Forschern zufolge dringend beachtet werden muss, um den Verlust von Menschenleben durch Gletscherfluten in Zukunft zu minimieren. Seit 1990 seien die Anzahl, die Fläche und das Volumen der Gletscherseen weltweit rapide gestiegen, und zwar um jeweils rund die Hälfte. Gleichzeitig mit dem raschen Wachstum der Gletscherseen hätten viele Einzugsgebiete flussabwärts einen raschen und starken Anstieg der Bevölkerung, der Infrastruktur und der Wasserkraftwerke erlebt.
Bei einem Gletschersee wird Wasser durch Gletschereis oder eine Endmoräne aufgestaut. Das durch diesen natürlichen Damm gestaute Wasser kann aus einer Vielzahl von Ursachen ausbrechen oder der Damm gänzlich brechen. Zum Versagen kann es durch Erosion, den Aufbau von Wasserdruck, eine Fels- oder Schneelawine, ein Erdbeben oder auch durch Vulkanausbrüche unter dem Eis kommen.
In Island werden Gletscherläufe Jökulhlaup genannt, da man zahlreiche, oft katastrophale Gletscherläufe erlebt hat, die dort von unter Gletschern gelegenen Vulkanen ausgelöst wurden. In den Schweizer Alpen kam es während der Klimaschwankung im Mittelalter, der sogenannten Kleinen Eiszeit, zu zwei tödlichen Gletscherflutwellen, 1595 starben 140 Menschen und 1818 44.