ISTA-Präsident Henzinger: "Es war nicht immer leicht"
Thomas Henzinger wurde 2008 zum ersten Präsidenten des Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg (NÖ) bestellt. Nach 14 Jahren übergibt der Informatiker, der am 8. Dezember seinen 60. Geburtstag feiert, den Chefsessel an den Molekularbiologen Martin Hetzer. "Es war nicht immer leicht", blickt er im Gespräch mit der APA auf die Aufbaujahre des Instituts zurück, das er "auch in zehn Jahren noch nicht fertig" sieht.
Frage: Anton Zeilinger regte die Gründung des ISTA an, nächste Woche erhält er den Physik-Nobelpreis: Wird der nächste österreichische Nobelpreisträger vom ISTA kommen?
Henzinger: Ich hoffe nicht. Zeilinger ist ja ein gutes Beispiel, wie lange es dauert: Seine gewürdigten Arbeiten sind 25, 30 Jahre alt. Und ich hoffe nicht, dass Österreich wieder ein paar Jahrzehnte auf den nächsten Nobelpreis warten muss. Ich bin aber zuversichtlich, dass irgendwann auch ein Nobelpreis ans ISTA kommt.
Frage: Ihr Nachfolger Martin Hetzer meinte anlässlich seiner Bestellung, es "gibt derzeit kein spannenderes Projekt in der Wissenschaft als das IST Austria" - warum verlassen Sie dieses Projekt?
Henzinger: Ich verlasse es nicht. Pointiert könnte man sagen, ich habe 14 Jahre lang an meinem Traumjob gebastelt - Professor am ISTA zu sein. Aber es ist einfach Zeit für mich und für das Institut, die Leitung zurückzulegen. Das ist auch eine Frage der guten Führung und Hygiene, dass hier ein gewisser Turnover ist.
Frage: Sie haben anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Instituts 2019 gesagt, dessen Aufbau sei "noch lange nicht fertig"...
Henzinger: ... sind wir auch nicht ...
Frage: Aber ist es nicht unbefriedigend, etwas Unfertiges zu übergeben?
Henzinger: Nein, absolut nicht. Wir sind auch in zehn Jahren noch nicht fertig und dann muss ich in Pension gehen. Wir sind in 14 Jahren von Null auf 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewachsen - wir haben im September diesen symbolischen Meilenstein erreicht - aber noch bezeichnender haben wir jetzt 75 Professorinnen und Professoren, und das ist - ebenfalls eine schöne Symbolik - genau die Hälfte dessen, wohin wir in den nächsten 15 Jahren wachsen wollen. Das heißt, es ist Halbzeit hier am ISTA - und das ist doch eine schöne Zeit für jemanden anderen, hier zu übernehmen.
Frage: Sie sind ein hohes Risiko eingegangen, als sie 2009 die Führung einer völlig neuen Institution übernommen haben, haben sich aber selbst die Latte hochgelegt, als Sie damals sagten, um das Institut sollte uns die Welt beneiden. Beneidet uns die Welt um das ISTA?
Henzinger: Wir sind noch nicht fertig - aber ja, es beneiden uns Leute. Nächste Woche besucht uns eine hochrangige Delegation aus Polen, wo man eine Institution wie das ISTA aufbauen will, im Frühjahr kommen Irländer. Vor allem für jene Länder in der EU, speziell in Osteuropa, die nicht so erfolgreich beim Einwerben von ERC-Grants (Förderpreise des Europäischen Forschungsrats ERC, Anm.) sind, gibt es wahrscheinlich keinen schnelleren und effizienteren Weg, das zu ändern, als eine Institution wie das ISTA zu gründen.
Frage: Sie hatten gemeinsam mit dem Kuratorium schon von Anfang an klare Vorstellungen vom Konzept des ISTA, das sich stark von etablierten österreichischen Institutionen unterschied. Wie hart waren die Bretter, die Sie bohren mussten, um tradierte Vorstellungen zu durchbrechen?
Henzinger: Es war nicht immer leicht, aber ich bin ein sehr beharrlicher Mensch und wenn ich von etwas überzeugt bin, bin ich nicht so leicht davon abzubringen. Die Rahmenbedingungen waren hier aber gegeben, da muss man auch der Politik Lob zollen. Wie ich gekommen bin, haben mir Leute - vor allem aus der österreichischen Wissenschaft - abgeraten und gesagt, das wird nie funktionieren. So etwas höre ich nicht mehr. Jetzt höre ich: 'Wenn wir solche Bedingungen hätten, dann könnten wir es auch machen.' Das ist gut so und hoffentlich werden Bedingungen wie unsere langfristige Finanzierung auch anderswo etabliert.
Frage: Worauf basiert der Erfolg des Instituts?
Henzinger: Die zwei Grundpfeiler - an denen hoffentlich festgehalten wird, weil Erfolg in der Wissenschaft schnell vorbei sein kann - sind einerseits eine wirkliche Unabhängigkeit: dass dieses Institut nicht nach österreichischen Gepflogenheiten aufgebaut wurde, sondern sich kompromisslos an den Wettbewerbern in aller Welt orientiert hat, also den Spitzenuniversitäten und -forschungseinrichtungen in den USA, Großbritannien, Schweiz, usw.. Andererseits versuchen wir, die besten Wissenschafter hierher zu holen, ihnen ideale Bedingungen und vollkommene Freiheit zur Verfügung stellen. Sonst gibt es kein Geheimnis.
Frage: Was ist Ihnen rückblickend nicht gelungen?
Henzinger: Einige Sachen waren schwieriger als ich gedacht habe, etwa etablierte Wissenschafter von etablierten Institutionen abzuwerben. Denn die Art von Wissenschafter, die wir wollen, wird woanders auch gewollt. Wir sind auch in vieler Hinsicht international bekannter als in Österreich. Ich bin erstaunt, hier auch nach 14 Jahren noch Leute zu treffen, und das sind keine aus bildungsfernen Schichten, die das ISTA nicht kennen.
Frage: Die unterschiedlichen Rahmenbedingungen zwischen ISTA und etwa den Universitäten wurden vor allem zu Beginn des Instituts kritisch gesehen. Hat sich das Verhältnis entspannt?
Henzinger: Ich denke, es hat sich sehr viel geändert. Wie zu erwarten war, gibt es unter Wissenschaftern jede Menge Kooperationen und gemeinsame Projekte. So war etwa mehr als die Hälfte unserer Professorinnen und Professoren in Anträge für das neue Exzellenz-Cluster-Programm des FWF involviert - das alleine zeigt, wie dicht wir vernetzt sind. Auch die regelmäßigen Kontakte mit Rektoren und in der "Allianz der Forschungsorganisationen" zeigen, dass das ISTA voll in die heimische Forschungslandschaft integriert ist.
Frage: Wie geht es dem ISTA mit aktuellen Herausforderungen - von der Teuerung bis zu Cyberattacken?
Henzinger: Bei der Teuerung sind wir glücklicherweise nicht in der Situation der Universitäten, die nun auf ein dreijähriges Budget schauen, das ganz anders aussieht als sie letztes Jahr verhandelt hatten. Wir haben Zehn-Jahres-Vereinbarungen und die aktuelle geht von 2017 bis 2026. In diese Zeit fallen mehrere Jahre mit niedriger Inflation und daher haben wir voraussichtlich keine finanziellen Nöte bis 2026. Aber alle Annahmen für unsere dritte, bis 2036 laufenden Finanzierungsperiode schauen nicht mehr so gut aus wie bisher. Wenn hier wirklich lange Zeit hohe Inflation bleibt, werden wir nachverhandeln müssen.
Frage: Und wie geht es Ihnen nach der Cyberattacke von Anfang November?
Henzinger: Ich bin wirklich erschüttert. Aber in einer offenen akademischen Institution sind solche Ransomware-Attacken praktisch nicht zu verhindern. Wir haben keine riesigen Datenmengen verloren, aber es ist natürlich peinlich. Wir sind immer noch voll damit beschäftigt und es sind enorme Kosten entstanden. Man muss einfach mehr investieren und so viel wie möglich intern monitoren, um solche Attacken möglichst früh zu erkennen und einzudämmen. Das ist viel wichtiger als alles luftdicht nach außen abzuschotten, weil das praktisch unmöglich ist.
Frage: Ihre Frau wurde noch in Ihrer Amtszeit als Professorin an das ISTA berufen und wird dort im Frühjahr kommenden Jahres ihre Arbeit aufnehmen - fürchten Sie nicht den Vorwurf des Nepotismus.
Henzinger: Es fällt mir schwer darauf zu antworten, denn ich war intern überhaupt nicht in diesen Prozess involviert.
Frage: Sie nehmen ein Sabbatical, um an der Stanford University zu forschen - woran konkret wollen Sie arbeiten?
Henzinger: Ich habe noch keine Sekunde Zeit gehabt, mir zu überlegen, was ich machen will. Logistisch ist alles geplant, ich werde Distanz gewinnen, das ist besser für das Institut und auch für mich. Ich werde die meiste Zeit an der Stanford University verbringen und zuvor noch in die Schweiz und nach Australien gehen.
(Das Gespräch führte Christian Müller/APA)