Halbes Jahrhundert Weltraumforschung: Grazer IWF blickt zurück
Das Institut für Weltraumforschung (IWF) im Süden von Graz trägt seit über 50 Jahren zur Erforschung unseres Sonnensystems und fernen Galaxien bei. Mit rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist es eines der größten Institute der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Am Dienstag feiert man den 50. Geburtstag - pandemiebedingt verschoben - nach. Im Grazer CoSA - Center of Science Activities - ist zur Geschichte bereits seit Dezember eine Ausstellung zu sehen.
Der Start des sowjetischen Satelliten "Sputnik" 1957 war auch für Österreich quasi das Aufbruchssignal, sich stärken den Raumfahrttechnologien zu widmen, mit der ersten bemannten Mondlandung im Juli 1969 erlebte die Erforschung des Weltraums noch einmal einen enormen Aufschwung. In jenem Jahr startete auch das erste österreichische Messgerät an Bord einer Forschungsrakete ins Weltall. Bis zur Gründung eines österreichischen Instituts für Weltraumforschung sollte es dennoch eine Weile dauern.
Heute entwickelt und baut das IWF weltraumtaugliche Geräte, mit denen es misst, analysiert und interpretiert, was sich hoch über unseren Köpfen abspielt. Die Missionen umfassen Satellitenflotten im erdnahen Weltraum über die Sonnenbeobachtung bis zur Erforschung von Planeten wie Merkur, Jupiter und extrasolaren Planeten.
Insgesamt war das IWF im vergangenen halben Jahrhundert an über 40 Weltraummissionen beteiligt und entwickelte dafür mehr als 100 Fluginstrumente, listete das Weltrauminstitut auf. Weltraumtechnologie aus Graz flog inzwischen mit der Mission "Cassini/Huygens" zum Saturn und seinen Monden, landete mit der "Rosetta"-Mission erstmals auf einem Kometen, fliegt mit "BepiColombo" zum Merkur, startete an Bord von "Juice" demnächst zu den Eismonden des Jupiters und wird mit "Plato" Planeten außerhalb unseres Sonnensystems erforschen.
Der exakte "Geburtstag" des Instituts ist nicht leicht auszumachen: In der Gesamtsitzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften am 24. April 1970 wurde dem Unterrichtsministerium die Errichtung eines Weltraumforschungsinstituts empfohlen. In seiner Sitzung am 18. Dezember beschloss das Parlament das Bundesbudget für 1971, worin das Institut explizit mit einem zugewiesenen Betrag erwähnt wurde. Eine offizielle Gründungsurkunde existiert jedoch nicht, das Datum der Parlamentssitzung kann aber als Geburtstag angesehen werden, hieß es vonseiten des IWF gegenüber der APA. 50 Jahre Weltraumgeschichte sind es jedenfalls allemal, die das Institut für Weltraumforschung bisher schon geschrieben hat. Genaugenommen sind es sogar mehr.
Auf Physik des erdnahen Weltraums spezialisiert
Otto Burkard vom Institut für Meteorologie und Geophysik der Karl-Franzens-Universität Graz, der schon zu Beginn der 1960er-Jahre erstmals die Errichtung eines österreichischen Weltraumforschungsinstituts öffentlich diskutiert hatte, wurde 1975 erster geschäftsführender Direktor. Unter seiner Leitung spezialisierte sich das IWF auf die Physik des erdnahen Weltraums, Satellitengeodäsie und experimentelle Weltraumforschung. Ihm folgten seither 1984 Willibald Riedler, Hans Sünkel (2001), Wolfgang Baumjohann (2004) und 2021 Christiane Helling nach.
Das Institut bestand in den ersten Jahren aus acht Arbeitsgruppen, die auf Wien, Graz und Innsbruck verteilt waren. Graz kristallisierte sich jedoch schon bald als Zentrum heraus. 1976 wurde das Observatorium Lustbühel eröffnet, wo das IWF seit 1982 eine Laserbeobachtungsstation betreibt. Mit Willibald Riedler erlangte die heimische Weltraumforschung internationalen Ruf. Seine Kontakte ermöglichten wissenschaftliche Beteiligungen an sowjetischen Missionen zum Kometen Halley, zur Venus oder zum Mars. Durch den Vollbeitritt Österreichs zur Europäischen Weltraumorganisation ESA 1987 wurden Forschungskooperationen möglich, die weit über die Landesgrenzen hinaus reichten.
Bündelung der Kompetenzen
Ein Meilenstein in der Geschichte des IWF war die Errichtung des ÖAW-Forschungszentrums Graz (heute Victor Franz Hess-Forschungszentrum), das im November 2000 bezogen wurde. Die Bündelung der Kompetenzen unter einem Dach habe die interne Zusammenarbeit verstärkt, hieß es vonseiten des IWF. Unter Hans Sünkel, der das IWF vier Jahre lang führte, und Wolfgang Baumjohann, der dem Institut 17 Jahre lang vorstand, wurde die Beteiligung an Weltraummissionen weiter ausgebaut. Baumjohanns Kontakte zur NASA und Japan Aerospace Exploration Agency (JAXA) ermöglichten dem IWF, an Missionen wie MMS oder BepiColombo mitzuarbeiten.
Seit Oktober 2021 leitet Christiane Helling das IWF. Unterstützt wird sie dabei von den Führungskräften der insgesamt acht Forschungsgruppen. Mit Helling verlagert sich der Forschungsschwerpunkt des Instituts verstärkt in Richtung Exoplaneten. Deren Erkundung führt die Wissenschaft in ferne Welten, die Lichtjahre von der Erde entfernt sind. Mehr als 5.000 Exemplare wurden bisher schon entdeckt.
Das Weltraumteleskop "Corot" war 2006 die erste Exoplanetenmission, an der das IWF beteiligt war. Das IWF steuerte ein Rechnersystem zur Selektion der wissenschaftlich relevanten Bildinformationen bei. "Die Erforschung extrasolarer Planeten erfordert einen fachübergreifenden Ansatz, den wir hier am Institut für Weltraumforschung auf den fundamentalen Arbeiten zu Objekten unseres Sonnensystems auf- und ausbauen werden. Ich freue mich, die Wissenschaftslandschaft in Zusammenarbeit mit den lokalen Experten am IWF, den Universitäten sowie im Großraum Steiermark zu gestalten", blickt Christiane Helling optimistisch in die Zukunft des Instituts.
Wer Näheres über die Arbeit des IWF erfahren möchte, kann sich in der Sonderausstellung "Mission Possible!" im Grazer CoSA - Center of Science Activities näher informieren und zugleich an einer fiktiven Mission teilnehmen: Die Reise geht zu Enceladus, einem der größten Saturnmonde. Der rote Faden durch die Ausstellung ist ein Comic, der in 21 Bildern auf rund 30 Metern Länge die Tätigkeiten der IWF-Forschenden darstellt. In den Comic integriert sind originale Weltraum-Messgeräte.
Service: https://www.oeaw.ac.at/iwf