Risiken durch Steinschlag hängt von Form der fallenden Steine ab
Das Risiko durch einen Steinschlag hängt mehr von der Form der fallenden Brocken ab als von deren Masse. Während laut Schweizer Forschern würfelförmige Steine in der Falllinie zu Tal donnern, sind die einem Rad ähnliche Steine potenziell gefährlicher: Sie drehen beim Sturz häufig auf eine Seite weg. Damit können sie einen viel breiteren Bereich am Fuß des Hanges gefährden, berichten die Experten des WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF und der ETH Zürich.
Die Resultate ihrer Steinschlag-Experimente veröffentlichten die Wissenschafter in der Fachzeitschrift "Nature Communications". Mit den Messdaten könnten Berechnungsprogramme geeicht und weiterentwickelt werden, um die Realität besser abzubilden, hieß es im Communiqué.
Die Modelle, mit denen die Gefahrenlage durch herabfallende Steine an bestimmten Orten bisher berechnet werden, können laut Mitteilung nicht genügend berücksichtigen, welche Rolle Masse, Größe und Form des Steines für die Gefährdung spielen. Messdaten aus der Realität gab es nur vereinzelt, systematische Untersuchungen fehlten. Mit den vier Jahre lang durchgeführten Steinschlag-Experimenten hat das geändert. Im Communiqué ist vom bisher umfassendsten Satz von Messdaten die Rede. "So konnten wir den bisher größten Satz an Messdaten zusammentragen", ließ sich Andrin Caviezel, SLF-Forscher und Hauptautor der Studie, zitieren.
Künstliche Betonsteine als Versuchsobjekte
Das Forschungsteam verwendete künstliche Steine aus Beton, an denen sie Sensoren anbrachten. In der Nähe des Flüelapasses in Graubünden ließen sie die Brocken einen Hang hinab rollen. Sie verglichen dabei verschiedene Formen und Massen, rekonstruierten Flugbahnen und bestimmten Geschwindigkeiten, Sprunghöhen und Auslaufbereiche.
Welche Richtung ein fallender Stein nimmt, hängt in erster Linie von der Form ab. Würfelförmige Betonklötze stürzten in der Falllinie den Hang hinunter. Bei radähnlichen Steinen dagegen war die Streuung auf beide Seiten größer. Damit können sie einen breiteren Bereich am Fuß des Hanges gefährden.
"Das muss bei der Einschätzung von Gefahrenzonen berücksichtigt werden, aber auch bei der Platzierung und Dimensionierung von Steinschlagnetzen", sagt Caviezel. Denn radähnliche Brocken prallen mit der schmalen Seite ins Netz. Damit konzentriert sich die Energie auf eine größere Fläche im Vergleich zum würfelförmigen Klotz.
183 Betonblöcke rollten oder stürzten für die Versuche talwärts; sie waren 45, 200, 800 oder 2.670 Kilogramm schwer. Knapp 1.400 Aufschläge konnten die Forschenden verwerten. Insgesamt wurden 82 Flugbahnen rekonstruiert. Die höchste erreichte "Sprunghöhe" betrug 11,1 Meter, die höchste Geschwindigkeit 109 Kilometer in der Stunde (km/h).
Daten werden für ein Simulationsprogramm verwendet
Die Daten des Experiments fließen nun in ein Simulationsprogramm des SLF ein. Ziel ist, auch herauszufinden, wie Aufprall und Absprung vom Boden die Geschwindigkeit beeinflussen, mit der ein Stein bergab rollt. Das soll Ingenieurbüros bessere Grundlagen geben für Berechnungen möglicher Steinschläge.
Der Datensatz soll auf der Plattform "Envidat" künftig auch anderen Forschenden frei zugänglich sein. Sie könnten damit eigene Algorithmen kalibrieren oder neue Modelle entwickeln, welche die Realität noch genauer als bisher abbilden und den Schutz vor Steinschlag verbessern, hieß es im Communiqué.
Service: Studie online unter: https://doi.org/10.1038/s41467-021-25794-y